Die Debatte über die deutschen Exportüberschüsse gewinnt an Schärfe. Am Mittwoch teilte die EU-Kommission mit, sie werde die Entwicklung genau unter die Lupe nehmen. Ein Exportüberschuss von mehr als sechs Prozent über mehrere Jahre gilt als Gefahr für die Stabilität in der Eurozone. In der ersten Jahreshälfte erzielte die Bundesrepublik einen Überschuss von mehr als sieben Prozent. Im schlimmsten Fall drohen Deutschland Sanktionen, doch davon will die EU-Kommission noch nicht sprechen. Sie kündigte an, ihre Analyse im Frühjahr 2014 vorzulegen.
In ihrem „Warnmechanismus-Bericht über makroökonomische Ungleichgewichte in den EU-Mitgliedstaaten“ macht die EU-Behörde deutlich, dass es nicht darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands einzuschränken. Indirekt gibt sie aber dann doch so etwas wie eine Empfehlung ab:
„Mehr Investitionen und/oder eine Verringerung der Sparquote könnten sich positiv auf Deutschland und andere Überschussländer wie die Niederlande auswirken, ohne dass ihre Wettbewerbsfähigkeit dabei Schaden nähme, zumal die Investitionsquote der Überschussländer tendenziell unter dem EU-Durchschnitt liegt.“
Sie erinnert auch an frühere Empfehlungen des Ministerrats an Deutschland,
„die Bedingungen für ein die Binnennachfrage stützendes Lohnwachstum aufrechtzuerhalten, z. B. durch eine Senkung der hohen Steuer- und Abgabenbelastung, insbesondere für Geringverdiener. Es wurde außerdem empfohlen, dass Deutschland Maßnahmen ergreift, um den Wettbewerb im Dienstleistungssektor, unter anderem im Baugewerbe, weiter zu beleben, und – neben weiteren Maßnahmen im Bereich der Energiepolitik – weitere Anstrengungen unternimmt, um den Ausbau der Energienetze zu beschleunigen.“
Wilhelminische Kraftmeierei
Hierzulande wird Kritik an den Überschüssen vielfach als Angriff auf die deutsche Wettbewerbsfähigkeit kritisiert. Der Journalist Bernd Ziesemer fühlt sich an die Kraftmeierei des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. erinnert:
„Auf internationaler Bühne agierte der deutsche Monarch mit einer merkwürdigen Mischung aus nationaler Kraftmeierei, Minderwertigkeitskomplexen und beleidigter Miene. Mich erinnern viele Kommentare in den deutschen Medien über unseren steigenden Export und vor allem unsere Überschüsse in der Handelsbilanz ein wenig an dieses merkwürdige Grundgefühl des Wilhelminismus.“
Aus der Debatte über das Für und Wider der Exportstärke hält sich Ziesemer raus. Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, kritisiert die Überschüsse dagegen als ungesund. In einem Interview mit der Zeit sagt er:
„Es wäre besser gewesen, mehr in Deutschland zu investieren, um die heimische Wirtschaft produktiver zu machen. Die Exportwirtschaft hat gute Geschäfte gemacht, aber weite Teile der Bevölkerung haben davon nicht profitiert.“
Wirtschaftsweise uneins
Auch der Wirtschaftssachverständige Peter Bofinger fordert höhere staatliche Investitionen. Die sogenannten Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten, sind in dieser Frage uneins. Der Ökonom Volker Wieland wird mit den Worten zitiert:
„Das sind Marktergebnisse...Man sollte da nicht direkt eingreifen."
Ob die künftige Bundesregierung das Problem dauerhaft einfach wegschieben kann? Laut Frankfurter Allgemeine Zeitung haben sich Union und SPD auf einen Formelkompromiss verständig. In einem gemeinsamen Papier heiße es:
„Zur Vermeidung von künftigen Verwerfungen in der Währungsunion müssen Haushaltspolitiken und Schuldenentwicklung besser überwacht und wirtschaftliche Ungleichgewichte in der Eurozone durch koordinierte Anstrengungen aller Euromitgliedstaaten verringert werden“
Wie das geschehen soll, verraten uns die Koalitionäre – noch – nicht.