CAPITAL: Herr Höhn, Ihr Unternehmen Bergfreunde wurde vom französischen Sportartikelhändler Decathlon gekauft. Da prallen in vielerlei Hinsicht Welten aufeinander – gerade was Größe und Zielgruppen angeht. Wie passt das zusammen?
RONNY HÖHN: Die kurze Antwort ist: hervorragend. Beide Unternehmen haben eine Leidenschaft für Sport und Outdoor, die Geschäftsmodelle ergänzen sich und deshalb passt es wirklich sehr gut.
Und die lange Antwort?
Decathlon erweitert durch die Akquisition sein strategisches Portfolio in puncto digitaler Geschäftsmodelle und dem Premium Outdoorbereich, wo wir Bergfreunde insbesondere in der DACH-Region stark sind. Umgekehrt bekommen wir einen extrem erfahrenen und professionellen Partner, der uns bei unseren Wachstumsplänen unterstützen kann und von dem wir viel lernen können in Sachen Internationalisierung, Skalierung und Nachhaltigkeit.
Bergfreunde spricht anders als Decathlon eher ein gehobenes Käufersegment an. Wie passen die beiden Marken in der Hinsicht zusammen?
Die Marke Bergfreunde wird mit den Onlineshops genauso weitergeführt wie bisher. Der Endkunde merkt wahrscheinlich gar nicht, dass im Hintergrund jetzt Decathlon steht. Mit dem Kerngeschäft von Decathlon, das ja im Sportbereich liegt, werden wir nichts zu tun haben.
Decathlon setzt vor allem auf stationären Handel und eröffnet sogar in Deutschland neue Filialen. Inwiefern sind Sie da als Onlineversand strategisch wichtig, wie Sie eingangs gesagt haben?
Decathlon will mit diesem Investment am Premium-Outdoor-Segment teilhaben. Vor einigen Jahren haben sie bereits den französischen Online-Fahrradspezialisten Alltricks übernommen und verfolgen diesen Weg jetzt mit unserer Akquisition konsequent weiter. Als einer der größten europäischen Händler im Premium-Outdoorbereich, ergänzen wir Decathlons Kerngeschäft mit unserem digitalen Fokus sehr gut.
Wird Bergfreunde mit Decathlon denn auch im stationären Handel präsent?
Da gibt es im Moment keine Pläne, wir sind ein Online Pure Player. Ob wir uns da zukünftig anders aufstellen, muss man sehen.
Bisher haben Sie vor allem die DACH-Region bedient. Decathlon ist in mehr als 70 Ländern vor Ort präsent. Werden Sie sich nun internationaler aufstellen?
Wir sind schon heute in zwölf Ländern aktiv und liefern Ware quer durch Europa. Dort wird unser Fokus grundsätzlich bleiben. Aber wir wollen im europäischen Ausland weiter wachsen und möglicherweise in neuen Fokusmärkten Kunden hinzugewinnen. Es geht also eher darum, unser bestehendes Modell nochmal weiter nach oben zu skalieren.
Welche Märkte haben Sie da im Blick?
Es gibt nicht das eine Land, das auf unserer Liste steht, wo wir expandieren wollen. Natürlich ist zum Beispiel Skandinavien für Outdoor besonders interessant sind, aber auch da müssen wir die Entwicklung beobachten.
Welche strategischen Ziele haben Sie sich für die kommenden Jahre gesetzt?
Im Kern sind unsere Ziele dieselben wie noch vor einem halben Jahr. Wir wollen unsere vielen Stammkunden weiterhin begeistern, mit gutem Service und möglicherweise noch mehr Produkten. Diesen strategischen Ansatz verfolgen wir aber schon seit geraumer Zeit und er ändert sich durch die Akquisition auch nicht.
Werden Sie Teile des Decathlon-Sortiments bei sich übernehmen?
Nein, das ist nicht geplant, auch nicht umgekehrt. Decathlon hat einen viel stärkeren Fokus auf Sport als wir, von daher gibt es nur wenige Überschneidungen.
Hinter Ihnen steht jetzt ein finanzstarkes Unternehmen mit zuletzt 15,4 Mrd. Euro Nettoumsatz. Wie wollen Sie da profitieren?
