Eine Krise ist wie eine schöne Frau: schwer zu beschreiben, aber auf den ersten Blick zu erkennen. Leider stammt dieser Vergleich nicht von mir, sondern von Charles P. Kindleberger, dem großen Ökonomen und Wirtschaftshistoriker. Man hätte ergänzen können: Und kaum einer versteht sie. Der Unterschied zwischen schöner Frau und Krise: Fast niemand sieht eine Krise kommen, aber später können alle erklären, dass sie unvermeidbar war.
Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, mal antizyklisch vorzugehen und unsere neue Serie (Seite 133) über die großen Krisen der Weltwirtschaft nicht kurz nach Ausbruch einer solchen zu starten.
Warum aber sich noch mal mit der Geschichte beschäftigen?„Über Ausbrüche von Manien und Panik ist schon viel geschrieben worden“, notierte Walter Bagehot, der Gründer des „Economist“, schon im Jahr 1856. „Weit mehr, als selbst ein weit gespannter Geist verfolgen oder begreifen kann. Doch eines ist sicher: dass eine stattliche Menge dummer Menschen eine stattliche Menge dummen Geldes besitzt.“ Damit ist doch eigentlich alles gesagt. Oder?
Ich glaube nein. Die Erkenntnis, dass unsere Vorfahren vor Hunderten Jahren genauso dumm und gierig waren, ist zum einen einigermaßen tröstlich. Denn das relativiert die Kernschmelze, die wir erlebt haben. Es ist eben nicht so einzigartig, was seit 2007 passiert ist.
Zum anderen glaube ich, dass die Bedeutung der Geschichte in der immer noch gärenden Schuldenkrise unterschätzt wird. Die Ökonomen, die unsere Debatte prägen, haben keinen ganzheitlichen Erklärungsansatz. Sie haben ihre mangelhaften Modelle, Statistiken und Überzeugungen. Für manche ist Geschichte eine Art Folklore. Dabei ist sie oft der Schlüssel, um das Verhalten der Länder – darunter auch Deutschland – zu verstehen.
Bei der Serie geht es uns um mehr, als noch einmal die Große Depression nachzuerzählen. Wir gehen weiter zurück. Kann ein Staat pleitegehen? Wer sich Philipp II. von Spanien anschaut, muss bald von einem Gesetz der Serie sprechen. Wer sich in die Debatten im 19. Jahrhundert über die Bank of England vertieft, liest Sätze, die einem den Atem verschlagen: wie ein Manuskript für die Politik von EZB-Chef Mario Draghi.
Mit der Serie führen wir die Marke Capital History ein, wir wollen das Segment der Wirtschaftsgeschichte konsequenter für Sie erschließen. Denn auch die Geschichte gehört zur Welt der Wirtschaft dazu. Viel Spaß beim Lesen!
Horst von Buttlar
Chefredakteur
Aus dem Inhalt:
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Neue Serie: Capital History - Die großen Krisen der Weltwirtschaft - Folge 1: Unter Philipp II. stieg Spanien zur Supermacht des 16. Jahrhunderts auf. Doch der allmächtige Regent ist ein ständiger Bittsteller bei seinen Bankern. Er wird sein Land in den Bankrott führen. Nicht nur einmal
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