Anzeige

Kolumne Die Stunde der Abzocker

Unterkünfte für Flüchtlinge sind rar. Einige Immobilienbesitzer bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit. Von Susanne Osadnik
Notunterkunft für Flüchtlinge
Notunterkunft für Flüchtlinge
© Getty Images
Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen
Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen

Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über den Markt für Immobilien

Jede Krise kennt nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner. Das ist schon immer so gewesen. Seit geraumer Zeit sind es die Immobilienbesitzer in den Metropolregionen und Universitätsstädten, die aufgrund des Zuzugstrends sicher sein können, dass ihre Wohnungen und Zinshäuser ordentliche Renditen erwirtschaften, sofern sie in den angesagten Vierteln liegen. Zumindest war das bislang so. Inzwischen dürfen auch diejenigen hoffen, die nicht nur in Hamburg-Eppendorf oder Köln-Lindenthal eine Immobilie besitzen: Der anhaltende Zustrom von Menschen aus Kriegs- und Konfliktgebieten aus allen Himmelsrichtungen beschert ungeahnte Einnahmenquellen – auch in der Provinz.

So hat ein findiger Unternehmer bereits Anfang des Jahres einen Immobilienkomplex im niedersächsischen Neu Wulmstorf gekauft, um ihn der Gemeinde zur Unterbringung von Asylbewerbern anzubieten. Dabei waren die Gebäude allesamt an Gewerbetreibende vermietet, die nach und nach rausgekündigt wurden. Mit Gewerbe lässt sich halt nicht so viel Geld verdienen wie mit Geflüchteten. Dass ein paar Firmen dicht gemacht haben, weil sie sich andernorts keine Flächen leisten konnten und damit auch Arbeitsplätze vor Ort weggefallen sind, läuft vermutlich unter Kolleteralschaden.

Es blüht der Egozentrismus

Davon wird es demnächst sicher noch mehr geben. Und das nicht nur, weil Städte wie Hamburg und Bremen beschlossen haben, schlimmstenfalls auch Gewerbeflächen zwangsweise zweckentfremden zu dürfen. In Krisenzeiten blüht der Egozentrismus; jeder denkt vor allem daran, wie er selbst am besten durchkommt. Das gilt zurzeit vor allem für die überforderten Kommunen und Gemeinden.

So hat Neu Wulmstorf auch jedwede Kritik an sich abprallen lassen und alles an die nächsthöhere Stelle verwiesen: den Landkreis Harburg. Denn der sei zuständig für die Unterbringung der Neubürger. Und ebender ließ jetzt verlauten: Man werde künftig nur noch informieren, dass es irgendwo eine neue Unterkunft geben werde. Punkt.

Der Ton wir rauer, die Nerven liegen blank. Das ist die Stunde der Abzocker: Denn bis 2020 werden deutschlandweit jedes Jahr 100.000 neue Wohnungen gebraucht, sagt ein aktuelles Studienergebnis; ein anderes veranschlagt den jährlichen Bedarf auf 400.000. Egal, wie die Prognose ausfällt – jetzt werden Unterkünfte benötigt, und so lässt sich mancher Vermieter die Not der Neuankömmlinge hübsch versilbern: Miete wird nicht mehr monatlich berechnet, sondern in Tagessätzen von bis zu 200 Euro. Ein lohnendes Geschäft. Die Ämter zahlen ohne zu murren; die Politiker sind froh, wenn sie die Geflüchteten überhaupt irgendwo unterbringen können – und sei es in einem Container.

Die Branche der Containerhersteller erlebt gerade einen nie gekannten Boom, weil sich Wohncontainer, aber auch Modulbauten hervorragend eignen, um rasch Wohnraum zu schaffen. Die Unternehmen fahren Doppel-, Dreifach- und Wochenendschichten, um die rasante Nachfrage zu befriedigen. Ein Container kostet mindestens 8000 Euro, die Monatsmiete 200 Euro. Alte Container, die zwar noch auf Halde stehen, dürfen hingegen nicht benutzt werden – sie entsprechen nicht der aktuellen Energiesparverordnung. Was man mit den tausenden Containern machen wird, sobald sie nicht mehr gebraucht werden, weiß indes niemand. Dasselbe gilt für die Modulbauten. So viel zum Thema Nachhaltigkeit.

Figure

Aktuelle Immobilienpreise und detaillierte Karten für alle Wohnviertel Deutschlands finden Sie im Capital Immobilien-Kompass:

immobilien-kompass.capital.de

Neueste Artikel