Wir haben Potenzial und wir glauben daran, dass wir mit dem Partner jetzt in die nächste Wachstumsphase eintreten können.
Wie viel Prozent an Wachstum sollen dazu kommen?
Wir haben Vorstellungen, konkrete Zahlen kommunizieren wir aber nicht nach außen. Wir wachsen immer noch deutlich stärker als der Markt, der dieses Jahr wahrscheinlich in unserem Segment sogar leicht schrumpft. Diese Dynamik wollen wir beibehalten.
Wo kann Decathlon Ihnen konkret helfen, das Wachstum voranzutreiben?
Im Bereich Internationalisierung oder Skalierung können wir sicherlich noch sehr viel lernen. Da werden sich im Laufe der Zeit möglicherweise gemeinsame Initiativen ergeben. Unsere Aufgabe ist es, das Geschäft in diesem Setup so erfolgreich weiterzuführen wie bisher.
Es wird sich also gar nichts für Sie ändern?
Nein, wir sind eine eigenständige Beteiligung, die abseits des Kerngeschäfts von Decathlon geführt wird. Unsere Stärke liegt in der Eigenständigkeit und wir arbeiten auf einer Vertrauensbasis. Ich habe keine Zweifel daran, dass das funktionieren wird.
Seit 2013 haben Sie mit Bergfreunde zum US-Outdoorhändler Backcountry gehört, eine sehr erfolgreiche Zeit für Ihr Unternehmen. Was ist der Grund für die Trennung?
Die ganze Gruppe ist seit 2015 im Eigentum von TSG Consumer Partners, einer Private-Equity-Gesellschaft. Der Verkauf war von Shareholderseite getrieben und wir haben uns zusammen nach einer Exitoption umgeschaut.
Eins der Kernthemen von Bergfreunde war immer Nachhaltigkeit. Werden Sie da jetzt Abstriche machen müssen?
Im Gegenteil, viele wissen nicht, dass Decathlon in dem Bereich sehr fortschrittlich ist. Die hatten schon Science Based Targets (Anm. d. Red.: Initiative, die Ziele des Pariser Klimaabkommens unterstützt), als wir nicht einmal wussten, was das ist. Weil sie Eigenmarken haben, können sie viel mehr Einfluss auf die Lieferkette nehmen als wir Händler, die die Produkte von einem Lieferanten beziehen. Auch beim Thema Produktrecycling ist Decathlon gut aufgestellt. Beim Schwerpunkt Nachhaltigkeit können wir uns hervorragend ergänzen, auch wenn man es auf den ersten Blick so nicht sieht.
Gibt es Investitionszusagen von Decathlon an Ihr Unternehmen?
Konkrete Zahlen werde ich hier nicht nennen, aber natürlich braucht es gewisse Dinge, um unser Geschäftsmodell nach vorne zu treiben. Da gibt es Unterstützung von Decathlon, auch in Form von Investitionen.
Wie viel hat sich Decathlon denn Bergfreunde schon kosten lassen?
Dazu äußern wir uns nicht.
Und wie lange bleiben Sie und Ihr Co-Geschäftsführer noch im Amt?
Ich bin nach wie vor motiviert und heiß. Wir schließen ein schönes Kapitel mit Backcountry, ohne die wir nicht so weit gekommen wären, und jetzt öffnen wir das nächste. Das ist spannend, da habe ich Bock drauf und insofern freue ich mich auf die nächste Phase. Dasselbe gilt übrigens für meinen Geschäftsführer-Kollegen Matthias Gebhard und das ganze Team. Im Zuge der Akquisition gibt es keine Personalveränderungen.
Anmerkung: Der Vollzug des Kaufs wurde am 2. Januar 2024 finalisiert, der Kaufvertrag wurde bereits Ende November 2023 unterzeichnet. Nun erfolgten auch alle behördlichen Genehmigungen und die Erfüllung anderer üblicher Vollzugsbedingungen. Die Bergfreunde GmbH ist damit hundertprozentige Tochtergesellschaft der Decathlon S.E.