Besser könnte der Treffpunkt für ein Gespräch über Luxus kaum gewählt sein: in Schillers Gartenhaus in Jena, das zur nahe gelegenen Universität gehört. Der berühmte Dichter und Denker erwarb das Haus Ende des 18. Jahrhunderts als Sommerresidenz für seine Familie. Im hinteren Teil des Gartens ließ er ein kleines Türmchen errichten, in das gerade mal ein Schreibtisch und ein Stuhl passten. Den Ausblick und die Ruhe kann man hier ganz allein genießen – was für ein Luxus.
Capital: Herr Wiesing, angesichts von Krisen, Krieg und Klimawandel werden oft Vernunft und Verzicht verlangt – in den Medien, in der Politik, von vielen Aktivisten. Sie beschäftigen sich intensiv mit Luxus – ist Luxus heute nicht verpönt?
LAMBERT WIESING: Nein, es kommt allerdings darauf an, was wir unter Luxus verstehen.
Die Klimaschützer, die Privatjets und Edelboutiquen mit Farbe besprühen, haben also bloß das Konzept nicht verstanden?
Es ist wichtig, Luxus nicht mit Komfort, Prestige oder Protz gleichzusetzen. Das geschieht im Alltag sehr oft. Doch Luxus entsteht, wenn ein Zweck mit übertriebenem Aufwand verwirklicht wird. Luxuserfahrungen entstehen, wenn Menschen mit Besitz erleben, Subjekte zu sein, die zur üblichen Angemessenheitsvorstellung eine Position beziehen können. Dabei kann es durchaus um ein hehres Ziel gehen, wie möglichst wenig Kohlendioxid auszustoßen. Die prominente Vorreiterin der Klimaschutzbewegung, Greta Thunberg, hat dafür ein bemerkenswertes Exempel statuiert: Um 2019 ohne CO₂-Emissionen zum UNO-Klimagipfel nach New York zu kommen, ist sie mit einem der elitärsten Segelclubs auf einer technisch perfektionierten Carbonjacht gereist, die von einem der weltbesten Segler gesteuert wurde. Die Hinfahrt hat gut zwei Wochen gedauert. Das ist für mich ein Musterbeispiel dafür, wie jemand einen absurden Aufwand betreibt, um ein Ziel zu erreichen.