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Geldanlage Unterschätzte Schwellenländer

Viele Anleger haben sich aus den Schwellenländern zurückgezogen. Gerade jetzt aber sind diese Länder interessant. Von Nadine Oberhuber

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Immer wenn es besonders schwierig wird, aber niemand das zugeben mag, sprechen alle gern von „Herausforderungen“. Es ist das Wort, das im Grunde nur eines bedeutet: Es gibt hier ein Problem. Entweder ist es bereits aufgetaucht, zumindest wird es in naher Zukunft erwartet. Weil aber Problem immer so klingt als laufe irgendetwas gehörig schief oder als habe hier jemand die Lage nicht im Griff, benutzen Manager, insbesondere Fondsmanager stattdessen lieber das Wort Herausforderung. Klingt gleich viel besser. Neuerdings sehen Fondsmanager eine große Herausforderung in den Schwellenländern.

Die nämlich waren vor einer ganzen Weile noch die hoch gelobten Stars der Investmentszene, laufen aber schon seit geraumer Zeit nicht mehr gut. Wer in den vergangenen neun Jahren einen breit gestreuten Schwellenländerfonds im Depot hatte, oder auch nur für ein Jahr, für drei Jahre oder fünf Jahre, der verzeichnet damit momentan nur eines: Verluste. Von 2006 bis 2007 erlebte der MSCI Emerging Markets Index einen wahren Höhenflug und schoss von rund 600 auf 1290 Punkte. Man konnte also sein Geld damit in nur einem Jahr mehr als verdoppeln. Im Herbst 2007 aber hat es den Index zerlegt, er donnerte im Zuge der Finanzkrise bis auf 450 Punkte hinunter.

Zwar wiederholte sich der rasante Aufstieg noch einmal: Von März 2009 bis April 2011 verdreifachte sich der Index fast, von 450 auf erneut über 1200 Punkte. Aber seitdem ist wirklich nicht mehr viel mit ihm los. Er pendelt seitwärts zwischen 900 und 1100 Punkten dahin. Und das nun seit immerhin drei Jahren. Besonders Langfristanleger erlebten also zwei rasende Aufschwünge, Abstürze und seitdem eine große Enttäuschung.

Wann kriegt China die Kurve?

Viele Pessimisten haben sich deshalb zuletzt aus Schwellenländerinvestments zurückgezogen. Kein Wunder, denn die Aussichten klingen ja auch nicht gerade gut: China, die Wirtschaft die so wichtig ist für viele andere aufstrebende Länder, wächst nicht mehr so stark, wie noch vor wenigen Jahren, klagen die Analysten. Der Welthandel legt insgesamt auch viel langsamer zu und mit ihm das Sozialprodukt vieler aufstrebender Staaten. Ihre Währungen werten ab. Dazu kommen eine Reihe von geopolitischen Risiken sowie die Angst vor einer Zinserhöhung der US-Notenbank. Die könnte, wenn sie nicht gefühlvoll genug geschieht, in einigen weniger stabilen Staaten das Wachstum vollends abwürgen und sie sogar zum Straucheln bringen. Manche Fondsmanager, die Milliardensummen bewegen, meinen sogar: „Wenn sie kommt, knallt´s früher oder später irgendwo.“

Soweit so wahr. Probleme haben die Schwellenländer also tatsächlich und das darf man auch ruhig so nennen. Denn niemand weiß zurzeit, wie sich die Lage in China entwickeln wird und ob das hohe Wachstumstempo dort nun vorbei ist. Und es besteht tatsächlich die Gefahr, dass schon in naher Zukunft das Wachstum in einigen Ländern nicht mehr ausreicht, um den gigantischen Schuldenüberhang auszugleichen, den manche Staaten angehäuft haben. Das könnte üble Folgen haben.

Man kann das Problem aber auch so benennen: China schwächelt zwar zurzeit, aber es wird vermutlich nicht vollends zu Boden gehen. Dafür ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt inzwischen zu stark, das sagen ebenfalls etliche Ökonomen. Allerdings weiß auch niemand, wann die Schwächephase vorbei sein wird. Übrigens erlebt China aber mitnichten derzeit das niedrigste jemals dagewesene Wachstum – anders als viele Kommentatoren suggerieren. In den Jahren 1997 bis 2000 lagen seine Wachstumsraten ähnlich tief, zwischen sieben und acht Prozent. Danach schwang sich die Volksrepublik wieder in zweistellige Höhen auf.

Nach der Überhitzung folgt die Abkühlung

Außerdem haben die Schwellenländer in jüngster Zeit einiges getan, um ihre Märkte für ausländische unternehmen und Investoren interessanter zu machen, attestiert ihnen eine aktuelle Studie der Weltbank. Inwiefern ihnen das tatsächlich neue Industrien und Wachstums ins Land spülen wird, bleibt abzuwarten. Aber es ist ein Hoffnungsschimmer. Und nach der vorherigen Überhitzung vieler Emerging-Markets-Ökonomien ist die derzeitige Abkühlung eigentlich völlig normal, findet Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen.

Ein anderer Indikator lässt ebenfalls aufhorchen: Normalerweise heißt es bei börsennotierten Unternehmen, dass ihre Aktien dann fair bewertet sind, wenn die Marktkapitalisierung ihrer Ertragskraft entspricht. Für die Schwellenländer gilt laut Sutor Bank jedoch gerade Folgendes: Sie tragen zusammen 36 Prozent zur Weltwirtschaftsleistung bei. Doch gemessen an ihren Börsenindizes kommen sie bloß auf eine Marktkapitalisierung von 11,7 Prozent. Das heißt, sie sind viel zu günstig bewertet.

Aus all dem folgt für manche Marktteilnehmer nun eines: Schwellenländer sind derzeit zu billig zu haben, um sie zu als Investment ignorieren. Denn es wird ja wohl kaum jemand davon ausgehen, dass sämtliche anderen Länder der Welt – außer den Industriestaaten – sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nicht mehr weiterentwickeln werden, oder? Eben. Wer jetzt einsteigt, zum Beispiel mit einem ETF auf den MSCI Emerging Markets Index, wo der Kurs knapp oberhalb der 800er-Marke notiert, der hat die besten Chancen, kräftig zu profitieren, wenn es demnächst wieder irgendwann bergauf mit dem Index geht.

iShares MSCI Emerging Markets UCITS ETF (Dist) Fonds

iShares MSCI Emerging Markets UCITS ETF (Dist) Fonds Chart
Kursanbieter: L&S RT

Gut, das kann dauern. Und vielleicht wird der Index noch einen kleinen Dämpfer bekommen. Aber auch das wäre kein großes Problem. Denn sieht man sich über sehr lange Zeit seit Ende der 80er Jahre die Entwicklung der Schwellenländer an, also seit knapp 30 Jahren, dann hat es immer wieder Phasen mit extremen Ausschlägen gegeben. Genau wie Zeiträume, in denen der Index zehn Jahre lang bloß seitlich pendelte wie von 1994 bis 2004. Letztlich aber hat sich der Index seit 1988 von 109 auf über 850 Punkte etwa verachtfacht. Aus 10.000 Euro wären in dieser Zeit 85.000 Euro geworden. Das entspricht einer Jahresrendite von 27 Prozent. Das muss erst einmal eine andere Anlageform nachmachen. Das wäre mal eine echte Herausforderung.

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