Capital hat mit vier Experten darüber gesprochen, wie Wohnen im Eigenheim bezahlbar bleibt. Das sind die Teilnehmer der Runde:
- Daniel Fluhrer, 44, seit Oktober 2018 Baubürgermeister in Karlsruhe (auf dem Foto links)
- Peter Liehner, 64, Geschäftsführer und Vertriebsleiter bei Weber Haus im badischen Linx (2.v.l.)
- Bernhard Sommer, 53, Vorstandsvorsitzender von Kern-Haus in Ransbach-Baumbach/Westerwald (2.v.r.)
- Tobias Just, 48, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie in Eltville (r.)
Herr Just, in Deutschland gibt es mehr als 12,6 Millionen Einfamilienhäuser – ein historischer Höchststand. Zugleich ist Bauen so teuer wie nie zuvor. Haben wir peak home erreicht – den Punkt, von dem aus es bergab geht?
TOBIAS JUST: Wohl kaum. Die Wohneigentumsquote ist in Deutschland niedrig, die Zahl der Haushalte wächst, und die Einführung des Baukindergelds wird erst in den nächsten Quartalen Früchte tragen. In den Städten wird es allerdings schwieriger, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Studenten, EU-Ausländer, Flüchtlinge – sie alle sorgen für Enge. Viele Familien können sich ein Haus in der Stadt nicht mehr leisten und weichen ins Umland aus.
Herr Liehner, Herr Sommer, spüren Sie diese Art der Stadtflucht auch bei Ihren Kunden?
PETER LIEHNER: Die meisten würden gerne in der unmittelbaren Peripherie der Städte bauen. Wir bauen häufig in ländlichen Regionen, wobei es nicht zu ländlich sein darf. Sonst machen die Banken deutliche Abstriche beim Beleihungswert.
BERNHARD SOMMER: Stimmt, eine A-Lage im Süden von Köln wird von der Bank schneller entschieden als eine C-Lage in der Vulkaneifel.
Was muss man denn ausgeben, wenn man in einem Kern-Haus wohnen möchte?
SOMMER: Ein Familienhaus mit 130 Quadratmetern Wohnfläche liegt bei 259.000 Euro. Vor zehn Jahren hat das noch 159.000 Euro gekostet. Unter anderem eine Folge der besseren Ausstattung und Gebäudehülle.
Wie lange können Sie solche Steigerungen noch durchsetzen?
LIEHNER: Ich bin seit 40 Jahren bei Weber Haus und habe schon vor 20 Jahren gedacht, das wird so nicht weitergehen. Heute glaube ich nicht mehr an so eine Begrenzung. Nicht, solange die Zinsen niedrig bleiben.
DANIEL FLUHRER: Ich frage mich schon, wer das noch zahlen kann, wenn die Konjunktur schwächelt. Dass Immobilien, die man vor zehn Jahren für 300.000 Euro gekauft hat, heute für das Dreifache über den Tisch gehen, empfinde ich als ungesund.
Solche Preissprünge sind ja nicht zuletzt eine Folge des knappen Baulands. Was kostet mich ein Grundstück für ein Einfamilienhaus denn zurzeit in Karlsruhe?
FLUHRER: Sie bekommen wahrscheinlich keins. Die Stadt Karlsruhe bietet aktuell so gut wie nichts an. Wenn wir zukünftig etwas veräußern, hege ich eine große Sympathie für Stadthäuser auf kleinen Grundstücken anstelle von klassischen Einfamilienhäusern. Solche Modelle ermöglichen Wohnen in der Stadt auf eigener Parzelle.
Immer mehr Kommunen überlassen Bauherren Grundstücke in Erbpacht. Ein Modell für Sie?
FLUHRER: Ich halte das angesichts der derzeitigen Zinssätze für nicht zu Ende gedacht. Das Haus gehört einem, das Grundstück nicht. Irgendwann fällt es an die Stadt zurück.
JUST: Also ich finde das Erbpachtmodell durchaus charmant, denn so behalten Städte langfristig einen Zugriff auf knappe Grundstücke. Zudem erlaubt es Haushalten in Städten, bei ihren Bauvorhaben weniger knapp kalkulieren zu müssen. Wir müssen den Umgang damit allerdings erst noch verinnerlichen. Dies gilt vor allem für die Bewertung der Objekte, damit Käufer nicht zu viel bezahlen.
Herr Sommer, helfen Sie Kunden bei der Suche nach dem passenden Grundstück?
SOMMER: Wir nehmen immer öfter größere Brachflächen ins Visier. In Lahnstein bei Koblenz haben wir einen alten Güterbahnhof gekauft, ein städtebauliches Konzept darübergelegt und 106 Baugrundstücke geschaffen. Nach zwei Jahren waren alle Flächen weg – obwohl die Preise viermal erhöht wurden. Viele Kommunen haben selbst keine Kapazitäten, solche Projekte zu entwickeln.
Dass Kommunen sich mit Bauanträgen schwertun, kennt fast jeder Bauherr. Wie lange muss ich in Karlsruhe warten, bis über mein Projekt entschieden ist?
FLUHRER: Drei bis fünf Monate.
Wo liegt es denn im Argen?
FLUHRER: Wir arbeiten in einem überregulierten, hoch komplizierten Rechtssystem. Die Bauherren benötigen eine rechtssichere Entscheidung der Behörde, die ihrerseits mit sich widersprechenden und immer wieder veränderten Inhalten kämpft. Klar ist: Wir müssen mehr aus Sicht des Kunden denken und die Rechtsprozesse vereinfachen.
