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Interview Warum der Paketversand zu billig ist

Hermes-CEO Hanjo Schneider
Hermes-CEO Hanjo Schneider
© IMAGO / Wolf P. Prange
Hermes-Chef Hanjo Schneider über zu niedrige Preise für Pakete, den unfairen Wettbewerb mit der Post und Drohnen als Marketinggag

Hanjo Schneider ist seit zwölf Jahren Vorstandschef des Logistikdienstleisters Hermes Europe, einer Tochter der Otto Group. Hermes liefert heute 70 Prozent ihrer Warentransporte im Auftrag von Handelsfirmen aus. Täglich sind es zwischen einer und 1,5 Millionen Sendungen

Capital: Weihnachtszeit, Päckchenzeit. Millionen Päckchen landen jetzt täglich bei den Leuten. Die Hermes-Fahrer sind ziemlich gestresste Weihnachtsmänner. Bezahlen Sie die eigentlich inzwischen anständig?

Hanjo Schneider: Bereits 2012 haben wir eine Lohnuntergrenze von 7,50 Euro eingeführt. Ab Januar bekommen alle Zusteller, die für mit Hermes kooperierende Unternehmen tätig sind, 8,50 Euro. Wir befürworten den gesetzlichen Mindestlohn und haben bereits vor drei Jahren ein Zertifizierungssystem bei unseren Subunternehmen etabliert. Überprüft wird so, dass bestehende Gesetze und Arbeitsstandards eingehalten werden, zum Beispiel Lenkruhezeiten. Das Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen hat eben diese vor kurzem landesweit überprüft und nur bei uns keine Beanstandungen gefunden.

Was verdienen die denn bisher?

Heute zwischen 7,50 bis 11 Euro – je nachdem, wo die Paketausträger arbeiten. In Mecklenburg-Vorpommern zahlen viele Betriebe den unteren Wert, in München kriegen sie dagegen kaum noch jemanden für 11 Euro. Dabei ist die Paketzustellung für viele ein Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt.

Werden Päckchen wegen des Mindestlohns teurer?

Ja, wir werden die Preise für geschäftliche Auftraggeber 2015 um 3,9 Prozent anheben. Das liegt aber nicht allein am Mindestlohn. Vielmehr ist die Dienstleistung Paketversand schlichtweg viel zu billig. Und viele Kunden haben sich an Billigpreise und Gratisversand gewöhnt, so dass die Zahlungsbereitschaft auch für erstklassige Services extrem gelitten hat. Ein Beispiel: Dass ein Ticket für die Parkgarage in Hamburg 4 Euro die Stunde kostet, akzeptieren alle. Aber dass ein Paket mit Versicherung und Unterschrift für 3,80 Euro von Flensburg nach Garmisch ausgeliefert wird, erscheint vielen als hochpreisig. Da stimmen doch die Relationen nicht mehr! Wir müssen für unsere Arbeit definitiv mehr Geld bekommen.

Was verdienen Sie an einem Päckchen?

Die Margen sind absolut minimal. Investitionen in moderne Umschlagbasen und Fuhrparks sind so kaum zu stemmen. Wachsen müssen wir aber trotzdem, denn über die Menge lassen sich wenigstens Skalenerträge erzielen. Das ist aber bereits mittelfristig eine unhaltbare Situation. Paketzustellung ist doch keine Benefizveranstaltung!

Wie wollen Sie denn höhere Preise durchsetzen?

Indem wir den Kunden den Wert unserer Arbeit konsequent vor Augen führen und erklären. Mich stört auch die immer wieder feststellbare Doppelmoral. Fast alle regen sich über die Existenz von Niedriglohnbereichen - und da gehört die Paketzustellung zu - auf. Aber wenn wir den Paketpreis mal um 10 Cent anheben, um höhere Kosten abdecken zu können, stellen wir gleich signifikante Abwanderungen zu billigeren Anbietern fest. Das ist ein Stück weit schizophren.

Zieht die Konkurrenz mit?

Der Leidensdruck in der Branche ist groß. Wir werden den ersten Schritt machen und hoffen, dass die Wettbewerber folgen.

