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Gastbeitrag Wie man im Job mit Ärger umgeht

Streit unter Kollegen
Streit unter Kollegen
© dpa
Ärger im Job dürfte jeder schon einmal erlebt haben. Manchmal kann Entrüstung auch hilfreich sein. Philipp Karch erklärt, wie man vom ungünstigen zum günstigen Ärger gelangt

Es gibt günstigen Ärger und ungünstigen Ärger. Günstiger Ärger ist jene Widerstandsenergie, die wie ein notwendiger Katalysator zur Selbstbehauptung wirkt. Er hilft uns, gegen gefühlte Ungerechtigkeit aufzubegehren. Ungünstiger Ärger hingegen ist die reinste Energie- und Zeitverschwendung, weil er lediglich in uns entsteht, ohne dass wir damit etwas anfangen.

Wie Du von ungünstigem zum günstigen Ärger gelangen kannst, verraten Dir die folgenden fünf Anregungen.

# 1 Ärger gar nicht erst entstehen lassen. Mit Humanismus.

Wenn wir Humanismus als Streben nach Menschlichkeit und Respekt begreifen, dann gilt: Je humanistischer Du Menschen begegnest, desto geringer Dein Konfliktaufkommen. Humanismus meint nicht Nachgeben oder Aufgeben, sondern wohlwollendes, wertschätzendes Selbstbehaupten, und es geht um Partnerschaftlichkeit und nicht um Dominanz.

Der Leitgedanke: „Du und ich, wir sind beide okay, nur gerade anders“. Wer so denkt, sieht im Gegenüber keinen Feind, keinen Konkurrenten und auch kein Instrument, sondern einen Kooperationspartner, dessen Wohl unweigerlich mit dem eigenen verknüpft ist. Und wer in der Gemeinsamkeit und im Mitgefühl ist, der nimmt dem Ärger die Existenzgrundlage.

#2 Ärgerangebote liegen lassen. Mit Erwartungsmanagement.

„Was mich ärgert, entscheide ich“ ist bei Business Village erschienen    erschienen
„Was mich ärgert, entscheide ich“ ist bei Business Village erschienen
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Von Natur aus gibt es keine Konflikte, nur Konfliktangebote. Das Besondere daran: Ein Angebot musst Du nie annehmen, Du hast eine Wahl.

Der Zusammenhang: Erwartungen erzeugen Abhängigkeiten und Abhängigkeiten erzeugen Enttäuschungen. Wenn Du die Wahrscheinlichkeit für Enttäuschungen minimieren willst, minimiere Deine Abhängigkeiten. Und wenn Du Abhängigkeiten minimieren willst, minimiere Deine Erwartungen.

Einfach ist das nicht. Denn viele wollen zwar keine Abhängigkeiten oder Enttäuschungen erleben, doch an den meisten Erwartungen festhalten. Erkenne diesen Widerspruch und löse ihn auf. Trenne Dich von allen Erwartungen, die nicht Deine Integrität betreffen. Löse hierdurch sämtliche Nice-To-Have-Erwartungen radikal auf und halte nur an wenigen Must-Have-Erwartungen fest.

#3 Ärgerangeboten ausweichen. Mit Quick-and-Dirty-Strategien.

Nehmen wir an, Dein Kollege Stefan verdreht im Gespräch empört die Augen. Dich stört dieser nonverbale Angriff und Du willst im Außen aktiv werden. Probiere eine der folgenden Quick-and-Dirty-Strategien:

  • Wegorientieren: Verlasse den Ort. Das Leben ist zu kurz, sich dem auch nur eine Sekunde auszusetzen.
  • Wegpausieren: Gönn Dir eine Auszeit. Teile rechtzeitig mit, dass Du heute leider verhindert bist.
  • Wegvisualisieren: Ignoriere ihn: Wandere mit deinem Blick umher, aber Stefan sparst Du aus. Was Du nicht weißt, macht Dich nicht heiß.
  • Wegrationalisieren: Deute um, was Du gesehen hast. Etwa so: „Bestimmt hat er eine attestierte Nervenkrankheit.“ So verbleibt sein Problem bei ihm.
  • Wegnihilieren: Verzichte auf bestimmte Anliegen. Nur für einen kurzen Moment. Betrachte dies als „selbstgewählten, temporären Bedürfnisverzicht“ und nicht als Unterwerfung.

#4 Ärger auflösen. Mit dem Einkaufssystem.

Wenn Du den Ärger nicht loswirst, wende Dich drei selbstreflexiven Fragen zu, die wir uns mit der Eselsbrücke „Einkaufssystem“ merken können:

  • Was erlaubt sich der andere gerade, was Du dir nicht bzw. selten (so) erlaubst?
  • Was kann der andere, was Du gerne auch können würdest?
  • Was spiegelt Dir der andere, was Du an dir selbst auch nicht magst?

Beantworten wir die Fragen in Bezug auf den „Augen rollenden Stefan“: Oh ja, er erlaubt sich, Kritik auszudrücken, er ist somit frei. Wie oft unterdrückst Du Dich? Das Augenrollen lehnst Du zwar weiter ab für Dich, aber den ungehemmten Selbstausdruck bewunderst Du. Kann er etwas, was Du auch gerne können würdest? Nein, Augen rollen kannst Du auch, es handelt sich hier also nicht um verborgenen Neid. Und drittens, spiegelt er Dir etwas? Ja, auch Du gibst manchmal sarkastisches Feedback. Insofern erinnert sich Stefan daran, was Du noch ablegen willst.

#5 Attackieren. Liebevoll-rücksichtslos.

Beginne zunächst mit dem sachlichen Aufklären. Sprich über Deine unerfüllten Bedürfnisse, nenn deine unangenehmen Emotionen und beachte Erfolgsfaktoren wie „Ich- statt Du-Botschaft“, „Einzelfall statt Verallgemeinerung“ oder „Beobachtung statt Bewertung“.

Wenn das nicht hilft, geh über zum Schlagfertigen Kontern. Wer Dich auflaufen lässt, den lässt Du ebenfalls auflaufen, zum Beispiel mit teilnahmslosem Bejahen (Er: „Du bist inkompetent!“; Du: „Ja!“), scheinbar interessiertem Einfühlen („Und wie geht es dir, wenn du mir das sagst?“) oder auch gezieltem Ablenken („Du möchtest über meine Kompetenz sprechen, ich würde lieber mit dem Projekt weitermachen, okay?“). Wenn auch das nicht hilft, wechsle zum Nonverbalen Irritieren, indem Du den Neandertaler auspackst: Mal frierst Du ein (gebannter Blick in die Augen ohne Leben im Gesicht), mal imitierst Du dessen Körpersprache, mal erwiderst Du die Aufgebrachtheit des Anderen mit einem souveränen Lächeln. Und jedes Mal begleitet von stiller Freude, kein Opfer mehr zu sein …

Philipp Karch
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Philipp Karch ist Coach, Trainer und Speaker für Ärger-Minimierung. Seit 2010 leitet er Führungskräftetrainings und Seminare, hält Infotainment-Vorträge und bietet Konfliktklärungsgespräche sowie Einzelcoachings an. Für sein Kernthema „Schwierige Gesprächssituationen meistern“ vermittelt er Schlüsselkompetenzen.

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