Es ist diese eine Frage, die mich jedes Mal aufs Neue kurz sprachlos macht, wenn ich beispielsweise auf Partys oder Geburtstagsfeiern von Freunden neue Menschen treffe und sage, was ich beruflich mache. Es ist die meist mit leiser Stimme formulierte Frage: „Und, hast du einen Tipp für mich, wo ich mein Geld anlegen kann?“ Als ob es einen geheimen Code bei der Geldanlage gäbe – und damit verbunden — eine Abkürzung zum Reichtum. Fast immer sind es Männer, seltener Frauen, die mich das fragen.
Ich weiß nicht, woher das kommt, dieser Glaube, dass wir nur im richtigen Moment unser erarbeitetes Geld in irgendwas investieren und wie von Zauberhand hohe Erträge — bei freilich geringen Verlustrisiken — auf unser Konto gespült werden. Einfach so, wie Regen, der sintflutartig aus den Wolken fällt und Straßen samt Gehwege mit Wasser berauscht. Mich irritiert das.
Wenn wir Waschmaschinen, Autos oder andere größere, teure Konsumgüter anschaffen, wälzen wie Testberichte hoch und runter, lesen quer durchs Internet auf der Suche nach Erfahrungswerten, vergleichen, überlegen, reden mit anderen darüber — und kaufen dann (meist) gut informiert. Beim Thema „Geld investieren“ aber sollen Tipps reichen? Bei Entscheidungen, die für Jahrzehnte getroffen werden?
Statt Lesestoff und Recherche lieber Gordon Gekko
Ich vermute hinter diesem Gedanken, ein Tipp könne schnell reich machen, den Gekko-Moment. So nenne ich das. Gordon Gekko kennen Sie. Der skrupellose Investmentbanker aus dem Film „Wall Street. Money never sleeps“ von 2010, dem Michael Douglas sein Gesicht gab und der die Gier zum Arbeitsprinzip erhob — und zockte. Gekko spekuliert und betreibt Insiderhandel. Er legt Geld nicht an, investiert nicht mit langfristigen Strategien. Er setzt auf kurzfristige Kursunterschiede.
Gekko ist ein Spekulant. Kein Geldanleger. Ein Missverständnis also, diese Frage nach dem Anlagetipp? Ein Missverständnis aus einer anderen Zeit.
Gedanke aus der Zeit der Finanzgurus
Der Gedanke der Anlagetipps für das schnelle Geld kommen aus einer Zeit, in der Finanzenwissen noch Guru-Wissen war, von selbsternannten Experten, prägenden Filmfiguren oder realen Spekulanten, die ihr rücksichtsloses Verhalten hinter schillerndem Wohlstand und Fachvokabular verbargen. Es gibt kein Geheimwissen, keinen Geheimtipp, mit dem viel Geld zu machen ist. So genannte „Geheimtipps“ sind eher der sichere Weg in ein persönliches, finanzielles Desaster.
Wer mir die Frage nach Anlagetipps stellt, ahnt nicht, was er oder sie mir damit über sich verrät. Auch deshalb verschlägt es mir oft kurz die Sprache, weil ich überlege, wo ich anfangen soll, um meinem Gegenüber eine Idee zu geben, sich motiviert selbst die Antwort zu erarbeiten, wie er oder sie ihr Geld klug investieren kann. Und was der Unterschied zwischen Spekulation nach Gekko-Art und Geldanlage ist. Gekko geht für seine Gier ins Gefängnis.
Persönliche Anlageerfahrungen statt Anlagetipps
Wir brauchen hier einen Mentalitätswandel. Über Geld reden ist elementar. Mehr davon. Fragen Sie aber nicht nach Anlagetipps, wenn Sie Vermögen aufbauen möchten. Sonst landen sie beim Spekulieren. Widerstehen Sie dem Impuls. Fragen Sie lieber nach Anlageerfahrungen, wie er oder sie ihr Geld investieren, in welche Anlageklassen. Fragen Sie nach den Zielen der Geldanlage, und welche Gedanken sich das Gegenüber dazu vorher gemacht hat und wie das notwendige Wissen aufgebaut wurde. Das bietet richtig viel Erkenntnisstoff und es entwickeln sich unterhaltsame Gespräche.
Weil wir beim Reden über Geld viel über uns preisgeben. Das liefert Anhaltspunkte, das Gespräch zu vertiefen. Über Geld, Anlagestrategien, Risiko, die eigene Haltung zum Geld. Wenn Sie hier neugierig und offen sind, am besten schon mit einer guten Portion Finanzwissen ausgestattet, können Sie viel für sich aus solchen Gesprächen mitnehmen. Und womöglich steht Ihnen Ihr neuer Geld-Buddy gegenüber, eine Geldfreundin, ein Geldfreund, mit der Sie sich künftig über Geld und Investieren austauschen können. Und über das Leben.