Wasser ist ein wahrer Verwandlungskünstler: Es kann flüssig, fest oder gasförmig sein. Wenn die Temperatur unter null Grad fällt und Wasser zu Eis erstarrt, wird Energie freigesetzt, die sogenannte Kristallisationswärme – und die hat es in sich: „Beim Wechsel des Aggregatszustands wird dieselbe Energie freigesetzt, die benötigt wird, um einen Liter Wasser von null auf 80 Grad Celsius zu erwärmen“, wissen die Experten des Heiztechnik-Produzenten Viessmann. Heißt: Aus Kälte lässt sich auch Wärme gewinnen.
Diesen Effekt nutzt die sogenannte Eisspeicherheizung. Das ist ein System für die Wärmeerzeugung, das erneuerbare Energiequellen aus der Umgebung nutzt: Erdwärme, Luft und Sonne. Die Eisspeicherheizung besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einem im Erdreich vergrabenen Wassertank und einer Sole-Wasser-Wärmepumpe, die miteinander verbunden werden und im Zusammenspiel Energie bereitstellen. Dadurch wird ein Kreislauf geschaffen, der dazu führt, dass sich das im Tank befindliche Wasser fortlaufend verflüssigt oder erstarrt und bei jedem Aggregatzustandswechsel Wärme produziert.
In den meisten Fällen wird das System noch mit Solar-Luftabsorbern ergänzt, die Wärme aus der Umgebungsluft aufnehmen und sich meist auf dem Dach oder Außenwänden eines Gebäudes befinden. Der Vorteil dieses Dreier-Konstrukts: Dank der zusätzlichen Wärmequelle kann der Eisspeicher kleiner dimensioniert werden, was die Kosten senkt. Das ist allerdings kein Schnäppchen: „Für ein übliches Einfamilienhaus muss mit mindestens 17.000 Euro plus Mehrwertsteuer gerechnet werden“, sagt Wolfgang Rogatty, Sprecher der Viessmann Climate Solutions SE.
Je nach Art und Größe des Gebäudes können sich die Kosten für Eisspeicherheizungssysteme aber auch auf deutlich über 100.000 Euro summieren. Die Größenpalette reicht von zehn Kubikmetern Fassungsvermögen (10.000 Liter) bis in den vierstelligen Kubikmeter-Bereich, weiß Rogatty: „Mit einem Volumen von 1700 Kubikmetern ist der Eis-Energiespeicher in einem Freizeitzentrum in Lindlar bislang der größte in Deutschland.“
Kristalliner Kreislauf
Herzstück einer jeden Eisspeicherheizung ist der im Erdboden vergrabenen Speicherbehälter. Er wird mit Wasser befüllt, das als primäre Energiequelle und Trägermedium dient. Innerhalb dieses Tanks befindet sich ein Spiralsystem aus vielen kleinen Leitungen, durch die eine frostsichere Flüssigkeit namens Sole zirkuliert. Sie dienen als Wärmeübertragungsflächen und beinhalten einen Entzugs- und einen Regenerationswärmetauscher, die den Funktionskreislauf des Wassers ermöglichen – und neben Wärme auch für Kühlung sorgen können. Insofern eignet sich das System für alle Gebäude mit einem hohen Kälte- oder Wärmebedarf, wobei die Palette vom Wohnhaus bis zu kommunalen Objekten reicht.
Nach Anschluss an die Wärmepumpe und die Solar-Luftabsorber kann das Eisspeicher-Heizungssystem in Betrieb genommen werden. Um Heizwärme zu generieren, entzieht die Wärmepumpe dem Wasser über den Entzugswärmetauscher sukzessive seine Energie. Dadurch sinkt die Temperatur und führt dazu, dass das Wasser allmählich gefriert und die Kristallisationsenergie über die Wärmepumpe nutzbar wird – etwa zum Heizen oder für die Warmwasseraufbereitung. Umgekehrt sorgt der Regenerationswärmetauscher dafür, dass dem Wasser Wärme aus dem Erdreich, den Solar-Luftabsorbern und anderen verfügbaren Wärmequellen zugeführt wird, um erstarrtes Wasser wieder aufzutauen und den Prozess des Aggregatzustandswechsels am Laufen zu halten.
Gute Gebäudedämmung ein Muss
Wer sich für eine Eisspeicherheizung interessiert, sollte ein paar Besonderheiten im Blick haben. Da diese nur in Kombination mit einer Wärmepumpe funktioniert, sollte die Immobilie möglichst gut gedämmt sein, um Effizienzverluste zu vermeiden. Zudem muss auf dem Grundstück ausreichend Platz sein, um den Eisspeicher zu vergraben: „Bei einer Zisterne mit 12.000 Litern benötigt man eine Gartenfläche von 16 Quadratmetern“, sagt Christof Lehner, Leiter des Bereichs Entwicklung und Qualitätsmanagement beim österreichischen Heizungshersteller Ecotherm.
Dazu kommt, dass die Eisspeicherheizung in Deutschland noch Exostenstatus hat. Die Zahl der Hersteller ist sehr überschaubar: Das Gros der Produkte stammt von Viessmann oder Ecotherm. In der Konsequenz gibt es auch nur wenige Installationsbetriebe, welche die Systeme richtig auslegen, dimensionieren und einbauen können. Das ist gerade vor dem Hintergrund essenziell, dass Eisspeicher keine Standardlösung sind.
Dass sich der Markt für Privatleute noch in den Kinderschuhen befindet, hängt möglicherweise auch mit den hohen Kosten für Eisspeicherheizungssysteme zusammen. Im gewerblichen Sektor ist man hier bereits deutlich weiter, weiß Rogatty: „Mittlerweile sind allein in Deutschland mehrere tausend Anlagen aller Größenordnungen in Betrieb.“ Vorteile bieten sie einige: Dank des Kristallisationsverfahrens sind sie platzsparend, da das Speichervolumen gegenüber anderen Heizsystemen wie etwa Erdwärmekollektoren um das bis zu Sechsfache reduziert werden kann. Zudem ist für die Installation selbst ist der Regel keine Genehmigung erforderlich und die Inbetriebnahme einer Eisspeicherheizungsanlage unkompliziert und wartungsarm.