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Reichen-Studie „Ja, es gibt eine Millionärspersönlichkeit“

Zuschauer an Bord einer Yacht beim Formel-1-Rennen in Monaco
Zuschauer an Bord einer Yacht beim Formel-1-Rennen in Monaco
© IMAGO / Peter Seyfferth
Dass einige Menschen besonders reich sind, liegt auch an ihrer Persönlichkeit, besagt eine Studie. Welche Charakterzüge den Unterschied machen, erklären die Forscher im Interview

Verfügen reiche Menschen über eine besondere Persönlichkeit? Und wenn ja: Was macht sie aus? Die Charakterzüge deutscher Millionärinnen und Millionäre hat erstmals eine wissenschaftliche Studie untersucht. 1125 Hochvermögende wurden dafür befragt. Erschienen ist die Arbeit im Journal „Humanities and Social Sciences Communications“.

Ein zentrales Ergebnis: Besonders Self-Made-Millionäre unterscheiden sich stark von der Allgemeinbevölkerung, sagen Psychologe Mitja Back von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Ökonom Johannes König vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die Autoren der Studie sind. Was sie sonst noch über Deutschlands Geldadel herausbekommen haben, berichten sie im Interview.

Capital: Herr Back und Herr König, wie ticken Deutschlands Millionärinnen und Millionäre?

JOHANNES KÖNIG: Millionäre sind im Schnitt deutlich offener für neue Erfahrungen, sie sind gewissenhafter, extrovertierter und, was besonders hervorsticht, sie sind deutlich risikotoleranter als die allgemeine Bevölkerung. Außerdem sind sie weniger neurotizistisch, das heißt, sie machen sich weniger alltägliche Sorgen.

MITJA BACK: Bei der Eigenschaft „Verträglichkeit“ zeigen sie fast keine Unterschiede zum Rest der Bevölkerung. In der Forschung gibt es eine Tradition, die besagt, dass Reiche egozentrischer und weniger sozial eingestellt sind. Das konnten wir so nicht feststellen.

Es gibt also tatsächlich so etwas wie eine „Millionärspersönlichkeit“?

BACK: Ja. Wir haben dazu die Big Five gemessen, also die fünf Merkmale, nach denen sich die Persönlichkeit jedes Menschen in unterschiedlicher Ausprägung einordnen lässt. Das Persönlichkeitsprofil von Millionärinnen und Millionären zeigt ganz klar, dass sie sich im Vergleich zu anderen mehr trauen, weniger durch Stress aus der Bahn geworfen werden und in stressigen Situationen ruhiger bleiben. Sie interessieren sich auch mehr für unterschiedliche Dinge und sind ein Stück weit selbstorganisierter.

KÖNIG: Viele der 1125 Hochvermögenden, die wir befragt haben, sind selbstständig oder unternehmerisch tätig beziehungsweise waren es. Daran erkennt man, welche Anforderungen es an die Persönlichkeit braucht, um auf diesem Pfad Erfolg zu haben. Ohne emotionale Stabilität geht das nicht, man muss Risiko eingehen können und gewissenhaft arbeiten. Man muss jeden Tag wieder ran an die Sache. Wer nicht mit Menschen interagieren kann, wird sich als Selbstständige oder Selbstständiger schwertun.

Welche Rolle spielt die Persönlichkeit für das spätere Vermögen?

KÖNIG: Die Persönlichkeit kann ein positiver, zuträglicher Faktor beim Vermögenserwerb sein. Sie hilft dabei, schwierige Entscheidungen zu treffen oder sich Dinge zu trauen, die notwendig sind, um ein Vermögen aufzubauen. Natürlich gehören noch weitere Faktoren dazu. Generell ließ sich beobachten, dass die Höhe des Vermögens mit der Ausprägung der Millionärspersönlichkeit zusammenhängt. Je ausgeprägter das Profil, desto reicher sind Millionärinnen und Millionäre. Wer viel wagt, gewinnt in der Regel viel.

BACK: Persönlichkeit scheint tatsächlich einen Beitrag zur Vermögensbildung zu leisten. Millionäre unterscheiden sich darin zum einen von der Allgemeinbevölkerung, zum anderen aber auch innerhalb ihrer eigenen Population. Die Millionärspersönlichkeit ist bei Self-Made-Millionärinnen und -millionären besonders ausgeprägt. Wer durch Erbe reich geworden ist, bei dem ist sie im Schnitt schwächer. Und diejenigen Self-Mades, die am risikobereitesten sind, haben das meiste Geld.

In Bewerbungsgesprächen würden sich die meisten von uns als stressresistent und mutig beschreiben. Was gibt denn nun wirklich den Ausschlag dafür, dass jemand Millionärin wird oder Durchschnittsverdiener bleibt?

BACK: Das hängt am Ausmaß von Risiko und Stress. Natürlich können wir alle in bestimmten Situationen mit Stress umgehen und auch mit einem gewissen Risiko. Aber um wirklich durch eigenes Tun reich zu werden, muss man durch Situationen gehen, die deutlich stressiger und risikoreicher sind. Viele Menschen schrecken vor solchen Situationen zurück. Es gibt aber durchaus auch in der Allgemeinbevölkerung Personen, die dem Millionärsprofil ähneln. Und zum Teil sind das Menschen, die sich einen gewissen Wohlstand selbst erarbeitet haben.

Kann man sich die Millionärspersönlichkeit antrainieren?

