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Debatte Das griechische Wagnis

Vordergründig scheint alles klar: Das griechische Finanzmarkt-Comeback ist geglückt. Doch es gibt auch Kritik an dem Schritt. Ein Überblick
Griechenland: Bei den Parlamentswahlen könnte die Linke gewinnen
Griechenland zeigt am Kapitalmarkt wieder Flagge
© Getty Images

Griechenland ist an den Kapitalmarkt zurückgekehrt. Die Platzierung einer fünfjährigen Anleihe war ein Erfolg: 3 Mrd. Euro fließen dem finanziell klammen Land zu. Dabei war die Anleihe vielfach überzeichnet; wären alle Anleger zum Zug gekommen, hätte die Regierung in Athen auf einen Schlag 20 Mrd. Euro eingenommen. Die Rendite liegt mit knapp unter fünf Prozent erstaunlich niedrig, aber immer noch weit über den zwei Prozent, die Griechenland bezahlen muss, wenn es sich Geld beim Euro-Rettungsschirm borgt.

Mit der erfolgreichen Bondsausgabe verringert die Regierung in Athen ihre totale Abhängigkeit von den europäischen Partnern. Entsprechend enthusiastisch fiel die Reaktion von Finanzminister Yannis Stournaras, der von einem riesigen Erfolg sprach. Aber auch die Griechenland-Retter von der EU und dem IWF fühlen sich bestätigt, weil es dank der harten Sparauflagen gelungen sei, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen.

Risikofreudige Anleger

Experten sehen allerdings noch einen anderen Grund für den Run auf die Anleihe. Andrew Bosomworth, Leiter des deutschen Portfoliomanagement der Allianz-Tochter Pimco, sah bereits vor der heutigen Platzierung in einem Interview mit Zeit-Online, dass das Vertrauen wieder da sei und damit auch die Bereitschaft Risiken einzugehen:

„Nicht ohne Grund notieren viele Aktienindices gerade auf Rekordniveau. Risikobehaftete Anlagen, wie etwa Aktien, hoch verzinste Wertpapiere oder nachrangige Bankanleihen sind gefragt. Und griechische Staatsanleihen waren in der Vergangenheit nicht gerade risikoarm.“

Und eine Rendite von fünf Prozent ist in der momentanen Niedrigzinsphase offenbar konkurrenzfähig. Laut Wall Street Journal rentieren portugiesische Staatsanleihen derzeit mit 2,6 Prozent, deutsche Bonds gar nur mit 0,6 Prozent. Die Risikobereitschaft ist größer als die Angst vor einem Zahlungsausfall – und das nur zwei Jahre nach einem Schuldenschnitt bei dem Anleger auf viel Geld verzichten mussten.

Keine Spur von Normalität

FAZ-Kommentator Holger Steltzner nimmt an, dass die Anleger auf die EZB vertrauen, die Athen im Zweifel wieder raushauen werde. Seiner Ansicht nach passt der Jubel über die Rückkehr an die Finanzmärkte nicht zu den Bitten der Regierung um einen Aufschub der Rückzahlung:

„Wegen der verheerenden Finanzlage möchte Hellas nun eine weitere Aussetzung der Rückzahlung und noch eine Zinssenkung. Während der Schuldner also öffentliche Gläubiger um einen weiteren Aufschub bittet, verspricht er Privatanlegern eine Rendite von etwa 5 Prozent. Offenbar hat Athen zu viel Geld für Symbolpolitik.

Auch Cerstin Gammelin von der Süddeutschen Zeitung sieht Griechenland noch weit entfernt von der Normalität:

„Normal ist, dass ein Land, das Kredite aufnehmen muss, sich den besten Kreditgeber auswählt. So wie das grundsätzlich jeder Bürger, jedes Unternehmen macht. Solide soll der Kreditgeber sein, niedrige Zinsen bieten und beste Rückzahlungskonditionen. Gemessen an diesen Kriterien gibt es für ein derart krisengeschütteltes Land wie Griechenland einen einzigen Kreditgeber, der infrage kommt: der Euro-Rettungsfonds.“

Normalität werde aus rein politischen Gründen vorgetäuscht, weil die deutschen Steuerzahler von der Richtigkeit der Rettungspolitik überzeugt werden müssten und weil der fragilen konservativ-sozialdemokratischen Regierung von Premierminister Antonis Samaras mit der Kommunal- und Europawahl im Mai schwierige Urnengänge bevorstünden. Bei einer Niederlage könnte die Regierung auseinanderbrechen. Im Fall von Neuwahlen droht ein Sieg der Parteien, die die Rettungspolitik kategorisch ablehnen.

Raus aus der Rezession

Die jüngsten Demonstrationen haben gezeigt, dass viele Griechen mit dem Kurs ihrer Regierung nicht einverstanden sind. Da helfen auch nicht die Erholungssignale, die in diesem Jahr zu spüren sind. Mathias Ohanian von der Schweizer Handelszeitung kritisiert die Konzentration der Medienberichterstattung auf das Negative:

„Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen hat sich das südeuropäische Land aber massgeblich gewandelt. Laut Industrieländerclub OECD erzielte Athen in den vergangenen Jahren ‚beeindruckende’ Erfolge bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen, die strukturellen Reformen verliehen der Produktivität einen kräftigen Schub und machten das Land konkurrenzfähiger.

Zu sehen sein das an unter anderem an den Lohnstückkosten, die in den vergangenen Jahren deutlich gegenüber jenen aller anderen Euro-Länder gesunken sei. Außerdem habe Griechenland 2013 erstmals seit 1948 einen Handelsüberschuss erzielt. Und konjunkturell zeigten sich auch wieder Erholungszeichen: Die Wirtschaft wächst wieder. Trotzdem ist die Arbeitslosenquote mit 27 Prozent immer noch exorbitant hoch.

Ulrich Kater; Chefvolkswirt der Deka Bank, äußert sich in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt skeptisch über die griechischen Reformfortschritte:

„Insgesamt muss man feststellen, dass einiges geschehen ist im Land. Ob dies jedoch ausreicht, die Wirtschaftskraft nachhaltig zu stärken, ist noch sehr unsicher. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass sich dies alles im Schatten eines immer noch gigantischen Schuldenbergs von 177 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung abspielt.“

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