„Deutsche Bank zahlt mehr als eine Milliarde Boni“, titelte die FAZ vor Kurzem. Darüber durfte sich dann die SPD aufregen, daraufhin musste John Cryan sich verteidigen und schließlich sah sich der Handelsblatt-Ableger Orange genötigt, zu erklären, warum die Deutsche Bank „dicke Boni zahlen muss“.
Grund der Aufregung: Die Deutsche Bank zahlt diese dicken Boni, während sie massive Verluste einfährt.
Grund meiner Aufregung: Offensichtlich hat in dieser Diskussion immer noch niemand verstanden, wo das eigentliche Problem liegt.
Der Genuss des falschen Denkens
Die öffentliche Empörung, die ausnahmslos immer aufkommt, wenn irgendein Unternehmen hohe Boni zahlt, ist nämlich vor allem moralisch begründet. Umso mehr wenn die Organisation ein negatives Gesamtergebnis vorzuweisen hat. Man empört sich also genüsslich, schimpft am Stammtisch, lamentiert die verfahrene Situation mit den Nachbarn und schreibt entrüstete Leserbriefe. Diese moralische Begründung verschafft ein wohliges Gemeinschaftsgefühl, denn schließlich sind Sie doch auch entsetzt, oder? Sie löst aber nicht das Problem.
Dieses Problem liegt nämlich nicht in der Höhe der Boni, sondern im Gehalts- und Bonussystem an sich. Sie dürfen also gerne in der öffentlichen Empörung schwelgen, so viel Sie möchten. Aber lassen Sie uns dann trotzdem nochmal über das wirkliche Problem sprechen: Das gängige Bonussystem, das sich auch die Deutsche Bank zu eigen macht, unterliegt zwei grundlegenden Denkfehlern.
- „Leistung ist individuell“
Nichts anderes sagt eine Bonuszahlung letztlich aus: Ein einzelner Manager, eine einzelne Führungskraft hat ihren Job gut gemacht und eine Leistung erbracht, die honoriert werden muss. Aber Leistung ist nun mal nicht individuell. Die Leistung einer komplexen Wertschöpfungsorganisation ist emergent und entsteht stets im Zusammenwirken vieler Personen. Deshalb kann und darf in meinen Augen auch das Messen und Belohnen von Leistung nicht individuell erfolgen. - „Boni machen die Leistung besser“
Was auch sonst? Schließlich motivieren in Aussicht gestellte Bonuszahlungen doch ungemein und spornen zu Höchstleistungen an! Nun, jein. Boni motivieren Mitarbeiter durchaus – aber eben dazu, Wege zu finden, damit sie ihren Bonus bekommen. Selbst wenn das auf Kosten der Gesetzestreue, des Unternehmensgewinns oder der Ethik geht. Dahinter steckt kein böser Wille, sondern eine zutiefst menschliche Reaktion: Wenn wir in ein System hineingedrängt werden, versuchen wir, es uns zunutze zu machen. Das beginnt schon im Kleinen: Als Sie vor einigen Jahren vom System verpflichtet wurden, beim Arzt eine Praxisgebühr von 10 Euro zu bezahlen – nun ja, es würde mich nicht wundern, wenn viele von Ihnen im bezahlten Quartal dann nicht lange gefackelt haben, vielleicht einmal mehr zum Arzt zu gehen, wenn es irgendwo ziepte.
Menschen nutzen die Systeme, in denen sie sich bewegen. Und das ist moralisch kein bisschen verwerflich.
Dummheit an vorderster Front
Was heißt das in der Folge also für die Deutsche Bank & Co., die eisern an ihrem Bonussystem festhalten? Ganz einfach: Die Deutsche Bank belohnt weder die fähigsten, noch die innovativsten oder die leistungsstärksten Mitarbeiter, sondern lediglich die pfiffigsten und abgebrühtesten.
Unter diesen pfiffigen Managern können durchaus auch großartige Banker sein, das schließe ich gar nicht aus. Aber das Bonussystem gewährleistet das eben nicht. Es besteht nicht einmal eine Korrelation zwischen „Mensch, der Boni erhält“ und „guter Banker“, geschweige denn eine Kausalität, die ein Bonussystem begründen könnte.
Wenn John Cryan also mit Boni argumentiert und sie rechtfertigt, finde ich das aus Personalsicht schlicht dumm. Denn er schart nicht unbedingt die besten Banker um sich, nur weil sein Unternehmen beeindruckende Boni zahlt. Vielmehr stellt er damit sicher, dass er ein schädliches Gehaltssystem aufrechterhält und so seine eigene Bank korrumpiert.
Lassen Sie diesen Mist!
An Herrn Cryan und alle Bonuszahler kann ich daher nur zum wiederholten Male appellieren: Bitte lassen Sie diesen Quatsch! Boni sind ungemein schädlich.
Bei dieser Meinung bleibe ich übrigens, auch wenn die „Süddeutsche Zeitung“ und viele weitere Medien und Manager argumentieren: „Ohne die Aussicht auf die Bonus-Karotte macht man in diesen Kreisen keinen Finger krumm.“ Denn wenn diese Aussage stimmt, dann ist es jetzt erst recht an der Zeit, die Banken auf intelligentere, moderne Füße zu hieven und sie ins 21. Jahrhundert zu holen. Das wird bei manchen Managern den Effekt haben, dass sie ins Nachbarhaus wechseln, und das ist schmerzhaft. Aber gleichzeitig ziehen Institute ohne Boni andere Leute an, die obendrein vielleicht noch die besseren Banker sind.
Und weil ich weiß, dass kein Manager dieser Welt von schönen Worten und Vollmers Weisheiten leben kann, möchte ich noch einmal ganz klar sagen: Die schlichte Verdiensthöhe ist mir schnuppe, es geht mir gar nicht darum, dass die Manager unterm Strich weniger verdienen sollen. Aber lassen wir doch bitte den alten Bonuskrampf und die ewige Diskussion darum herum weg.
So, damit wäre dann auch mal wieder alles gesagt zu einem steinalten Thema, das sich doch immer wieder zum empörenden Dauerbrenner aufschwingt. Zu dem von unzähligen Kollegen eigentlich schon alles geschrieben und das eigentlich schon hinlänglich wissenschaftlich erforscht ist. Das man aber offensichtlich gerne weiterhin ignorieren möchte.