Christian Vollmuth ist Geschäftsführer und Leiter der Geschäftsstelle Berlin des Deutschen Derivate Verbands DDV
Herr Vollmuth, die Finanzaufsicht Bafin will den Vertrieb von Bonitätsanleihen an Privatanleger verbieten. Woran stört sich die Bafin?
Dem Entwurf der Allgemeinverfügung zufolge stört sich die Bafin an vermeintlichen Interessenkonflikten bei den Emittenten sowie daran, dass die Kreditrisiken für die Anleger schwer einzuschätzen seien. Ferner hält sie die Produktbezeichnung für irreführend.
Wie stehen Sie zu den Vorwürfen?
Die beabsichtigte Allgemeinverfügung wäre in der vorliegenden Form unseres Erachtens klar rechtswidrig. Weder sind die Voraussetzungen der zugrundeliegenden Rechtsnorm erfüllt, noch ist das Vorgehen der Bafin verhältnismäßig. Hier wird ohne hinreichende tatsächliche Grundlage und zudem mit Kanonen auf Spatzen „geschossen“.
Nun sind Bonitätsanleihen ja nicht erst seit gestern am Markt. Warum kommt dieser Vorstoß jetzt?
Die Bafin hat zwar Anfang des Jahres im Rahmen einer thematischen Arbeit den Markt für Bonitätsanleihen untersucht, jedoch wurden keine Untersuchungsergebnisse veröffentlicht, die irgendwelche Missstände offenbart hätten. Weder haben die Anleger im Untersuchungszeitraum 2015 mit diesem Finanzprodukt aufgrund eines Kreditereignisses Geld verloren, noch hatten unsere Mitglieder bei der Strukturierung dieser Produkte Kreditrisiken aus deren eigenen Beständen berücksichtigt. Damit bestehen auch die von der Bafin in den Raum gestellten angeblichen Interessenkonflikte nicht. Umso mehr waren wir verwundert, dass die Bafin nunmehr einen solch drastischen Schritt angekündigt hat.
Eine Umbenennung der Produkte ist denkbar
Die Bafin stößt sich auch an dem Begriff Bonitätsanleihen, da es in ihren Augen keine Anleihen seien. Nur das träfe auf Aktienanleihen genauso zu. Droht hier weiteres Ungemach?
Wir haben momentan keinen Grund zur Sorge vor weiteren Verboten, da die Zertifikatebranche im Gegensatz zu vielen anderen Anbietern von Finanzprodukten in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht hat. Die Bafin hat in der Pressemitteilung zum geplanten Verbot auch darauf verwiesen, dass „der Zertifikatemarkt bei uns in Deutschland einen hohen Stellenwert hat“. Im Übrigen stört sich die Bafin unseres Erachtens mehr an dem Wort „Bonität“ als an dem Wort „Anleihe“. Einige Emittenten verwenden bereits andere Produktbezeichnungen. Sicherlich ist auch eine Umbenennung unserer DDV-Produktkategorie denkbar, wenn damit aus Sicht der Bafin mehr Transparenz erreicht wird.
Setzt sich die Bafin mit ihrem Verbotsabsichten durch, so wäre dies das erste Mal, dass die Finanzbehörde ein Produkt für Privatanleger verbietet. Was halten Sie generell von solchen Verboten?
Ein Verbot kann unter bestimmten, strengen Voraussetzungen in Betracht kommen – letztlich soll es dazu dienen, die schwarzen Schafe aus dem Markt zu nehmen. Der Gesetzgeber hat für Produktinterventionen aber sehr hohe tatbestandliche Hürden vorgesehen. Zudem darf ein Verbot aus Gründen der Verhältnismäßigkeit immer nur das letzte mögliche Mittel sein. Aus unserer Sicht hat die Bafin zum Beispiel bei der Begründung der Allgemeinverfügung eine Vielzahl von tauglichen milderen Mitteln nicht in Betracht gezogen. Es wäre daher wünschenswert, wenn sich die Aufsichtsbehörden künftig in erster Linie Produkten oder Anbietern widmen könnten, bei denen bei Auflage des Finanzprodukts bereits klar ist, dass der Anleger „über den Tisch gezogen wird“. Fälle in der Vergangenheit hat es hier ja genug gegeben.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst muss man sehen, dass wir uns gegenwärtig erst im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren befinden, also im Vorfeld der aufsichtsrechtlichen Maßnahme. Die Allgemein-verfügung wurde von Seiten der Bafin noch nicht erlassen. Natürlich werden wir mit der Bafin in einen intensiven Dialog gehen, um uns gegen ein Verbot zu wehren. Sollte es tatsächlich zum Erlass der Allgemeinverfügung in der vorliegenden Fassung kommen, werden wir unseren Mitgliedern jedoch nahelegen müssen, das Vorgehen der Bafin verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen. Eine derartige Eskalation würden wir aber bedauern.