Die Europäische Zentralbank lässt ihr Anleihenaufkaufprogramm zum Jahresende auslaufen. Zudem hat Sie einen konkreten Termin genannt, zu dem sie sich wieder Zinserhöhungen vorstellen kann: Und zwar ab Spätsommer 2019, vorbehaltlich allerdings einer weiter stabilen konjunkturellen Entwicklung und Inflationsentwicklung. Das sind die wesentlichen Ergebnisse der Ratssitzung von Donnerstag.
Lassen wir einmal die geldpolitischen Feinheiten beiseite und fragen uns, was die Entscheidung für Sparer, Immobilieninteressierte und nicht zuletzt Wertpapierinvestoren bedeutet.
Darf ich Sie aus Anlass des vor gut drei Jahren begonnenen und nun bald endenden Kaufprogramms zu einem kleinen Gedankenexperiment einladen? Was glauben Sie, welche Gesamtrendite inklusive Dividenden haben Anleger in den vergangenen drei Jahren mit europäischen Aktien im Schnitt verdient pro Jahr? Und wie viel mit Staatsanleihen und Unternehmensanleihen der Eurozone inklusive Zinsen?
Die Antwort ist: Mit europäischen Aktien war im Schnitt 1,4 Prozent pro Jahr zu holen, mit Staatsanleihen der Eurozone 1,7 Prozent pro Jahr, mit Unternehmensanleihen knapp zwei Prozent. Das ist nicht gerade viel. Sondern eher wenig gemessen an der Tatsache, dass die Wirtschaft der Eurozone wächst, die Konjunkturindikatoren immer noch recht freundlich sind, es bislang weder geopolitische Verwerfungen noch Handelskriege gegeben hat. Vor allem aber ist es erschreckend wenig angesichts der Tatsache, dass die EZB Anleihen im Volumen von über 2000 Mrd. Euro aufgekauft hat.
Sparer müssen weiter auf höhere Zinsen warten
Es legt umgekehrt den Schluss nahe, dass europäische Aktien ihre beste Zeit in Sachen Rendite vermutlich bereits hinter sich haben. Denn wenn schon die Fülle guter Nachrichten (und die Abwesenheit echter Krisen, Rezessionen und mehr) den Aktienmärkten kaum Rückenwind verleihen kann, was denn dann? Das ist zwar kein Grund, Aktien zu verkaufen, aber ganz sicher einer, die Renditeerwartungen zu senken und sich auch auf ein oder zwei schlechte Börsenjahre einzustellen.
Zwar ist das Ende der Aufkäufe weder abrupt noch überraschend und die EZB wird die Tilgungen weiter in Aufkäufe investieren. Ihre Geldpolitik bleibt lax. Die Zeit enormer Überschussliquidität neigt sich aber dem Ende zu. Worauf man sich mindestens einigen kann: Dass die Anleihenaufkäufe Aktien sicher nicht geschadet haben, mit den möglichen positiven Effekten künftig aber nicht mehr zu rechnen ist.
Dürfen sich dann Sparer wenigstens auf bald wieder höhere Guthabenzinsen freuen? Vermutlich auch das nicht. Zwar wird die Rolle der Zinsen für Sparquote und Anlageverhalten eher überschätzt. Aber der Pfad kurzfristiger Zinserhöhungen ist lang. Frühestens Mitte 2020, also in zwei Jahren, dürfte der Zins für Einlagen der Banken bei der EZB den negativen Bereich verlassen. Das geht aus den aktuellen Prognosen der professionellen Anleihenhändler hervor, in der solche Erwartungen gehandelt werden. Bis – möglicherweise, denn sicher ist eine Kette von Zinsanhebungen nicht - höhere Zinsen wieder an Bankkunden weitergegeben werden, dürfte es noch etwas länger dauern.
Gute Zeiten für Immobilienkäufer
Vorteilhaft ist die aktuelle Lage am Zinsmarkt für all jene, die über einen Immobilienkauf nachdenken, aber Angst vor steigenden Zinsen haben. Vordergründig fällt mit der EZB zwar ein wichtiger Käufer von Bundesanleihen weg. Das lässt theoretisch Raum für steigende Renditen, die auch relevant für die Höhe der Zinsen für neue Immobilienkredite sind.
Aber Sorgen vor deutlich höheren Zinsen müssen Kreditnehmer und Immobilienbesitzer nicht haben. Das liegt zum einen daran, dass die relative Attraktivität von Bundesanleihen immer dann steigt, wenn es in der Eurozone knirscht – so wie zuletzt. Dann kaufen Anleger alles, was Sicherheit verspricht, selbst zu sehr niedrigen Renditen.
Wichtiger ist aber eine Konstellation, die etwas technisch klingt, aber für den Zinsmarkt von großer Bedeutung ist: Aktuell driften die Renditen in den USA und in der Eurozone immer weiter auseinander: In den USA klettern vor allem die kurzfristigen Zinsen immer höher – eine Folge des Konjunkturbooms, der Fiskalimpulse und der starken Beschäftigungslage, auf die die US-Notenbank mit Zinserhöhungen reagieren muss. Für zweijährige US-Staatsanleihen gibt es wieder 2,6 Prozent Rendite, die Rendite zweijähriger Bundesanleihen ist hingegen negativ.
Diese Zinsdifferenz ist entscheidend für die Kosten einer Währungsabsicherung, die viele Anleihenkäufer eingehen, wenn sie Staatsanleihen außerhalb ihres Währungsmarkts kaufen. Schließlich genügt ihnen schon das Zinsänderungs- und Ausfallrisiko und wollen sie sich nicht mit Währungsschwankungen auseinandersetzen, bei denen schon die Turbulenzen eines Tages den Zinsertrag eines ganzen Jahres ausradieren können.
Steigende Zinsen sind gut für Investoren außerhalb der Eurozone
Aktuell kostet eine Währungssicherung allerdings nichts, wenn etwa ein Investor aus dem US-Dollar-Raum in eine Euro-Anleihe investiert. Sie bringt einen zusätzlichen Ertrag zwischen zwei und zweieinhalb Prozent pro Jahr. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben, denn dieser Ertrag entsteht immer dann, wenn die kurzfristigen US-Zinsen deutlich über denen der Eurozone liegen, also genau die aktuelle Konstellation. Und an der dürfte sich so rasch nichts ändern, da die USA inmitten eines Zinserhöhungszyklus sind und die EZB die Zinsen nur sehr vorsichtig anheben dürfte.
Addiert man die Erträge aus der Währungssicherung zu den Zinserträgen, ist es für einen Investor aus dem US-Dollar-Raum daher lukrativer, Euro-Staatsanleihen zu kaufen und sie gegen Währungsschwankungen abzusichern, als in heimische US-Dollar-Anleihen zu investieren, obwohl diese nominal deutlich höhere Zinsen zahlen.
Das deckelt gewissermaßen die Renditen, auch wenn die Europäische Zentralbank bald ihre Aufkäufe einstellt: Ziehen die Zinsen an, ist das für Investoren außerhalb der Eurozone eine interessante Kaufgelegenheit – und hilft nebenbei auch, die Eurokrise einzudämmen. Addiert man schließlich die Rendite italienischer Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit und die Erträge aus der Währungssicherung, bringen diese Anleihen aktuell über fünf Prozent Rendite. Glücklich also, wer aktuell mit dem US-Dollar auf Einkaufstour gehen kann am Kapitalmarkt.