BACK: Das hätten manche gerne und wird oft auch so verkauft. Aber man kann Persönlichkeit nicht beim Wochenendseminar trainieren. Persönlichkeit ist unsere Art und Weise, mit der komplexen Welt umzugehen. Wir haben sie uns unser ganzes Leben aufgebaut und ererbt. Das kann man nicht einfach mal so ändern. Das heißt nicht, dass es keine Persönlichkeitsveränderungen gibt. Die gibt es bis ins hohe Alter, aber eher in Nuancen. Aus einer sehr risikoaversiven Person kann man keine sehr risikofreudige machen. Insofern kann ich nicht raten, sich die Millionärspersönlichkeit anzueignen, um, schwupps, reich zu werden. Das wird nicht funktionieren. 

Millionäre sprechen doch eigentlich nicht gerne über Geld. Wie haben Sie sie zum Reden bekommen?

KÖNIG: Das war in der Tat schwierig. Es gab in Deutschland bis 2019 keinen überzeugenden und repräsentativen Befragungsdatensatz, der Aufschluss über das obere Ende des Vermögens gegeben hat. Wir vom sozioökonomischen Panel SOEP haben deshalb Unternehmensregisterdaten herangezogen und daraus Leute ausgesucht, die in Deutschland leben und hier sowie im Ausland nennenswertes Vermögen haben. Aus dieser Kartei wurde dann eine Zufallsstichprobe gezogen. Ein von uns beauftragtes Unternehmen hat die Personen dann sowohl zu Hause als auch im Betrieb für ein Interview angefragt. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hat es sehr viele Anläufe gebraucht, bis das geklappt hat. Es war wirklich ein großer Aufwand, denn diese Leute sind verhaltener und haben auch einfach oft nicht so viel Zeit.

Als es dann geklappt hat – was haben sie erzählt?

KÖNIG: Was mir das Interviewteam immer wieder rückgemeldet hat, war der häufig fehlende Überblick über die Vermögenswerte. Zum Teil ist es für sehr reiche Personen schwierig, überhaupt zu rekapitulieren und herauszusuchen, was sie alles besitzen. Dann schreitet zum Teil der Lebenspartner ein bei der Befragung und sagt: „Vergiss das Ferienhaus nicht, das gibt es auch noch“. Das mag komisch klingen, aber gerade deshalb ist die Untersuchung so spannend. Normalerweise hat man keinen Einblick in diese Population. Wir verstehen sie noch nicht sehr gut, aber durch die Untersuchung jetzt ein bisschen besser. Manche wollten aber partout nicht in der Befragung auftauchen.

Haben sie gesagt, warum?

KÖNIG: Ein Problem sind sicherlich die öffentlichen Diskussionen über Umverteilung, aber auch emotional geführte Neiddebatten. ,Ist das gerecht, dass der oder die so viel hat?’ Das ist eine wichtige Diskussion, die wir gesellschaftlich führen müssen. Ich habe aber auch Verständnis für die Hochvermögenden, die nicht so viel preisgeben möchte, denn sie kommen dann unter die gesellschaftliche Lupe.

Wie beeinflussen Millionärspersönlichkeiten die Gesellschaft?

KÖNIG: Sie haben Einfluss auf die Arbeitswelt und prägen damit das Leben der meisten Menschen. Natürlich gibt es auch politische Einflussnahme über Stiftungen, Thinktanks oder Lobbying. Gerade da spielt die Persönlichkeit eine große Rolle für die Überzeugungen und politischen Haltungen, die sie dann über diese Organe äußern. Besonders deutlich wird das im US-amerikanischen Wahlkampf. Man denke an die Koch-Brüder. Das sind Unternehmer, die immer viel Geld für die Republikaner gespendet haben. Bei den Demokraten ist es unter anderem New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg. Da finden gesellschaftliche Verschiebungen statt. Und die können wir besser verstehen, wenn wir wissen, wie Millionärinnen und Millionäre denken.

BACK: Natürlich zeigen sich auch dabei noch einmal Unterschiede zwischen den Millionärstypen. Es gibt diejenigen, die nur qua ihres Geldes Einfluss nehmen oder aber zusätzlich durch ihre Persönlichkeit. Self-Made-Millionär und Tesla-Gründer Elon Musk ist dafür ein Beispiel. Es geht uns aber nicht darum, das normativ als gut oder schlecht zu bewerten.

Trotzdem machen einige Millionärinnen und Millionäre ja dadurch Schlagzeilen, dass sie ihr Vermögen in Steuerparadiesen parken und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen. Liegt das auch an ihrer Persönlichkeit?

BACK: In der Tat gibt es ältere Forschungsergebnisse, die besagen, dass reiche Personen nur an sich denken und nicht an die Gemeinschaft, und deswegen beispielsweise weniger Steuern zu zahlen. Wenn man das zurückführen würde auf die Persönlichkeit, dann spräche das für einen starken Unterschied in der Verträglichkeit. Den konnten wir im Vergleich zur Normalbevölkerung aber nicht feststellen.

KÖNIG: Als Ökonom kann ich sagen: Die Entscheidung, wie man besteuert, ist eine politische Entscheidung. Natürlich spielt dabei auch die politische Einflussnahme eine Rolle.

Gibt es einen relevanten Unterschied zwischen schwerreichen Frauen und Männern?

KÖNIG: Hochvermögende sind meist älter, vorwiegend männlich und kommen aus Westdeutschland. Aber selbst wenn man diese Unterschiede berücksichtigt, was wir gemacht haben, bleiben die Ergebnisse zur Millionärspersönlichkeit bestehen. Sie gelten für Frauen und Männer gleichermaßen.

BACK: Wie immer beim Thema Geschlecht sind die Unterschiede innerhalb der Geschlechter deutlich größer als zwischen den Geschlechtern.

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