Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über den Markt für Immobilien
Die Deutschen sind irritiert. Da wird ihnen seit vielen Jahren erzählt, dass es die Menschen in die Metropolen drängt, während kleinere Städte und Ortschaften auf dem Land aussterben. Jetzt erfährt er, dass das gar nicht stimmt. Im Gegenteil: Es zieht sogar wieder mehr Einwohner aus den großen Städten in die Peripherie. Wie kann das sein?
Es ist ganz einfach: Jeder Trend geht einmal zu Ende, egal wie heftig er von dessen Profiteuren gehypt wird. Und das ist gut so. Die Alten geben ihre Häuser auf und ziehen in die großen Städte? Prima, dann können wir für diese Klientel erst einmal jede Menge sündhaft teure Eigentumswohnungen mit Fahrstuhl bauen. Die Jungen wollen urban leben, das Auto stehen lassen und möglichst viel per Fahrrad erledigen? Prima, für die bauen wir Hometowns, Stadtvillen und Reihenhäuser. Die sozial Schwächeren mit kleinem Geldbeutel wollen in ihren Vierteln bleiben, auch mal in einer moderneren Wohnung leben, aber möglichst nicht mehr zahlen? Prima …das erledigen wir dann irgendwann später.
Dass das nicht ewig so weitergehen würde, hätte jedermann klar sein dürfen. Die Metropolen sind knallvoll, teuer, laut, dreckig und nur für wenige Privilegierte in schicken Quartieren wirklich lebenswert. Natürlich hat man in den vergangenen Jahren in Berlin, München, Stuttgart oder Hamburg sehr viele neue Wohnungen gebaut. Billiger ist das Wohnen dadurch nicht geworden. Im Gegenteil. Immer mehr Einwohner sind gezwungen, ihren Lebensmittelpunkt ins Umland zu verlagern, weil sie sich die Stadt nicht mehr leisten können. Andere tun das freiwillig, weil sie keinen Nerv mehr auf den zunehmenden Trubel haben – und man beispielsweise in Buxtehude genauso gut leben kann wie in Hamburg.
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Wo es Jobs gibt, da zieht man hin
Aber ist das alles wirklich neu? Angesichts der vermeintlich kleinen Trendwende, die sich vollzieht, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Erstens: Es hat schon immer Wanderungsbewegungen in die Städte gegeben (also nichts Neues). Und dafür gab es (fast) immer nur einen Grund: Arbeit. Daran hat sich auch heutzutage nichts geändert. Vor allem die jungen Menschen zieht es allerorts in die großen Städte, weil es dort Jobs gibt. Ansonsten wären Berlin oder Köln so uninteressant wie Castrop-Rauxel oder Recklinghausen. Aber auch da leben Menschen und arbeiten. Und werden das immer tun.
Zweitens haben auch schon immer Einwohner den großen Städten den Rücken gekehrt und sind in die Peripherie oder in kleinere Kreisstädte gezogen, weil es dort ruhiger, sicherer und auch billiger ist. Seit Jahren gibt es bei älteren Jahrgängen solche positiven Wanderungssalden. Wie sonst wären zahlreiche Senioren aus Köln oder Hamburg in Weimar und Görlitz gelandet?
Und auch immer mehr junge Familien suchen das Weite, weil es in München oder Stuttgart schlicht zu teuer ist, und man sich angesichts abenteuerlich hoher Mieten mit sehr viel weniger Wohnraum begnügen müsste als außerhalb der Stadtgrenzen.
Havelland statt Kreuzberg
Und wie sieht es im Osten aus? Ostdeutschland muss schon seit Wendezeiten gegen seinen Ruf ankämpfen, dass es dort nichts als gähnenden Wohnungsleerstand und sterbende Regionen gibt – vom schicken Dresden und dem aufstrebenden Leipzig mal abgesehen. Aber wer hat Strausberg nahe der polnischen Grenze auf dem Zettel? Oder das noch kleinere Nauen, wo schon seit 2003 die Bevölkerung wieder wächst? Übrigens ebenso wie im gesamten Berliner Umland. Bis 2030 werden zwischen Havelland, Oder-Spree und Mittelmark gut 970.000 Menschen leben – 36.500 mehr als zurzeit.
Klar profitiert das Berliner Umland von der Strahlkraft der Bundeshauptstadt und vor allem Städte wie Nauen und Strausberg können mit ihren Zug- und S-Bahnanschlüssen punkten. Aber was sagt es uns, wenn das kleine sächsische Freiberg als „Schwarmstadt“ gehandelt wird? Und es aus eigener Kraft schafft, für neue Einwohner aus dem unmittelbaren Umfeld zu sorgen? Zumindest so viel: Auch kleinere und mittlere Städte wachsen. Das macht sich schon lange an steigenden Mieten und Kaufpreisen bemerkbar: Der Quadratmeterpreis für Wohneigentum hat innerhalb von zehn Jahren um fast 31 Prozent zugelegt, die Mieten sind um 15 Prozent gestiegen. Dennoch kann man hier immer noch sehr günstig wohnen. Im Durchschnitt zahlt man nur zwischen 4,73 und 5,61 Euro Miete.