Es ist ein Titelverlust mit Ansage. Das ändert nichts an seinem Symbolcharakter. China hat 2020 Deutschland als Maschinenbau-Exportweltmeister abgelöst. Das berichtete der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) im Sommer 2021 auf Basis erster Schätzungen.
Die neue Vormachtstellung der Volksrepublik ist das Resultat der 2015 vorgestellten Strategie „Made in China 2025“. Mit ihr machte China den Anspruch geltend, die führenden Industrienationen in verschiedenen Wirtschaftszweigen dank Forschung und Automatisierung nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ einzuholen und zu überholen.
Maschinen-Export: China jetzt vor Deutschland
„Zudem will China sich auch als Exportmacht immer stärker durchsetzen“, schrieb der VDMA. Im Maschinenbau hat dieser Anspruch während der Corona-Pandemie dazu geführt, dass die Volksrepublik Deutschland als weltweiter Spitzenreiter ablösen konnte.
Allerdings sorgen Chinas Ambitionen hierzulande nicht nur für Besorgnis. Viele Branchenvertreter profitieren von „China 2025“. Und derzeit ziehen die deutschen Exporte wieder an. Also kein Grund zur Sorge?
Acht Fakten zu Chinas Ambitionen im Maschinenbau und der Lage in Deutschland:
China überholt Deutschland beim Maschinen-Export: 8 Fakten
Überraschend kam die Wachablösung nicht. China produziert seit längerer Zeit die meisten Maschinen weltweit und liegt mit weitem Abstand vor Nationen wie Deutschland oder den USA. 2020 übertrug sich diese Vormachtstellung auch auf die Exporte. „Die Maschinenausfuhren aus China erreichten 165 Mrd. Euro und damit 15,8 Prozent des Gesamtexportvolumens“, meldete der VDMA. „Das bedeutete einen Wechsel an der Spitze der größten Lieferländer: Deutschland exportierte im selben Jahr Maschinen- und Anlagen im Wert von 162 Mrd. Euro (Anteil: 15,5 Prozent). Im Jahr 2019 betrug der Vorsprung Deutschlands auf China noch 1,4 Prozentpunkte.“
Deutschland hat den Titel des Maschinen-Exportweltmeisters unter erschwerte Bedingungen verloren. Maschinen waren 2020 zwar hinter Autos der deutsche Exportschlager Nummer zwei geblieben. Allerdings verzeichnete das Statistische Bundesamt vorläufigen Zahlen zufolge im Vergleich zu 2019 einen Einbruch um 11,4 Prozent. Damit litt die Branche deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft (minus 9,3 Prozent) unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Ausfuhren. „Die Maschinenexporteure aus Deutschland verzeichneten die höchsten Rückgänge im Vorjahresvergleich seit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009“, teilte der Branchenverband mit.
Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer verzeichneten laut dem VDMA den stärksten Exporteinbruch 2020 im zweiten Quartal (22 Prozent). Das Minus habe sich bis zum Jahresende auf 8,2 Prozent verringert. Im zweiten Quartal setzte demnach jedoch in China bereits die wirtschaftliche Erholung ein. „Gerade die Corona-Pandemie hat Chinas Aufstieg einen kräftigen Schub verliehen, weil das Land sehr früh und nur sehr kurz betroffen war, während der europäische Absatzmarkt durch die Pandemie einen kräftigen Dämpfer erlitt.“ Der Wert der aus Deutschland nach China exportierte Maschinen und Anlagen sank den Angaben zufolge zwar 2020 um 3,6 Prozent auf 18,1 Mrd. Euro. Damit wurde die Volksrepublik aber sogar zur Stütze der Branche. Denn der Warenwert des größten Ausfuhrpartners, der USA, brach um 9,3 Prozent auf 18,2 Mrd. Euro ein.
Da verwundert es nicht, dass Chinas Streben nach wirtschaftlicher Vormachtstellung hierzulande nicht nur auf Skepsis stößt. In einer Umfrage des VDMA und des Schweizer Maschinenbauverbands Swissmem unter 222 Mitgliedsfirmen gaben 36 Prozent an, „Made in China 2025“ habe sich positiv auf das eigene Geschäft ausgewirkt. Denn von den umfangreichen Investitionen der Staatsführung in Forschung und Entwicklung profitieren den Angaben zufolge eben nicht nur chinesische Unternehmen, sondern auch exportorientierte Firmen im Ausland. Das Interesse der Maschinenbauindustrie am Markt China sei ungebrochen, urteilte der Verband. „Wir rechnen auch in der näheren Zukunft mit einem weiteren Ausbau der Aktivitäten der Unternehmen vor Ort. Chinas Hunger nach zuverlässigen, energieeffizienten und stärker vernetzten Maschinen und Anlagen ist groß, und der europäische Maschinenbau hat entsprechende Lösungen im Angebot.“
Allerdings könnten sich die aktuell gut laufenden Geschäfte zum Bumerang entwickeln. Es „sollte nicht vergessen werden, dass China in seinem Streben nach technologischer Autarkie immer stärker Einfluss auf Rahmenbedingungen, technologische Entwicklungen und sogar einzelne Marktsegmente nimmt, die unsere mittelständischen Firmen jetzt und in der Zukunft vor zusätzliche Herausforderungen stellen“, warnte VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann. „Außerdem hat China die Bedeutung der Standardisierung entdeckt und versucht, nicht nur in den internationalen Normungsgremien seinen Einfluss zu erhöhen, sondern setzt zunehmend auf lokale Industriestandards.“
Der Einfluss Chinas ist zunehmend direkt vor Ort in Deutschland spürbar. Investoren aus der Volksrepublik sind seit Jahren bundesweit auf Einkaufstour. Sie übernehmen auch im Maschinenbau Traditionsunternehmen und deren Knowhow und verlegen nicht selten die Produktion ins eigene Land. Chinas Interesse an deutschen Firmen machte sich während der Pandemie besonders bemerkbar. Während die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte 2020 bundesweit um vier Prozent zurückging, steigerten chinesische Geldgeber ihr Engagement um 17 Prozent, wie die Beratungsgesellschaft EY berichtete. Deutschland lag vermutlich auch deshalb beim Maschinenbau mit 99 ausländischen Investitionsprojekten europaweit an der Spitze. China war für die Bundesrepublik der zweitgrößte ausländische Investor. In Europa lag die Volksrepublik in dieser Hinsicht lediglich auf Platz fünf.
China ist in manchen Bereichen aber noch weit von der Weltspitze entfernt. „So kommen in der Volksrepublik im Durchschnitt nur 187 Industrieroboter je 10.000 Beschäftigte zum Einsatz“, berichtete der VDMA. „In den USA sind es 228 Industrieroboter, in Deutschland 346 und die Spitzenreiter Südkorea (868) und Singapur (918) liegen auf diesem Gebiet noch deutlicher vorn.“ Der Verband freute sich angesichts des Nachholbedarfs über gute Exportaussichten. Wer allerdings denkt, dass sich China bei der Automatisierung noch auf lange Zeit hinter der Weltspitze einreihen muss, täuscht sich womöglich. „China bricht historische Rekorde“, berichtete der internationale Robotik-Verband IFR bereits 2017. „China ist der mit Abstand größte Robotermarkt der Welt – das gilt sowohl für das Umsatzvolumen als auch den operativen Bestand.“ Demnach hatte sich die Zahl der Industrieroboter in China von 2015 auf 2016 um 27 Prozent oder 87.000 Geräte erhöht. Im Krisenjahr 2020 ist der Umsatz laut IFR um 19 Prozent gestiegen.
Stellt sich die Frage: Kann Deutschland 2021 den Titel des Maschinenbau-Exportweltmeisters von China zurückerobern? Eine erste Zwischenbilanz zur Wirtschaftsentwicklung fiel grundsätzlich positiv aus. „Die Ausfuhren von Maschinen und Anlagen aus Deutschland haben im zweiten Quartal um 23,5 Prozent zum Vorjahr zugelegt“, berichtete der VDMA Mitte August 2021 unter Berufung auf vorläufige Zahlen des Statistischen Bundesamts. Im ersten Quartal hätten die Ausfuhren lediglich 0,8 Prozent über dem Vorjahr gelegen. Aber: „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maschinenexporte im zweiten Quartal 2020 - dem Höhepunkt der Corona-Pandemie - um 21,5 Prozent zurückgingen. Insofern ist der starke Anstieg im zweiten Quartal des laufenden Jahres auch auf eine niedrigere Vorjahresbasis zurückzuführen. Unterm Strich lagen die Maschinenausfuhren im ersten Halbjahr dieses Jahres 11,2 Prozent über denen des Vorjahres“, teilte der Verband mit. Außerdem leide auch der Maschinenbau unter Engpässen beim Nachschub.