Im Emsland hatten sie ein Einsehen: Kurzfristig hat der Landkreis am Adventssonntag seine Zulassungsstelle in Meppen geöffnet, damit Käuferinnen und Käufer von Elektroautos noch rechtzeitig ihre Autos anmelden konnten. Immerhin 24 Autobesitzerinnen und -besitzer schafften es in den zwei Stunden Sonderöffnung und konnten sich so als Allerletzte in Deutschland eine staatliche Prämie für ihr neues klimafreundliches Gefährt sichern. Gut 100.000 Euro fließen so noch aus der Bundeskasse ins Emsland, bevor der Subventionstopf nach dem Willen der Regierung ohne einen Werktag Vorwarnung für immer versiegelt wird. Jedenfalls kommt man auf diese Summe, wenn man die maximale Fördersumme von 4.500 Euro pro Auto zugrundelegt. Und wenn die 24 es auch noch geschafft haben, sich am Spätnachmittag oder Abend durch die Prozedur bei der Bundesbehörde Bafa zu klicken. Denn ab 0 Uhr prangte da ein orangefarbener Warnhinweis, Förderungsschluss. Endgültig.
In allen anderen Landkreisen gilt: Wohl denjenigen, die sich trotz politischer Appelle, trotz Werbung der Industrie, die endlich auf politischen Druck und neue CO2-Grenzen reagiert hat, trotz einer immer drängender werdenden Klimakrise gegen alle offenbare Vernunft nicht für ein modernes Stromauto entschieden haben. Wohl denjenigen, die halsstarrig einen überkommenen Diesel gewählt haben – oder sich dafür entschieden, einfach den alten Stinker weiterzufahren, statt sich von fossilen Energien wegzubewegen. Sie werden nämlich vom Staat belohnt. Dieseltreibstoff wird ungeachtet aller Sparzwänge weiter großzügig vom Steuerzahler subventioniert. Mit rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, wobei die erhöhte Kraftfahrzeugsteuer für Diesel-Pkw schon abgezogen ist. (Zum Vergleich: Für die jetzt gestoppte E-Auto-Subvention waren 2024 1,3 Millarden Euro eingeplant). Ebenso geht die staatliche Förderung von Dienstwagen und Autopendlern weiter, auch wenn beides meistens für die Zukunft unseres Planeten schlecht ist.
Verwirrend an der abrupten Maßnahme vom Wochenende ist auch, dass die Verantwortlichen, Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz kurz zuvor noch eigentlich etwas anderes versprochen hatten, bei der Einigung auf ihr Sparprogramm, mit dem sie trotz Urteil aus Karlsruhe die Schuldenbremse einhalten wollen. Versprochen haben die Regierungspolitiker: Es würden jetzt klimaschädliche Subventionen gestrichen. Von diesen klimaschädlichen Subventionen gibt es viele, das Umweltbundesamt kam neulich, nur auf Bundesebene, auf eine Summe von über 65 Milliarden Euro im Jahr, die Diesel-Förderung steht weit oben auf der Liste. Doch die allermeisten dieser Subventionen dürfen ebenso wie die Dieselsubvention bleiben, auch wenn gespart werden muss. Gespart wird stattdessen an der elektromobilen Zukunft (auch für Lastenräder gibt’s nichts mehr vom Bund, obwohl die Summe dafür wenig ins Gewicht fällt).
Deutschland wird bei den E-Autos abgehängt
Die Auswirkung der Vollbremsung aus Berlin werden fatal sein. Zwar ist der Siegeszug des Elektroautos global kaum mehr aufzuhalten, selbst wenn der deutsche Markt jetzt erst einmal willkürlich politisch ausgebremst wird. Zu beherzt sind die Investitionen der Autohersteller in die neue Technik, zu überzeugend die technologischen Fortschritte der neuen Stromfahrzeuge, zu klar die strengen Vorgaben der Limits für den CO2-Ausstoß in den entscheidenden Märkten China, EU und USA. Und zu ehrgeizig sind die von ihren Ländern massiv staatlich geförderten Autohersteller in China und den USA, die entschlossen sind, die Elektrifizierung des Autofahrens zu ihrem Vorteil auf den Weltmärkten zu nutzen.
Interessant ist auch die in der Politik immer wieder vorgebrachte Begründung, warum – zum Beispiel – die Dieselsubvention nicht gestrichen werden könnte, selbst wenn dies sogar aus der Autoindustrie immer wieder angeregt wird: Man dürfe die Dieselkäuferinnen nicht vor den Kopf stoßen, die im Vertrauen auf billigen Diesel in solch ein Fahrzeug investierten oder investiert hätten. Zuletzt wurde dieses Argument etwa vorgebracht von Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil im Stern-Interview. Das Ergebnis der neuesten Abwägung aus Berlin ist somit, dass man – offenbar – das Vertrauen der Dieselkäufer nicht verletzen darf. Verletzen darf man demnach aber sehr wohl das Vertrauen derjenigen Menschen, die sich, vielleicht aus Sorge ums Klima, vielleicht wegen des angenehmen Fahrens, vielleicht auch wegen der Subvention, für die elektromobile Zukunft entschieden haben.
