Anzeige

Aktien Werden Nebenwerte die großen Gewinner der Regierungskrise?

Nebel über Frankfurt: in welche Richtung geht an den Börsen weiter?
Nebel über Frankfurt: in welche Richtung geht an den Börsen weiter?
© dts Nachrichtenagentur / IMAGO
Jahrelang liefen Nebenwerte dem Dax hinterher. Doch kaum bricht die Ampelkoalition in Berlin auseinander, verzeichnen MDax und SDax einen der größten Tagesgewinne in diesem Jahr

Die Börsen sind mitunter paradox: Kaum bricht die Ampelkoalition in Berlin auseinander, steigen die großen deutschen Leitindizes. Allen voran die der Nebenwerte MDax und SDax. Dabei bedeutet das politische Beben in erster Linie Unsicherheit – was, der Theorie nach, schlecht für die Märkte ist. Warum also stiegen MDax und SDax am Donnerstag in der Spitze um mehr als zwei Prozent? Und: geht es jetzt so weiter – werden Nebenwerte also zum großen Gewinner der Regierungskrise? Capital liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie lief der Donnerstag an den Börsen?

Vor allem die US-Börsen zogen durch die Wahl von Donald Trump an, dessen Politik von den Finanzmärkten positiv wahrgenommen wird. Der marktbreite S&P 500 steht seit Dienstag 5,7 Prozent im Plus, der technologielastige Nasdaq 100 sogar 6,4 Prozent. In Deutschland fiel die Reaktion auf Trumps Sieg zunächst negativ aus, wobei der Dax 1,13 Prozent abgab und auch der MDax (minus 0,86 Prozent) sowie der SDax (minus 1,74 Prozent) deutlich nachgaben. Am Donnerstag, dem Tag nach dem Ampel-Aus drehte der Trend. Zum Tagesende lagen Dax (plus 1,7 Prozent), MDax (plus 0,73 Prozent) und SDax (plus 2,06 Prozent) allesamt deutlich im Plus.

Warum sind die deutschen Indizes am Donnerstag gestiegen?

Analysten blickten am Donnerstag vor allem auf MDax und SDax der mittleren und kleineren Werte, da seine Mitglieder weniger stark global agieren als die Schwergewichte im Dax. Das Dax-Plus ließ sich in großen Teilen durch die globalen Zugewinne erklären. Bei MDax und SDax galt das weniger. 

Die Gründe für das Plus waren aber so einfach wie kompliziert: „Mit dem Ampel-Aus verbindet sich nach Jahren der Stagnation in Deutschland Hoffnung auf eine Wirtschaftspolitik, die die Konjunktur in Gang bringt und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder verbessert“, sagte Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust Capital. 

Kurzfristig sei das Plus also zu erklären. Intuitiv sei es deshalb aber noch lange nicht. Denn, so sagt Daniel Hartmann vom Vermögensverwalter Bantleon: „In Deutschland bahnt sich ein langes Machtvakuum an. Dabei wären Maßnahmen für bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen dringend erforderlich.“ Mit anderen Worten: Im Plus steckt extrem viel Fantasie auf eine bessere Zukunft. Wenn sich diese Hoffnung nicht materialisiert, könnte es schnell in die andere Richtung gehen.

Wer waren die Gewinner und Verlierer?

Zu den größten Tagesgewinnern zählten die IT-Unternehmen Adtran (plus 16,8 Prozent), Adesso (plus 7,7 Prozent), das Pharmaunternehmen Evotec (plus 9,2 Prozent) und der Motorenhersteller Deutz (plus 7,6 Prozent). Adtran und Deutz gaben einen Teil der Gewinne am Freitagmorgen aber schon wieder ab. Grundsätzlich ließ sich kein eindeutiges Bild gewinnen, wer zu den Gewinnern und Verlierern einer neuen Regierung gehören könnte. Auch die Verliererseite war mit Eventanbieter Eventim (minus 8,22 Prozent), Spezialchemiehersteller Lanxess (minus 4,33 Prozent) und Halbleiterproduzent Suss Microtec (minus 4,08 Prozent) breit aufgestellt. 

Viele Analysten lösen deshalb bereits den Blick von dieser Woche. Diese sei zu volatil und historisch gewesen, um daraus reale Trends abzuleiten. Generell, so sagt HQ Trust-Ökonom Michael Heise zu Capital, habe sich für deutsche Nebenwerte wenig geändert. „Branchen, die mit der Verbesserung der Ressourceneffizienz und der digitalen Transformation zu tun haben, werden gute Wachstumschancen haben, sowohl im verarbeitenden Gewerbe wie in Dienstleistungssektoren.“

Wie geht es weiter?

Das makroökonomische Umfeld für die deutsche Wirtschaft bleibt schwierig. Auch wenn deutsche Nebenwerte weniger global agieren als Dax-Konzerne, würden auch sie mittelbar von möglichen Importzöllen der USA betroffen sein. Und zwar in doppelter Weise: Zum einen, weil viele kleinere Unternehmen Zulieferer für große Konzerne wie Volkswagen und Mercedes sind – die wohl besonders von Zöllen bedroht sind. Zum anderen, weil sie zwar ihre Produkte in die USA exportieren, aber keine Möglichkeiten haben, ihre Produktion dorthin zu verlagern.

Sören Hettler von der DZ Bank sieht europäische Nebenwerte daher in einer schwierigen Situation. „Größe ist aufgrund der meist damit einhergehenden Preissetzungsmacht und Flexibilität in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Das gilt nicht nur für deutsche Unternehmen. Für SDax und MDax wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, inwieweit die deutsche und die europäische Konjunktur wieder besser in Schwung kommen“, sagt Hettler zu Capital.

Die jahrelange Underperformance deutscher Nebenwerte gegenüber dem breiten Markt sei insofern auch kein Zufall, wenn das Wachstum schwächelt. Die Grundregel lautet: Wächst der Markt, performen Nebenwerte die großen Konzerne aus. Denn mit höherem Risiko geht auch höhere Rendite einher. Solange aber die deutsche und die europäische Wirtschaft schwächeln, haben es auch kleinere Werte schwer. Insofern sei gerade Deutschland aktuell nur bedingt investierbar, meint Gerd Kommer, Gründer der gleichnamigen Investmentgesellschaft. Wer mehr als fünf Prozent seines Geldes in deutschen Aktien anlege sei gar „masochistisch“ veranlagt, meint Kommer. 

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel