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Ampel-Aus Bundeskanzler Olaf Scholz entlässt Christian Lindner

Olaf Scholz
Olaf Scholz macht Christian Lindner in einem Statement schwere Vorwürfe
© Markus Schreiber / Picture Alliance
Christian Lindner habe zu oft sein Vertrauen gebrochen, sagt Olaf Scholz. Er hat beim Bundespräsidenten um die Entlassung des Finanzministers gebeten – und kündigte die Vertrauensfrage an

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundespräsidenten um die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gebeten. „Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden“, sagte er in einem Pressestatement am Abend im Kanzleramt. Damit ist die Ampel-Regierung am Ende.

Scholz kündigte in seinem Statement an, dass er dem Bundestag am 15. Januar die Vertrauensfrage stellen wolle. Bis Weihnachten plant er, zuletzt blockierte Gesetze in den Bundestag einzubringen – darunter die Asylrechtsreform, Ukraine-Hilfen, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente und die Anpassung des Einkommensteuertarifs an die kalte Progression.

Ihm sei es ein Anliegen, schnell geordnete Verhältnisse in Deutschland zu schaffen – „auch mit Blick auf die Wahlen in Amerika ist es vielleicht dringender denn je“, sagte Scholz. 

Schwere Vorwürfe gegen Lindner

Christian Lindner gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei, so der Kanzler. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. „Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden.“

Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. „Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. „So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich“, sagte der Kanzler.

Etwa eine halbe Stunde nach Scholz trat auch Lindner vor die Presse – und auch er hielt sich mit Vorwürfen nicht zurück. So sagte er über den Kanzler: „Er hat die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost.“ Scholz habe von ihm verlangt, die Schuldenbremse auszusetzen, dem habe er nicht zustimmen können. „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend“ zeige, dass es ihm um einen „kalkulierten Bruch“ der Koalition gegangen sei. Man werde als FDP nun dafür kämpfen, in einer neuen Koalition im kommenden Jahr wieder in Verantwortung zu kommen.

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Bruch der Ampel-Koalition bedauert. Die Koalition habe nicht den besten Ruf gehabt. Man habe sich häufig gestritten. „Dennoch will ich für uns sagen, dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt, geradezu tragisch an einem Tag wie diesem, wo Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen muss“, sagte er vor dem Kanzleramt.

Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. „Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu“, sagte Habeck. Die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen. Es sei nicht nötig gewesen, dass der Abend so ende. Deutschland habe eine Rolle in Europa zu spielen.

Strategien der Wirtschaftspolitik

Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.

Lindner hat schon vor einiger Zeit den „Herbst der Entscheidungen“ für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Spitzenverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.

Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag bereit erklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden. 

Durch das Ampel-Aus wird die Frage des Haushalt nicht leichter – im Gegenteil. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Union von CDU und CSU nun für eine Mehrheit sorgt. Wird kein Haushalt beschlossen, würde ab Januar eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien aber bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen.

nsp / dpa

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