#1 Das größte Glück der Commerzbank ist die Deutsche Bank
Der größte Profiteur der Deutsche-Bank-Dauerkrise ist die Commerzbank, die plötzlich als die bessere Bank gilt. Seit der Finanzkrise kommt das Institut mit dem gelben Logo zwar nicht aus dem Quark , aber so richtig stört sich auf der Hauptversammlung keiner daran. Die Aktionärsvertreter haben das Gefühl: Bei der Commerzbank geht´s jetzt irgendwie voran. Im Gegensatz zur blauen Konkurrenz konnte die gelbe Bank 2017 immerhin einen Mini-Gewinn von fast 156 Mio. Euro ausweisen, was die Hauptversammlungsredner eifrig loben. Und gemessen an der Deutschen Bank ist die Commerzbank tatsächlich die bessere deutsche Bank. Entscheidend dafür ist vor allem:
#2 Die Commerzbank hat immerhin eine Strategie
Inzwischen muss man diese Selbstverständlichkeit ja betonen, weil man beim ganzen Vor und Zurück der Deutschen Bank kaum mehr durchblickt: Aber die Commerzbank weiß, wo sie hin will. Das Investmentbanking hat das gelbe Geldhaus zusammengestrichen und große internationale Ambitionen hegt man am Frankfurter Kaiserplatz nicht mehr, das Institut will sich auf Privat- und Firmenkunden konzentrieren. Deshalb werben Vorstandschef Martin Zielke und seine Truppe so viele Neukunden wie wohl kaum eine andere deutsche Bank. Bis 2020 will die Bank zwei Millionen Privatkunden gewinnen, bislang konnte das Institut etwa 650.000 neue Kunden begrüßen. Dazu lockt die Bank Verbraucher mit Prämien und will obendrein die Zahl seiner Filialen bei circa 1000 belassen – während sämtliche Mitbewerber Geschäftsstellen im großen Stil zusperren.
#3 Die Strategie ist ein riskantes Experiment
Die Commerzbank präsentiert sich zwar gerne als wachsende Bank, weil sie so viele Neukunden gewinnt. Aber das Institut muss erst mal beweisen, dass diese Strategie zu wachsenden Erträgen führt, denn Prämien und Filialen kosten natürlich – aber am Ende kommt es nun mal auf wachsende Erträge an.
Doch 2017 lief es bei den Einnahmen nicht gut, sie sanken um 2,5 Prozent auf gut 9,2 Mrd. Euro. Für das abgelaufene Geschäftsjahr kommt die Bank daher nur auf eine mickrige Eigenkapital-Rendite – das ist der Goldstandard in der Bankenbranche, um die Rentabilität zu beurteilen – von 0,6 Prozent. Auch im ersten Quartal dieses Jahres waren die Erträge gerade einmal stabil.
Fairerweise muss man sagen: Laut Commerzbank soll es im Schnitt 18 Monate dauern, bis das Institut aus Neukunden Erträge ziehen kann, bis die also eine Baufinanzierung abschließen oder ein Aktiendepot eröffnen. Nur: Zielke hat im Herbst 2016 verkündet, zwei Millionen Kunden gewinnen zu wollen. Wenn sich das große Kunden-Experiment in diesem Jahr nicht langsam im Zahlenwerk widerspiegelt, könnten Investoren die teure Strategie heftiger als bisher hinterfragen.
#4 Der Digitalwahn der Bank sollte Aktionäre skeptisch machen
Vorstandschef Zielke reihte in seiner Rede Digitalisierungsmodewort an Digitalisierungsmodewort. Natürlich sprach er von Big Data, von advanced Analytics und von intelligenten Analysen (was die Unterschiede sind, ließ er offen) – und natürlich zeigte sich Zielke auch begeistert von der Blockchain, einem digitales Transaktionsregister, das die halbe Bankenwelt verrückt macht, weil sie die Effizienz massiv steigern soll.
Zielkes Rede voller Digitalisierungsfloskeln sollte Investoren skeptisch machen: Über nichts scheinen die Gelbbanker lieber zu reden als ihre Onlinebestrebungen, kein anderes deutsches Institut versucht so zwanghaft, sich als besonders digital zu präsentieren . Das Problem damit ist vor allem: Im Gegenzug ließ Zielke andere Themen unter den Tisch fallen, über die hohen Kosten verlor er kein Wort – obwohl sie doch maßgeblich für die Höhe des Gewinns sind.
Die Kosten lassen sich an der Aufwands-Ertrags-Relation ablesen, die bei der Commerzbank gut 77 Prozent beträgt. Bedeutet: Um einen Euro zu verdienen, muss die Commerzbank 77 Cent aufwenden. Das ist zwar weniger als bei der chronisch maladen Deutschen Bank, aber deutlich mehr als bei anderen Instituten. Die BayernLB und die genossenschaftliche DZ Bank kommen auf gut 60 Prozent. Zwar will auch Zielke den Wert bis 2020 auf 66 Prozent drücken. Aber wie er das binnen zwei Jahren schaffen will, dazu wären dann doch ein paar Worte nötig gewesen.
#5 Die Gelbbank zeigt Deutsche-Bank-Aktionären: Seid hart zum Aufsichtsrat
Für Klaus-Peter Müller ist jetzt Schluss, der seit 2008 amtierende Aufsichtsratschef der Commerzbank ist in diesem Jahr nicht zur Wiederwahl angetreten. Eine Aktionärsvertreterin dankte ihm „für alles Gute, was er für die Bank getan hat“. Wie obskur! 2006, als Müller noch Vorstandschef der Bank war, kaufte die Commerzbank ja erst den Immobilienfinanzierer Eurohypo, 2008 dann die Dresdner Bank– obwohl die Finanzkrise da schon begonnen hatte.
Die Zukäufe stürzten die Bank in die Krise, sie musste gerade deshalb mit Steuergeld gerettet werden. Seitdem hat das Institut unter Müllers Ägide als Aufsichtsratschef mehrere Sanierungsprogramme durchgezogen (wohlgemerkt: um Müllers Fehler auszubügeln) und laviert irgendwie so rum, ohne nennenswert Erträge zu erzielen. Natürlich trägt auch ein Aufsichtsratsvorsitzender daran eine Mitschuld. Die Aktionäre hätten es in der Hand gehabt, schon eher für frischen Wind an der Aufsichtsratsspitze zu sorgen. Das hätte helfen können, die Sanierung der Bank flotter voranzutreiben. Aber offensichtlich wollten die Aktionäre nicht.
Investoren der Deutschen Bank sollte die Ära Müller bei der Commerzbank eine Warnung sein: Den Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner lassen sie bislang gewähren, obwohl er für die Krise des Geldhauses mitverantwortlich ist. Belassen die Aktionäre Achleitner in seinem Amt, riskieren sie, dass sich die Schwierigkeiten fortsetzen – und die Krise eines Tages so lange dauert wie bei der Commerzbank.