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Gewerkschaft Wie Christiane Benner es als erste Frau an die Spitze des „Männerladens“ IG Metall schaffte

Christiane Benner spricht in ein Mikrofon
Christiane Benner ist die erste Frau an der Spitze der IG Metall
© picture alliance/dpa/Fotoagentur-Stuttgart | Andreas Rosar
Christiane Benner wird die erste Frau an der Spitze der mächtigsten deutschen Gewerkschaft sein. Ihr Weg dorthin begann schon als junge Frau – doch auf dem Weg musste sie einige dicke Bretter bohren

Lange gab es Diskussionen um die Nachfolge an der Spitze der IG Metall. Doch jetzt steht fest: Künftig wird Christiane Benner als erste Frau die größte deutsche Einzelgewerkschaft führen. Auf Vorschlag des bisherigen Amtsinhabers Jörg Hofmann bestimmte der Vorstand die langjährige zweite Vorsitzende am Dienstag offiziell als seine Nachfolgerin. Ende Oktober soll Benner beim Gewerkschaftstag gewählt werden.

Die 55 Jahre alte Diplom-Soziologin aus Aachen wird dann weit mehr Einfluss haben als an der Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) – dorthin wollten sie viele noch im vergangenen Jahr „wegloben“. Als IG-Metall-Chef hat Hofmann das Vorschlagsrecht für den DGB-Vorsitz und wollte Benner empfehlen. Diese ließ jedoch der Chemiegewerkschafterin Yasmin Fahimi den Vortritt für den DGB-Chefsessel und blieb selbst zunächst zweite Vorsitzende der IG-Metall. Eigentlich ist es üblich, dass die Person im Vize-Amt den scheidenden Chef beerbt – Hofmann wird nach acht Jahren im Amt aus Altersgründen nicht mehr antreten. Doch Benner musste um diesen Nachfolgeanspruch kämpfen.

Benner fehlt Erfahrung in großen Tarifrunden

Seit 2011 ist die verheiratete Benner geschäftsführendes Mitglied des Vorstands der IG Metall und seit 2015 zweite Vorsitzende. Trotzdem schlug ihr aus der Organisation immer wieder Misstrauen entgegen, vor allem aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung mit dem harten Tarifgeschäft. Zwar hat sie kleinere Verträge selbst verhandelt und in Niedersachsen auch komplexe Vereinbarungen umgesetzt. Die Erfahrung als Verhandlungsführerin in einer großen Metall- und Elektrorunde für rund vier Millionen Beschäftigte fehlt aber in ihrer Vita.

Deshalb sollte ihr ein Tarifexperte zur Seite gestellt werden, der Leiter des Bezirks Baden-Württemberg Roman Zitzelsberger. Er galt jahrelang als gesetzt für einen Topjob in der IG Metall und brachte schon Erfahrung im Tarifgeschäft mit. Vergangenen November handelte er den Pilotabschluss für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie aus. Um einen Machtkampf zu vermeiden, strebte Hofmann eine Doppelspitze mit Zitzelsberger und Benner an, konnte im Vorstand der IG Metall aber keine Mehrheit dafür gewinnen. Schließlich hätte es im „Männerladen“ IG Metall ausgerechnet dann eine Doppelspitze gegeben, wenn es erstmals eine Frau auf den Chefsessel hätte schaffen können.

Eine außerdem von Hofmann angeschobene Satzungsänderung hätte die Unterschiede zwischen erstem und zweiten Vorsitz weitgehend aufgehoben. Unter den 36 Mitgliedern fand sich aber keine Mehrheit, um die bislang vor allem im Alltag spürbaren Unterschiede zwischen den beiden Vorsitzenden abzuschaffen. Benner hatte damit erneut einen Versuch überstanden, ihre Kompetenzen einzuschränken. Der geschlagene Zitzelsberger hatte schnell klargemacht, dass er nicht in eine Kampfabstimmung gegen sie gehen wollte. Im April zog er aus gesundheitlichen Gründen für den Vorstand ganz zurück und will nun Bezirksleiter in Stuttgart bleiben.

Benner will sich vor allem um Frauen und Betriebsräte kümmern

Damit machte er den Weg für Benner frei. Sie wird damit Chefin der 2,1 Millionen Mitglieder starken Gewerkschaft, zu der die zentralen deutschen Industriebranchen Auto, Maschinenbau und Stahl gehören. Sie sitzt in den Aufsichtsräten von BMW und Continental, wird sich in der Politik aber erst das Gewicht ihres Vorgängers erarbeiten müssen. In der „Süddeutschen Zeitung“ kündigte sie bereits an, der Ampel „auf die Füße treten“ zu wollen und warb für einen höheren Spitzensteuersatz und die Vermögenssteuer.

Benner ist SPD-Mitglied und war schon als 18-Jährige im Betriebsrat aktiv. Nach dem Abitur im südhessischen Bensheim begann sie eine Ausbildung beim Darmstädter Maschinenbauer Carl Schenck AG. Weil sie das Bewertungssystem für die Azubis als ungerecht empfand, ging sie in den Betriebsrat und wurde schnell zur Jugend- und Azubi-Vertreterin – eine Laufbahn als Gewerkschafterin stand ihr offen. Diese schlug sie aber erst nach einem abgeschlossenen Soziologie-Studium in Marburg, Frankfurt und den USA ein.

Bei der IG Metall verantwortete Benner bisher die Bereiche Mitbestimmung, Zielgruppenarbeit und Gleichstellung und kümmerte sich darum, mehr Angestellte und Studierende als Mitglieder anzuwerben. Dazu zählten zum Beispiel IT-Spezialisten und Ingenieure, die allesamt weit vom klassischen Metall-Facharbeiter entfernt sind, der die Gewerkschaft immer noch dominiert. In der Arbeitsteilung mit Hofmann war Benner somit stets für dicke Bretter zuständig, die zunächst wenig Ruhm versprachen. Im Rückblick erscheinen sie aber umso zukunftsgewandter.

Benner denkt schon seit Jahren über Künstliche Intelligenz und ihre Folgen für die Arbeitswelt nach und setzt sich stark für die Belange von Frauen ein. „Es geht immer um die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“, sagt die künftige Chefin. Sie ist eine entschiedene Verfechterin der Quote und will strukturelle Nachteile abbauen. Eins ihrer Anliegen ist dabei, Frauen nach der Elternzeit wieder auf die Karriereleiter zurück zu helfen. Außerdem will sie die Arbeit der Betriebsräte stärker in den Fokus nehmen, die eigentliche Machtbasis der Gewerkschaft. 

Weitere Diskussionen, die Benner in den kommenden Monaten und Jahren erwarten, drehen sich um die Transformation zu einer klimafreundlichen Industrie und um die Vier-Tage-Woche. Hier hatte die IG Metall im April einen Vorstoß für die Stahlbranche gemacht, die Vier-Tage-Woche in der kommenden Tarifrunde bei vollem Lohnausgleich zu fordern.

mit dpa

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