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Thema Die Bank, die über Deutschland lacht

Von allen schlimmen Banken Irlands gab es eine, die war noch schlimmer: die Anglo Irish Bank. Das Hohngelächter der Banker ist nur eine späte Posse im Drama Irlands, das noch heute unter seinen Banken leidet.
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Natürlich wird sich nun wieder entschuldigt. Er bedaure seine Worte zutiefst, hat David Drumm gesagt, einst Chef der Anglo Irish Bank. Er könne sein Verhalten nicht mehr rückgängig machen. „Aber ich kann mich bei denen entschuldigen, die sich das anhören mussten und die sich verständlicherweise so angegriffen gefühlt haben.“

Diese ganzen Worte über die dummen Deutschen und Zahlen, die „aus dem Arsch gezogen wurden“, seien in einer „anstrengenden Zeit“ gefallen. Dies entschuldige natürlich nicht den „furchtbaren Sprachgebrauch“. Klar, kann schon mal passieren, wenn eine Bank untergeht.

Halb Europa regt sich nun auf über die irischen Banker, die ihr Volk - und die Deutschen - verspotteten. „Wir werden das Geld zurückzahlen, wenn wir es haben“, sagte ein Bankmanager damals. „Also nie.“ Sagen wir mal so: Man könnte diese Zitate nicht besser erfinden.

Wer die Geschichte der Anglo Irish Bank kennt, der dürfte allerdings weniger überrascht sein, als sich bestätigt fühlen, denn es passt ins Bild - kaum ein Institut hat ein Land mehr ruiniert, kaum eine Bank ist so Symbol für Banker geworden, die der Menschheit die Abgründe ihres Gewerbes vor Augen zeigen. Wobei die Manager von Anglo Irish ihre Artgenossen in vielem in den Schatten stellten.

„Anglo zerstört Irlands Finanzen“

2009 musste Irland Anglo Irish retten, die Kosten überforderten das kleine Land, das daraufhin unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen musste. 30 Mrd. Euro hat allein die Verstaatlichung, Aufspaltung und Abwicklung der Bank den Inselstaat gekostet, nahezu 20 Prozent der Wirtschaftsleistung. Umgerechnet auf Deutschland wären das über 500 Mrd. Euro. „Anglo zerstört Irlands Finanzen“, klagte einmal die „Irish Times“.

Ex Bankchef FitzPatrick wartet auf seinen Prozess
Ex Bankchef FitzPatrick wartet auf seinen Prozess

SeanFitzPatrick musste Ende 2008 zurücktreten - hat Privatinsolvenz angemeldet, wurde immer wieder festgenommen und erwartet für 2014 einen Prozess. Lange scheint es her, dass er sich und seine Bank für unbesiegbar hielt. In einer Lobrede auf Irland, die irischen Banken und vor allem sich selbst drückte er das einmal so aus: „Wir hatten die Ideen, und wir hatten den Mumm. Wir haben reingehauen und rausgeholt, was rauszuholen war. Die Welt schaute auf uns in unbändigem Staunen.“

Dabei hatte Sean FitzPatrick in der Tat fast zwei Jahrzehnte Großes und Erstaunliches geleistet. Während Irland wuchs und boomte und als „keltischer Tiger“ ganz Europa verzückte, wuchs auch seine Bank, die Anglo Irish Bank. Das ehedem kleine Institut blähte er zu einem Riesen auf, der schon bald in den USA mitspielen wollte.

Anglo Irish finanzierte den Bauboom der Tigerjahre, hemmungslos und immer waghalsiger, während sie ihre Bilanzen immer mehr schönte und zu tricksen begann. Hier zeigte sich die verhängnisvolle Verbindung von Bankern, Aufsehern und Politikern unter der Regierung Bertie Aherns, der von 1997 bis 2008 Ministerpräsident war. „Anglo Irish war die Rakete, die am Himmel von Bertie Aherns Irland glühte und das vom Geld überschwemmte Land darunter erhellte“, schreibt der Journalist Fintan O'Toole in seinem Bestseller „Schiff der Narren“ aus dem Jahr 2010, in dem er den Absturz seines Landes analysiert. Eine kleine Clique, so O’Toole, die sich gegenseitig Posten zuschanzte, wegschaute und schmierte, habe das Land dahin geführt, wo es heute stehe. Eine der zentralen Figuren war dabei Sean FitzPatrick, der „Kronprinz des irischen Finanzsystems“, wie sie ihn in Irland nannten.