Was wäre denn ein fairer Preis für ein Päckchen?

Im Schnitt 50 Cent pro Päckchen mehr. Damit ließen sich bessere Löhne in der Zustellung zahlen und akzeptable Renditen erwirtschaften.

Der Versand-Wahnsinn verstopft in vielen Städten die Straßen und nervt zunehmend.

In den Innenstädten fangen wir an, mit Boten-Fahrrädern zuzustellen. Wünschenswert sind auch die Freigabe von Busspuren für elektrisch angetriebene Zustellfahrzeuge und Extra-Haltezonen, so dass die Transporter nicht immer bußgeldpflichtig in zweiter Reihe stehen. Eine wesentliche Ursache für den verstärkten Lieferverkehr in den Städten sind aber der boomende E-Commerce und das veränderte Einkaufsverhalten der Menschen. Die Paketdienste fahren ja nicht aus Selbstzweck in die Innenstädte, sondern im Auftrag.

Hermes unterhält ein automatisches Retourenlager
Hermes unterhält ein automatisches Retourenlager
© Hermes

Sie wollen die Retourenflut eindämmen?

Hohe Retourquoten sind eine Herausforderung für Handel und Logistik. Kostenpflichtige Rücksendungen ab einer bestimmten Sendungszahl würden das Aufkommen sicherlich reduzieren. Aber ich weiß, dass ich mir mit dieser Forderung keine Freunde mache.

Die ersten Logistiker versprechen bereits die Zustellung innerhalb eines Tages.

Wichtiger als pure Geschwindigkeit ist für die meisten Kunden Präzision. Das bedeutet, ich bestimme als Regisseur wann und wo mir das Paket zugestellt wird. Lediglich 1,6 Prozent aller Endverbraucher wünschen sich Zustellung am selben Tag. „Same-Day-Delivery“ wird eine Nische bleiben.

In England baut Amazon gerade ein eigenes Zustellsystem auf, nachdem sich die Royal Mail geweigert hat, Amazon bestimmte Mengen zu einem bestimmten Preis abzunehmen. Könnte Amazon in Deutschland auf die gleiche Idee kommen? Und müssten Sie dann einpacken?

Eine solche Entwicklung zeichnet sich für Deutschland derzeit nicht ab. Amazon ist für uns ein guter Kunde. Aber wir sind nicht von einem Händler abhängig - in keinem Land.

Ihr ärgster Konkurrent ist die Post. Auf die Tochter DHL sind Sie nicht gut zu sprechen.

Das ist so nicht ganz richtig. Mich ärgert einfach, dass wir hierzulande keinen fairen Wettbewerb haben. 90 Prozent aller privaten Sendungen wiegen weniger als 10 Kilo. Die Post zahlt für Privatpakete bis 10 Kilo allerdings keine Mehrwertsteuer, wir dagegen 19 Prozent. Und das, obwohl wir den gleichen Service bieten und jede Hallig oder Alm beliefern. Das Argument mit dem Universaldienst zieht also schon lange nicht mehr. Das bestätigt auch die Monopolkommission. Schlimmer noch ist aber, dass die Post mit ihren Monopolgewinnen im Briefmarkt die Paketzustellung quersubventioniert. Ich verstehe nicht, warum niemand erkennen will, dass die Liberalisierung des deutschen Postmarkts komplett gescheitert ist. Wenn derart inkonsequent auch im Bereich der Telekommunikation gearbeitet worden wäre, würden wir heute noch an der Wählscheibe drehen.

Die Post experimentiert derzeit mit einer Drohne, die bringt Medikamente vom Festland auf die Insel Juist. Glauben Sie an die Zustellung via Drohne?

Täglich werden in Deutschland rund fünf Millionen Pakete verschickt. Stellen Sie sich vor, zehn oder 20 Prozent würden per Drohne versendet …. Ergo: Wir könnten das Sonnenlicht nicht mehr erkennen, der Flugverkehr wäre gefährdet und niemand weiß, wo die Dinger eigentlich landen sollen. Ich halte die Paketzustellung per Drohne daher für komplett unrealistisch, durchaus aber für einen guten Marketinggag.

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