„Willst du bei uns einziehen?“, ist eine Frage, die vermutlich nicht allzu viele Erwachsene ihren Eltern stellen. Viele Familien wünschen sich allerdings für die Kinderbetreuung sehr wohl die Unterstützung der Großeltern oder sind aufgrund fehlender Kitaplätze sogar darauf angewiesen. Senioren wiederum sind oftmals froh um die Gesellschaft Jüngerer. Am leichtesten gelingt diese Symbiose, wenn alle Generationen unter einem Dach leben. Tatsächlich erlebt das Mehrgenerationenwohnen gerade ein Comeback. Denn trotz der möglichen Querelen kann dies eine Art des Wohnens sein, von der alle Seiten profitieren.
Bei der modernen Form des Generationenwohnens leben Großeltern, Eltern und Enkel anders als früher nicht unbedingt in derselben Wohnung. Viele Erwachsene wollen sich gar nicht mehr vorstellen, mit ihren Eltern oder Schwiegereltern über Krümel auf dem Couchtisch zu streiten oder darüber, wer mehr Zeit im Bad verbringt. Stattdessen leben die jeweiligen Kernfamilien oder Alleinstehende in separaten Wohnungen unter einem Dach. Der Vorteil: Alle Parteien wahren ihre Unabhängigkeit, können einander aber gleichzeitig unterstützen.
Zwei-Parteien-Haus und Rentner-Studierende-WG
In seiner kleinsten Form geht das klassisch über ein Zwei-Parteien-Mehrfamilienhaus. In der Regel leben dabei die Senioren in einer möglichst altersgerechten Wohnung im Erdgeschoss, die erwachsenen Kinder und deren Nachwuchs dagegen in einer abgetrennten Wohnung im darüberliegenden Geschoss. Bäder und Küchen sind voneinander getrennt, ein gemeinsamer Garten kann aber beispielsweise als Gemeinschaftsraum für die warmen Monate dienen. Finanziell kann diese Form des Wohnens ebenfalls Vorteile bieten – bei den explodierenden Grundstückspreisen sparen beide Generationen durch das gemeinsame Grundstück bei einem Neubauvorhaben im Vergleich zu zwei Einfamilienhäusern Geld.
Doch nicht nur Blutsverwandte können vom gemeinsamen Wohnraum profitieren. Unter dem Titel „Wohnen für Hilfe“ gibt es zum Beispiel Projekte, bei der Studierende bei Seniorinnen und Senioren einziehen – etwa in Unistädten wie Köln oder Frankfurt. Senioren lassen Studierende dabei kostengünstig in einem leerstehenden Zimmer bei sich einziehen. Im Gegenzug unterstützen sie die Rentner bei Aufgaben des Alltags und leisten ihnen Gesellschaft. Gerade in Großstädten mit großer Wohnungsnot kann die Mehrgenerationen-WG eine attraktive Alternative zu den oft teuren Single-Wohnungen oder klassischen WG-Zimmern sein.
Großangelegt Wohnprojekte
Mehrgenerationenwohnen lässt sich allerdings auch im großen Maßstab umsetzen. Zum Beispiel in Form von generationsübergreifenden Wohnquartieren. Allein in Nordrhein-Westfalen sind mehr als 200 solcher Wohnprojekte bereits vorhanden oder noch im Bau. Oft handelt es sich bei den Quartieren um genossenschaftliche Wohnformen. Dabei leben Alt und Jung in getrennten Wohnungen innerhalb eines Wohnquartiers zusammen. Wichtig ist eine Durchmischung beim Alter der Bewohnerinnen und Bewohner. Vorgesehen ist eine aktive Hausgemeinschaft: Diese verwaltet sich zum Beispiel in Hausversammlungen sowie Projektgruppen, die gemeinsame Veranstaltungen organisieren. Gemeinschaftsräume wie ein gemeinsam bewirtschafteter Gemüsegarten, Veranstaltungsräume oder Spielplätze fördern das generationsübergreifende Miteinander.
Die Vorteile des Mehrgenerationenwohnens liegen auf der Hand: Jüngere und ältere Bewohner können sich gegenseitig dabei unterstützen, den Alltag zu bewältigen. Ältere Menschen können so länger eigenständig zu Hause wohnen bleiben und sparen im Vergleich zu einer Unterbringung im Pflegeheim Geld. Gleichzeitig vereinsamen sie so nicht. In Wohnquartieren können jüngere Bewohner die Pflege der Älteren außerdem untereinander aufteilen – das entlastet. Gleichzeitig können jüngere Bewohner auf kostenlose Unterstützung bei der Kinderbetreuung zurückgreifen oder wie im Fall der Studierenden-Senioren-WG selbst günstig wohnen.
Allerdings birgt das Mehrgenerationenwohnen auch viel Konfliktpotenzial. Unterschiedliche Bedürfnisse können miteinander kollidieren. So kann beispielsweise der Kindergeburtstag oder die Studentenparty das Bedürfnis nach Ruhe bei den Seniorinnen und Senioren stören. Die räumliche Nähe kann außerdem dem Bedürfnis nach Privatsphäre entgegenstehen.
Daher wollten alle Parteien sich gut überlegen, welche Freiheiten sie bereit sind für die Vorteile des Mehrgenerationenwohnens aufzugeben. Wer sich dafür entscheidet, stellt am besten vorab klare Regeln auf – etwa zu Ruhezeiten oder zu Rechten und Pflichten aller Bewohnerinnen und Bewohner. Auch nicht schaden kann ein dickes Fell, um Kommentare der Gegenpartei zur eigenen Lebensweise an sich abperlen zu lassen.