Vor kurzem erhielt ich Post von meiner Hausbank. Im Kundenmagazin pries die Bank einen Mischfonds an, der, so die Werbung, „erstklassig und ausgewogen“ sei und sich auch für Anleger eigne, die mit gebremsten Risiko Geld anlegen wollten. Denn das Geld wird über verschiedene Anlageformen wie Aktien, Anleihen und Immobilien gestreut. Ein Investmentexperte lobte ganzseitig den Fonds und die Strategie im Interview, die ganze Rückseite war mit einer Anzeige für das Produkt zugekleistert.
Als Finanzjournalist weckt eine Kampagne wie diese natürlich meine Neugierde. Ich sah mir den Fonds oberflächlich an - und war bass erstaunt. Erstaunt darüber, wie man es schaffen kann, in einem Umfeld sinkender Zinsen (und folglich steigender Anleihenkurse), konstant steigender Aktienkurse und steigender Immobilienpreise mit einem Mischfonds in den letzten drei Jahren lediglich 1,7 Prozent Rendite zu erwirtschaften. Insgesamt wohlgemerkt, nicht pro Jahr. Dabei sind in dem Fonds rund 13 Prozent Aktien enthalten. Seit Auflage 2008 hat der Fonds für Anleger müde 1,4 Prozent pro Jahr erwirtschaftet, obwohl wir seit Anfang 2009 in der besten aller Markt-Welten leben mit steigenden Kursen überall.
Die alles andere als erstklassige, sondern bestenfalls drittklassige Leistung lässt sich das Management nicht mit ausgewogenen, sondern reichlich überzogenen Gebühren honorieren: Im vorletzten Geschäftsjahr betrugen sie rund 2,6 Prozent, im letzten rund 1,9 Prozent vom Fondsvermögen, und natürlich fällt beim Kauf auch ein Ausgabeaufschlag von zwei Prozent an. Und von Gewinnen oberhalb von aktuell 2,25 Prozent pro Jahr behält sich die Gesellschaft zehn Prozent als Performancegebühr ein.
Gute oder schlechte Geldanlage?
Sind Mischfonds – also Investmentfonds, die das Vermögen der Kunden über verschiedene Anlagen wie Aktien und Anleihen streuen - eine gute Geldanlage? Solche unterlegenen Produkte, wie ich sie per Post offeriert bekam, gewiss nicht. Und dennoch ruht die Hoffnung vieler Gesellschaften und Anbieter auf genau solchen Mischfonds, die schon eine Weile auf den Absatzlisten ganz oben thronen. Alleine in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres – neuere Daten liegen noch nicht vor – vereinten Mischfonds gut zwei Drittel aller Nettozuflüsse in Investmentfonds für Privatanleger auf sich. Klar, dass die Anbieter und Berater daher sagen: Ja, Mischfonds sind eine gute Anlage im aktuellen Umfeld.
Viele Fondsanalysten und Kapitalmarktprofis haben mit Mischfonds indes ihre Probleme. Sie glauben: Mit Mischfonds hat man quasi eine Garantie, langfristig schlechter als der Markt abzuschneiden für die gezahlten Gebühren.
Wer hat Recht?
Beleuchten wir zunächst die Argumente der Kritiker: Auf Dauer nach Gebühren als Fondsmanager besser abzuschneiden als der Gesamtmarkt ist schon schwer genug. Mit einem Mischfonds haben die Verwalter weit größere Chancen, für Anleger attraktive Renditen einzufahren. Denn als Renditequelle dient nicht nur die richtige Auswahl der einzelnen Aktien oder Anleihen, sondern auch generell die Frage, ob das Fondsvermögen je nach der Großwetterlage an den Finanzmärkten eher in riskante Aktien oder schwankungsarme Anleihen gesteckt werden soll. Idealerweise umschifft ein Manager Einbrüche und nimmt Erholungen dennoch mit.
Meist schlechter als ein Vergleichsindex
Die Kehrseite: Die Chancen, hohe Renditen sowohl aus der Titelauswahl als auch aus der Verteilung des Vermögens über verschiedene Anlageklassen zu generieren, birgt natürlich auch die Gefahr, doppelt daneben zu liegen. Etwa, indem man zu früh aussteigt, Erholungen verpasst – oder gar unmittelbar vor Einbrüchen ins Risiko geht, die falschen Titel wählt. Versucht ein Fondsmanager etwa, über den rechtzeitigen Ein- und Ausstieg besser abzuschneiden als der Aktienmarkt, benötigt er historisch betrachtet eine Trefferquote von 70 Prozent und nicht von etwa über 50 Prozent, um den Markt zu schlagen. Denn er läuft in der großen Gefahr, einem Aufschwung hinterherzulaufen, wenn er an der Seitenlinie steht.
Dass diese Sorgen berechtigt sind, zeigt eine Studie der Fondsanalysten von Morningstar, die das Abschneiden der Mischfonds mit „tiefgrau bis düster“ beschreiben: Nur jeder 50. Mischfonds ist in der Lage, auf lange Sicht einen einfachen, zu je 50 Prozent aus einem Aktien- und einem Anleihenindex zusammengesetzten Vergleichsindex zu schlagen.