Warum ist Bauen eigentlich so teuer? Die Produktivitätsfortschritte der Baubranche hinken denen in der Autoindustrie weit hinterher.
JUST: Im verarbeitenden Gewerbe können Sie nun mal viel leichter skalieren. In einem Automobilwerk bauen Sie 100.000 mehr oder weniger identische Fahrzeuge, aber fast jedes Haus ist ein Unikat.
SOMMER: Wir müssen jeden Stein zur Baustelle fahren, den ganzen Beton, jeden Handwerker. Ich komme ursprünglich aus der Automobilbranche, dort herrscht ein ganz anderes Denken. Als ich vor elf Jahren zu Kern-Haus kam, war Prozessoptimierung ein Fremdwort.
Und heute?
SOMMER: Digitalisieren wir in allen Bereichen, auch bei der Auftragsvergabe an Handwerksbetriebe.
LIEHNER: Bei uns verlassen ganze Decken, Dach- und Wandelemente fast fertig unser Werk. Künftig werden wir dort noch mehr Komponenten für die Montage vorbereiten. An der Baustelle sind aber auch wir von der Witterung abhängig.
Würde es nicht helfen, die Häuser stärker zu standardisieren?
FLUHRER: Grundsätzlich ist dies sicher ein Ansatz. Allerdings geht es beim Bauen ja oft um den örtlichen Bezug. Wie würden Städte heute aussehen, wenn es nur eine Handvoll unterschiedlicher Gebäude gäbe? Schrecklich langweilig.
LIEHNER: Bei uns ist der Wandaufbau bei allen Entwürfen schon heute der gleiche. Abstriche bei der Konstruktionstechnik machen wir nicht. Im Gegenteil. Wir bauen besonders gut gedämmte Häuser, die KfW-fördertauglich sind. Unsere Kunden erwarten das von uns.
Das heißt, die Käufer sind selbst schuld, dass sie für ihr Haus so viel zahlen?
LIEHNER: Ich kann Ihnen sagen, was sie für Extras zahlen, obwohl unsere Häuser komplett ausgestattet sind: im Schnitt 8000 bis 10.000 Euro. Die Leute wollen immer noch schönere Armaturen, ein noch schickeres Waschbecken. Viel geht auch in das Thema Smart-Home-Installationen.
SOMMER: Und ins Thema Sicherheit: sichere Fenster, sichere Haustüren. Bei uns liegt der Betrag für Extras sogar zwischen 12.000 und 14.000 Euro. Es geht natürlich auch preiswerter. Wir haben Bau- und Leistungsbeschreibungen entwickelt für Investorenprojekte, bei denen wir soliden Wohnraum schaffen – für 1850 Euro statt 2500 Euro pro Quadratmeter. Da gibt es halt nicht die Luxusarmatur, sondern guten Standard.
In den Aufschwungjahren haben sich die Auftragsbücher der Hausproduzenten gut gefüllt. Doch die konjunkturellen Aussichten verdüstern sich. Müssen sich die Firmen in der Bauwirtschaft und deren Kunden Sorgen machen?
JUST: Noch machen sich vor allem Ökonomen Sorgen – wenn sie in den Ifo-Geschäftsklimaindex oder in die Auftragseingänge gucken. Die meisten Haushalte sehen die Wolken am Horizont noch gar nicht. Zwar ist aktuell weder ein Zinsanstieg noch ein Preisverfall bei Häusern zu befürchten. Schwerer wiegen persönliche Risiken – etwa wenn ein Einkommensbezieher den Job verliert oder die Familie umziehen muss und keinen passenden Käufer oder Mieter für das eigene Haus findet.
LIEHNER: Bewahrheiten sich die Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft, fehlt den Leuten etwas Elementares: Vertrauen. Wenn das nicht da ist, hat der Verkäufer kein Argument. Wir fürchten, dass die Mischung aus exorbitant steigenden Grundstücks- und Baunebenkosten sowie zunehmenden Hauspreisen irgendwann nicht mehr bezahlbar sein könnte. Deshalb forcieren wir seit einiger Zeit den Geschossbau und bauen mittlerweile auch Mehrfamilienhäuser, kleinere Hotels oder Bürogebäude.
Welche Tipps sollten Hauskäufer in so einem Umfeld befolgen?
LIEHNER: Sich möglichst breit informieren, vieles hinterfragen und nur mit Hausanbietern sprechen, bei denen sie das Gefühl haben, es passt.
SOMMER: Die Kosten nicht kleinreden! Wir verlieren 50 bis 100 Aufträge pro Jahr, weil wir ehrlich kalkulieren und kommunizieren – und die Leute zur vermeintlich billigeren Konkurrenz gehen.
FLUHRER: Mal davon abgesehen, dass ich momentan nicht zum Kauf rate, sollte man unbedingt bei der Kommune klären, ob die Erschließungskosten des Grundstücks schon abgerechnet sind. Manchen Käufern bricht der zusätzliche überraschende Aufwand finanziell das Genick.
JUST: Man sollte ehrlich zu sich selbst sein. Eine Ehe kann scheitern, ein ungeplantes Kind kommen, oder man entdeckt plötzlich seine Neigung zur Försterei und will raus aus der Stadt. Es ist immer sinnvoll, einen Puffer einzurechnen – und angesichts der niedrigen Zinsen diese sehr lange festzuschreiben.
Der Beitrag ist in Capital 06/2019 erschienen. Die Ergebnisse des Haus-Kompasses finden Sie hier