Mit 26 Jahren war FitzPatrick 1974 zu der Bank gestoßen, seit 1986 stand er an deren Spitze - und machte sie groß und größer: Aus einem Gewinn, der 1985 noch knapp 300 000 irische Pfund betrug, wurden 2007 1,2 Mrd. Euro. Und aus einer Bilanzsumme, die 2001 noch bei knapp 16 Mrd. Euro lag, waren 100 Mrd. Euro geworden.

Die Bank finanziert den Boom

Unter FitzPatrick wird die Anglo Irish Bank zu einem Schlüsselinstitut des irischen Booms. Er führt eine neue Kultur ein, die den irischen Banken bis dahin unbekannt ist: hohes Risiko, neue Geschäftsfelder, schnelle Deals, während die Konkurrenz wochenlang Zahlen prüft. Er zahlt bessere Gehälter und verspricht schnelle Karrieren. FitzPatrick ist 38, als er an die Spitze rückt, und die Bank prahlt damit, dass der älteste Senior Executive gerade mal 42 ist. Vor allem aber entdeckt er eine Nische: den Bau- und Immobiliensektor.

Anglo Irish finanziert den Boom, der die Insel erfasst, vergibt Kredite an Bauträger, Immobilienentwickler und -spekulanten. Fast zwei Drittel der Darlehen stecken in Hotels, Büros und Einkaufszentren, 15 Prozent werden für den Kauf von Grundstücken vergeben. Später will FitzPatrick auch in den USA mitspielen, finanziert Wolkenkratzer in Chicago und Einkaufszentren in Boston. Die Wall Street schaut ungläubig auf den irischen Emporkömmling. „Sie ließen uns wachsen, weil sie uns nicht ernst nahmen“, sagte FitzPatrick dazu einmal stolz.

In seiner Heimat wird er ernst genommen: Er sitzt in vielen Aufsichts- und Verwaltungsräten, etwa bei der staatlichen Fluglinie Aer Lingus oder bei der Dublin Docklands Development Authority (DDDA), dem größten staatlichen Bauprojekt im Hafenviertel der Hauptstadt. Für seine Geschäfte ist das überaus praktisch: Wenn DDDA bei einem Grundstück mal wieder zuschlägt, finanziert Anglo Irish die astronomischen Summen.

Die Zahl der großen Kunden ist überschaubar. 2008 schulden die Top-20-Kunden, darunter vor allem Bauunternehmen, der Bank 11,4 Mrd. Euro. Mit anderen Worten: Anglo Irish ist abhängig von einer kleinen Gruppe von Baulöwen und Spekulanten, was allerdings eine „bewusste“ Strategie ist, wie man den Wirtschaftsprüfern von PriceWaterhouseCoopers Ende 2008 freimütig erläutert.

Als 2007 die Immobilienblase platzt, stürzt Irland ab - und Anglo Irish mit. Plötzlich ist die Rede von „Gift und „Müll“ in den Bilanzen, Hedge-Fonds attackieren die Bank. Der Aktienkurs fällt ins Bodenlose. Stand er im Juni 2007 noch bei 18 Euro, ist die Aktie Weihnachten 2008 noch 0,15 Cent wert. Kurz darauf muss die Regierung drei Institute, darunter Anglo Irish, mit ersten Milliarden stützen.

Wenige Wochen später wird Sean FitzPatricks Bank ganz verstaatlicht. Er selbst ist da bereits zurückgetreten, und der Grund ist nicht die Staatshilfe. FitzPatrick, und das hebt ihn sicherlich von anderen Bankern der Wall Street oder aus London ab, sah sich nicht nur als großer Banker - er war auch großer Kunde seines Instituts. Über acht Jahre hatte er sich mit einem dubiosen System immer wieder Millionen geliehen, um selbst zu spekulieren oder Aktien der eigenen Bank zu kaufen.

84 Mio. Euro schuldete er Anglo Irish bei seinem Rücktritt, in der Spitze waren es 129 Mio. Euro. Damit das Geschäft nicht aufflog, lieh sich FitzPatrick immer kurz vor dem Bilanzstichtag die Summe, die er seiner Bank schuldete, von der Bausparkasse Irish Nationwide und zahlte sie wenige Tage später zurück. Andere Topmanager der Bank taten es ihm gleich, borgten sich 95 Mio. Euro.

