Kommentar Brexit, Bankenfusion und eine Gewitterwolke, die nicht wegzieht

Wie soll es weitergehen? Deutsche Bank und Commerzbank verhandeln derzeit über eine Fusion
Wie soll es weitergehen? Deutsche Bank und Commerzbank verhandeln derzeit über eine Fusion
© Getty Images
Es gibt Probleme, die lassen sich lösen wie etwa der britische EU-Austritt oder der Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank. Horst von Buttlar über ein Problem, das Brexit und Bankenfusion überdauern wird

Was hat der Brexit mit der Deutschen Bank und deren Fusionsgesprächen mit der Commerzbank zu tun? Nun, zum einen rätseln wir seit geraumer Zeit darüber, was genau und warum da eigentlich überhaupt verhandelt wird, weil es gefühlt besser wäre, gar nicht zu verhandeln. Zweitens haben nicht wenige das Gefühl, dass beide Komplexe von Anbeginn ziemlich schlechte Ideen waren. Und drittens: Wenn es konkret wird, schallt ständig ein lautes Nein über den Kontinent, beim „Brexit“ aus dem britischen Unterhaus, bei der Deutschen Commerz aus der Gemeinde der Analysten, Journalisten und Beobachter (es sei denn, man sitzt im Finanzministerium und beobachtet stumm die Geister, die man rief).

Der Zusammenhang zwischen beiden geht aber noch tiefer und ist ernster: Seit rund einem Jahr hängen drei bis vier dunkle Gewitterwolken über der Weltwirtschaft: der Handelsstreit zwischen den USA und China, der Brexit und wachstumsschwache Problemländer à la Italien. Was ist eigentlich das schlimmste Problem?

Wenn Sie diese Frage heute Abend bei einem Dinner oder auf einer Party stellen, wird meist der Handelsstreit („Trump!“) genannt, dieser Tage auch der Brexit. Es ist aber Italien. Denn Handelsstreit und Brexit sind beides lösbare Probleme, es gibt Fahrpläne, Ideen, Auswege, das zeigt sich dieser Tage an den Börsen (die gerade wieder steigen, weil Chinesen und Amerikaner angedeutet haben, bei ihren Handelsgesprächen kurz vor der Ziellinie zu sein). Es kann also ein Durchbruch kommen, ein Knoten platzen, und das Problem wäre aus der Welt oder zumindest kalkulierbar.

Die Italien-Krise bleibt

Das gilt auch für den Brexit. Der britische EU-Austritt ist derzeit zwar die akuteste Bedrohung, die Unlösbarkeit ist allerdings (akustisch untermalt durch das bizarre Nein-Stakkato aus dem Parlament) nur das lauteste Theater. Es gibt eine Handvoll konkrete Auswege. Wir fürchten also einen möglichen Unfall nach dem Unfall, denn auch das Referendum war ein solcher. Italien aber bleibt. Es gibt keine überzeugende Idee, wie das Land aus seiner chronischen Wachstumsschwäche finden kann, zumindest keinen Ideengeber in Italien, der dies auch umsetzen will.

So, fragen Sie sich vielleicht, wie kommt er jetzt zur Deutschen Bank zurück? Vielleicht, weil die Unicredit angeblich diese Woche für die Commerzbank geboten hat? Nein, einen kleinen Bogen müssen Sie mir noch folgen.

Seit einigen Jahren und seit einem halben Jahr konkreter leben die Banken auf die Zinswende hin. Vereinfacht gesagt: Wenn die Zinsen steigen, belebt das ihr Geschäft. Die EZB hat aber angesichts des oben beschriebenen Schlamassels angekündigt, den Zinsball erst mal flach zu halten. Nun sehen wir fast jede Woche schlechte Zahlen, vor allem auch für Deutschland – diese Woche wurde ein weiterer Einbruch, ein „freier Fall“ der Industrieaufträge gemeldet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen in ihrem tristen Nullterrain bleiben, steigt von Woche zu Woche. Der EZB ist das durchaus bewusst, wie ihr Chef Mario Draghi inzwischen bekannt hat.

Schmales Zeitfenster

Während alle Experten also seit Wochen über die industrielle Logik einer Deutschen Commerz rätseln (und der Kern dieser Logik erinnert derzeit an diese Packungsaufschriften: „Kann Spurenelemente von Synergien enthalten“); während wir also logisch analysieren, kann die Folie dieser Fusion eine ganz andere sein: Die Gespräche über eine Deutsche Commerz sind eine prophylaktische Bankenrettung, eine vorweggenommene Notfusion.

Löst sich der Handelsstreit, vielleicht auch der Brexit, belebt sich die Konjunktur wieder und 2019 und 2020 könnten doch besser werden als derzeit prognostiziert. Wenn wir also zwei der drei großen Gewitterwolken beiseite schieben, dann könnten die Zinsen theoretisch doch früher und schneller steigen. Italien aber bliebe. Wir reden über die Jahre 2021ff, erst dann könnte nach jetzigem Stand eine vorsichtige Normalisierung der Geldpolitik beginnen. Gut möglich, dass dieses Zeitfenster und diese Problemlage für die deutschen Banken zu groß ist.

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