Denn diese Menschen haben eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich. Leute, die Anfang 2023 mit dem Gedanken an ein Stromfahrzeug spielten, erfuhren beim Händler oft: Sie müssten sich schnell entscheiden, Lieferzeiten vor Jahresende konnte die Industrie schon bald nicht mehr sicher garantieren. Aber es war ja – ursprünglich – für das Jahr 2024 noch ein reduzierter Zuschuss zugesagt, nicht mehr 4.500, aber 3.000 Euro. Im Herbst drehte sich der Markt, Hersteller und Handel hatten sich oft verkalkuliert und plötzlich wieder Autos im Angebot, die sie kurz vor Jahresende noch zu liefern versprachen – und die jetzt oft nicht mehr rechtzeitig zugelassen werden konnten. (Glück haben nur die, die ein E-Fahrzeug des Stellantis-Konzerns bestellt haben, also einen Opel, Jeep, Citroen, Peugeot oder Fiat, der Hersteller versprach gestern, die verpasste Prämie zu übernehmen).
Nicht nur für die Kundschaft ist das ein schlechter Schritt
Gut, Scholz, Lindner und Habeck mögen sich gesagt haben, dass sie die Enttäuschung der Subventionierten in Kauf nehmen. Schließlich löst fast jede Subvention bei ihrer Streichung Unmut aus, selbst wenn die Subvention fragwürdig war – das kann man jetzt auch bei den protestierenden Landwirtinnen und -wirten beobachten. Aber in der Angelegenheit E-Auto-Subventionen geht es eben nicht nur um die Glaubwürdigkeit der Politik bei ein paar Tesla- oder VW-ID-Buzz-Begeisterten. Vielmehr steht der gesamte Kosmos rund um das Autogeschäft in Frage – Herstellerfirmen, Zuliefererbetriebe, Handel.
Der Umstieg von Verbrenner auf Elektro ist seit mehr als zehn Jahren ein politisch propagiertes und klimapolitisch notwendiges Ziel. Die Industrie hat viel zu lange gezögert, dieses Ziel anzunehmen. Die Politik hat – zu Recht – versprochen für einen planmäßigen Umstieg zu sorgen, weil allein mit Marktkräften ein solcher Umbau nur schwer funktioniert und viel mehr Jobs kosten dürfte als mit einem Plan. Zuletzt nahm der Umbau endlich Fahrt auf. Hersteller und Importlieferanten sorgten für geeignete Fahrzeuge, Kapazitäten wurden geschaffen, nicht nur im Autobau, sondern auch darum herum. Ein Beispiel sind die – teilweise mit üppigen Bundessubventionen geförderten – Batteriezellfabriken, die dafür sorgen sollen, dass auch zukünftig die wesentliche Wertschöpfung im Autogeschäft in Deutschland geschehen kann. Kundinnen, Hersteller, Arbeitskräfte, Investoren sollten damit planen können, dass sich der Verbrenner langsam verabschiedet und das Stromauto, auch dank staatlichen Anschubs, Fahrt aufnimmt. Insofern war es verkraftbar, dass die Ampelkoalition nach ihrem Start 2021 ankündigte, die von der Groko eingeführte E-Auto-Subvention ab Herbst 2023 abzuschmelzen und Ende 2024 ganz auslaufen zu lassen. Es schien riskant, aber vorstellbar, dass bis dahin der Umstieg so weit entwickelt ist, dass es auch aus eigener Kraft geht.
Nun haben sich Scholz und Co. aber gegen alle Vernunft entschieden, diese Entwicklung abrupt auszubremsen. Dass sie gleichzeitig speziell im Mobilitätssektor die klimaschädlichen Systeme weiter kräftig fördern wollen, macht das Ganze zu einem beklagenswerten Skandal. Die Regierung macht es ihrer heimischen Autoindustrie schwierig, in ihrem Heimatmarkt den Umstieg zu schaffen. Damit verschafft sie indirekt den nicht-deutschen Herstellern einen Wettbewerbsvorteil. Solch eine Vollbremsung, das weiß, wer sich mit Autos auskennt, kostet enorm viel Energie – in diesem Fall für erstaunlich wenig Ertrag. Kräftig aufs Strompedal treten derweil andere.