Der naheliegende Schluss: Statt in einen Mischfonds zu investieren, sollten Anleger lieber – basierend auf ihrer Risikoneigung – das Vermögen auf reinrassige Aktien- und Anleihenfonds übertragen, sei es in aktiv verwaltete oder günstige passive Indexfonds, etwa im Mix 80 Prozent Anleihen und 20 Prozent Aktien, wenn man eher risikoavers ist oder im 50-50-Mix, wenn es etwas riskanter sein darf.
Nur keine Verluste!
Viele Anleger interessieren solche Rechnungen aber nicht. Sie können sich mit der Vorstellung gut anfreunden, dass jemand am Steuer ihres Fonds und damit ihres Geldes ist, der die Möglichkeit hat, jederzeit das Risiko zu reduzieren, wenn er es für geboten hält. Und sie sind häufig auch bereit, auf größere Renditechancen zu verzichten, solange der Manager größere Verluste vermeidet. Sie haben einen eigenen Vergleichsindex, den sie nicht täglich verfolgen müssen und auch nicht Stoxx oder Rex heißt wie der Rentenindex, sondern „Null-Prozent-Marke“. Denn Null Prozent Rendite sollten möglichst nie unterschritten werden.
Alles, was darüber hinaus erwirtschaftet wird, ist dann schön und wünschenswert, aber quasi die Kür. Das deckt sich auch mit verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen: Verluste schmerzen weit stärker als Gewinne, also gibt man lieber Renditechancen preis, um bloß Verluste zu vermeiden. Und das deckt sich auch mit den Stars der letzten Dekade: Zu Prominenz haben es hierzulande meist Manager gebracht, wenn sie – wie etwa zur Jahrtausendwende Dr. Jens Ehrhardt oder in der jüngeren Vergangenheit Bert Flossbach, Edouard Carmignac und Luca Pesarini – Verluste für Anleger in Crashs vermieden haben. Und eben nicht, wenn sie durch eine außergewöhnlichen Konstanz im Schlagen des Vergleichsindex aufgefallen sind.
Womit wir beim Grund wären, warum Mischfonds letztlich – allen Unkenrufen zum trotz - auch eine gute Geldanlage sein können: Sie sind es dann, wenn man nicht den über die empirischen Befunde informierten und in der Auswahl eines Investmentfonds erfahrenen Anleger als Maßstab für ein Urteil nimmt. Sondern eben jene wenig informierten Anleger, deren Anteil an langfristig rentablen Anlageprodukten an allen Ersparnissen häufig nahe Null ist. Und das ist, wie Bundesbankdaten zum Geldvermögen und Sparverhalten nahelegen, der Normalfall und nicht die Ausnahme. Mischfonds sind für die Berater solcher Anleger häufig das einzige Vehikel, um den meist risikoscheuen Anlegern überhaupt im aktuellen Umfeld extrem niedriger Zinsen noch eine langfristig einigermaßen rentable Sparform zu verkaufen. Schließlich kommen Aktien und Aktienfonds für das Risikoprofil der meisten Anleger nicht in Frage, erst recht nicht, seit ausgeweitete Dokumentationspflichten und Haftungsrisiken deren Vertrieb nicht eben incentiviert haben bei Beratern.
Enttäuschungen lassen sich vermeiden
Dass man mit Hilfe einer je nach Risikoneigung selbst gewählten Kombination aus günstigen Indexfonds oder historisch überzeugenden Aktien- und Anleihenfonds vermutlich besser fährt als mit einem Mischfonds, hilft wenig erfahrenen Anlegern kaum weiter. Für sie ist das Prinzip Mischfonds, das sich paradoxerweise in der Kernaussage an das Prinzip der von Deutschen einst so geliebten Lebensversicherung anlehnt: Gebt uns das Geld, wir kümmern uns um den ganzen Rest – keine allzu schlechte Lösung. Es bleibt eben eine Frage der Perspektive: Für einen eher trägen Anleger, der sein Geld nur auf einem Sparbuch liegen hat, ist jeder höhere Anteil rentabler Anlageformen auf lange Sicht gut. Für einen informierten Profi gibt es bessere Wege, sein Geld zu mehren.
Wenn nun allerdings einige Anbieter glauben, auch mit teuren, unterlegenen und eilig aufgelegten Mischfonds auf der Welle mitschwimmen zu müssen, nehmen die jüngsten Absatzerfolge mit Mischfonds das böse Ende, das jede Modewelle im Reich der Fonds bislang noch genommen hat.
Wer wirklich die Dienste eines Mischfondsmanagers in Anspruch nehmen soll oder einen von seinem Berater empfohlen bekommt, verhindert mit folgendem Raster Enttäuschungen: Die jährlichen Gebühren sollten 1,5 Prozent nicht überschreiten, eine erfolgsabhängige Gebühr nur anfallen, wenn ein Vergleichsindex geschlagen und nicht etwa nur eine absolute Rendite eingefahren wird. Ferner sollte der Mischfonds bereits eine mindestens fünfjährige Kurshistorie mit ansprechenden Ergebnissen erwirtschaftet haben.
Und: Prüfen Sie den Anteil riskanter Anlageformen im Fonds und ob Sie sich damit wohl fühlen. Denn die vielen guten Aktienjahre spülen natürlich all jene Fonds an die Spitze der Ranglisten, die zuletzt mit einem hohen Aktienanteil unterwegs waren. Über all diese Punkte gibt der „Beipackzettel“ namens „Key Investor Information Document“ sowie das Factsheet des Fonds Auskunft.