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Thema Der alte neue New Deal

Alter Wein in neuen Schläuchen: Mit einem New Deal wollen Deutschland und Frankreich die Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen. Nicolas Berggruen steht Pate für ein Vorhaben, das den Betroffenen wenig nützen wird.
Ursula von der Leyen und Nicolas Berggruen
Ursula von der Leyen und Nicolas Berggruen (© dpa)
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Zur großen Verkündung des neuen „New Deal“ sind sie alle zu Nicolas Berggruen nach Paris gekommen: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Michel Sapin und Pierre Moscovici, ihre französischen Pendants. Einträchtig wie lange nicht sitzen das Alphaweibchen und die drei Alphamännchen auf dem Podium des „Town Hall Meeting“, der großen Konferenz, die der Finanzinvestor und Karstadt-Eigner Berggruen alljährlich veranstaltet. Entspannt lächeln in die Kameras. Es gibt ja auch Gutes zu verkünden: eine neue deutsch-französische Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Den ganz großen Wurf. Zumindest hört es sich so an.

„Es braucht ganz Europa, um der Jugend eine Chance zu geben“, sagt von der Leyen feierlich. „Sechs Millionen junge Menschen“, die ohne Ausbildung und ohne Arbeit sind“ müsse nun eine „Chance“ gegeben werden, damit sie „leidenschaftlich an Europa denkt und für Europa denkt.“ Und Schäuble hat schon vorab erklärt: „Wir können Europa nicht bauen, indem wir einer ganzen Generation sagen, ihr müsst zehn Jahre lang warten.“

Also wird nun agiert, unter der Marke „New Deal“. 6 Milliarden Euro Kredit, verteilt über sieben Jahre, soll die Europäische Investitionsbank ab 2014 bereitstellen für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit. Betriebe, die Lehrlinge einstellen, sollen zinsgünstige Darlehen bekommen. Dazu soll die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild gefördert und ein Erasmus-Programm für Azubis ins Leben gerufen werden. Alle Maßnahmen haben eins gemein: Sie sollen verhindern, dass die Massenarbeitslosigkeit junger Menschen zum sozialen Sprengstoff in den Hochburgen der Eurokrise wird. „Wenn wir nicht handeln, entsteht in diesen Ländern eine verlorene Generation: Menschen, die auf Jahre hinaus von Sozialhilfe und Hilfsarbeiten leben müssen“, sagt der Bremer Soziologie-Professor Werner Heinz, der jahrelang über Jugendarbeitslosigkeit geforscht hat.

55 Prozent Arbeitslose bei den 15 bis 24Jährigen in Spanien, an die 60 Prozent in Griechenland, fast 40 Prozent in Portugal und Italien, 25 Prozent selbst in Frankreich. Es sind Horrorzahlen, die durch den Kontinent geistern. Sie sind aber auch trügerisch: Ganz so schlimm ist es auch nicht. Denn solche Statistiken, wie sie etwa die EU-Statistikbehörde Eurostat verbreitet, erfassen nur den Anteil der Arbeitslosen an allen Jugendlichen, die Arbeit suchen oder haben. Schüler und Studenten bleiben außen vor. Betrachtet man indes die gesamte Altersklasse, liegt die Quote etwa in Spanien bei gut 20 Prozent. Aber auch das ist noch fünfmal so hoch wie in Deutschland. Wie drängend das Problem ist, hat gerade der Madrider Prado erfahren, als es Personal suchte. Auf elf ausgeschriebene Stellen bewarben sich mehr als 18.000 Menschen – für Jobs als Museumswächter, Jahresbrutto: 13.000 Euro.

Jugendarbeitslosigkeit in ausgewählten Ländern
Jugendarbeitslosigkeit in ausgewählten Ländern

So richtig die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in den Euro-Krisenstaaten strukturell ist. Kurz- und mittelfristig sind die Sparprogramme Ballast für die Konjunktur. Sie verstärken die oft seit Jahren anhaltende Rezession, treiben die Arbeitslosenzahlen weiter in die Höhe – und treffen eine Generation, die noch nie so gut ausgebildet war wie heute. Das alarmiert nun auch die Politik. Frankreichs Präsident François Hollande mahnt nun öffentlich zur Eile, und fordert, die vorhandenen Mittel zur Förderung von Jobs für junge Menschen schneller freizugeben.

Aber genau daran hapert beim näherem Hinsehen auch der deutsch-französische „New Deal“. „Die Möglichkeiten der EIB, Lösungen anzubieten, werden völlig überschätzt“, zitiert das „Handelsblatt“ den Chef der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer. „Wir brauchen mehr Größe und Tempo“. So soll das Programm erst 2014 starten. Geschehe dies wirklich, dann „verwässert das seine Glaubwürdigkeit.“, kritisiert Hoyer.

Auch die 6 Milliarden Euro sind schnell relativiert: 142 Euro pro jugendlichem Arbeitslosen und Jahr. „Das reicht nicht annähernd, dazu sind die Probleme viel zu groß“, sagt Experte Heinz, „und vielen dieser Staaten geht eine koordinierte Arbeitsmarktpolitik ab.“

Offensichtlich handelt es sich noch nicht einmal um zusätzliches Geld. Denn exakt 6 Milliarden Euro hat die EU schon bislang für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen – bis 2020, verteilt auf sieben Jahre. Bei der Initiative gehe es nicht darum, mehr Geld zur Verfügung stellen, räumt von der Leyen denn auch ein, sondern darum, die vorhandenen Mittel besser einzusetzen. Klingt nach altem Wein in neuen Schläuchen.

Für die Minister ist Paris dennoch eine Reise wert: Nun ist ihr "New Deal" in aller Munde, wieder mal stehen Deutschland und Frankreich als große Macher dar, und nicht die EU. Und auch Gastgeber Berggruen kann sich über viel positive PR freuen. Er selbst hat bei Karstadt im vergangenen Sommer 2000 Arbeitnehmer entlassen. Danach fragt niemand an diesem Freudentag.

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