Niemand erhob Einspruch, allein die Wirtschaftsprüfer von Irish Nationwide rieten dem Institut, die Finanzaufsicht zu informieren - und diese unternahm: nichts. Später empfahl sie immerhin der Bank, die Leihgabe an den eigenen Chef wenigstens in der Bilanz zu führen.

Als der Betrug Ende 2008 aufflog, bezeichnete Pat Neary, der Vorsitzende der Aufsicht, diese Praxis als „unangemessen“. Die Affäre wurde heruntergespielt, Brian Lenihan, bis heute Finanzminister, verlieh nur seiner „Enttäuschung über die Umstände des Rücktritts“ von FitzPatrick Ausdruck. „Analysten waren fassungslos, dass diese Praxis in Irland nicht illegal ist“, schrieb der „Independent“, die „Financial Times“ nannte Irland eine „Bananenrepublik“.

FitzPatricks Schuldentricks waren aber nicht der einzige Skandal.

Sean Quinn verspekulierte sich mit Kontrakten der Anglo Irish
Sean Quinn verspekulierte sich mit Kontrakten der Anglo Irish

Im Sommer 2008, wenige Monate vor dem Kollaps, versammelt Anglo Irish ihre zehn besten Kunden, genannt der „goldene Kreis“. Sie leiht ihnen 450 Mio. Euro. Der Plan: Sie sollen damit zehn Prozent der Anteile der Bank kaufen, die der Unternehmer Sean Quinn, bis dahin reichster Mann des Landes, loswerden will. Er hat sich mit Kontrakten verspekuliert. Damit der Kurs nicht weiter stürzt, fädelt die Bank das Geschäft ein - als Sicherheit dienen dabei die eignen Aktien.

Mit dem Finanzdienstleister Irish Life and Permanent (ILP) tricksen die Anglo-Banker im noch viel größeren Stil, sie etablierten das, was Experten später das „irische Cash-Karussell“ nennen. Im September, die Welt erbebt durch die Pleite von von Lehman Brothers, ist Anglo Irish in Bedrängnis, verliert Milliarden an Einlagen.

Am Monatsende, wieder kurz vor dem Bilanzstichtag, deponiert ILP deshalb in zwei Tranchen knapp 7,5 Mrd. Euro bei Anglo Irish. Die Bank verbucht das Geld als Kundeneinlage, um nach außen gut dazustehen. Irische Medien berichten von einem vertraulichen Treffen zwischen Pat Neary, dem Chef der Finanzaufsicht, und Willie McAteer, dem Finanzchef von Anglo Irish. Er würde „die Bilanz zum Stichtag in den Griff bekommen“, soll McAteer dem Chefaufseher versprochen haben. „Fair play to you, Willie“, soll Pat Neary geantwortet haben, ein Ausdruck für: „Gut gemacht.“

Das war das irische Problem: Banker, Aufseher und Politiker standen sich nahe, waren sich zu nahe gekommen. „Sie waren alle in dem Spiel involviert“, sagt der irische Ökonom David McWilliams. FitzPatrick sei kein Einzeltäter gewesen. Insgesamt 110 Mio. Euro schuldet FitzPatrick seiner Bank noch, bei 145 Mio. Euro Schulden insgesamt.

Inwieweit die damalige Regierung vom Treiben der Banken wusste, ist unklar. Ein im Juni 2010 veröffentlichter Bericht über die Bankenkrise kommt zu dem Schluss, dass Anglo Irish auch ohne Lehman insolvent gegangen wäre. Eine Ursache: die laxe Finanzaufsicht, die zu große „Ehrerbietung“ der Aufseher gegenüber den Banken.

Schritt für Schritt, bilanziert der Autor Fintan O'Toole, würde Irland für „alle Exzesse der Banken und Baufirmen der keltischen Tigerjahre in Haftung genommen. Mindestens zwei Generationen von Iren werden für die blinde und dumme Gier einer kleinen Elite zahlen müssen.“

Es bleibt Gelächter.

Horst von Buttlar ist Capital-Chefredakteur. E-Mail: chefredaktion@capital.de

Foto: © Bloomberg; dpa; Michelle McCarron

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