Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Man muss sich derzeit schon etwas einfallen lassen, um überhaupt noch irgendwie Zinsen einzustreichen. Denn mit sicheren Bundesanleihen geht das schon längst nicht mehr, sie rentieren mittlerweile sogar schon im negativen Bereich. Das heißt, Anleger müssen Geld mitbringen, um dem Staat noch Geld zu leihen. Unternehmensanleihen bringen ebenfalls kaum noch Erträge. Und das Tagesgeld wirft ohnehin nur diese jämmerlichen Zinsen ab, bei denen eine Null vorm Komma steht. Das Schöne ist aber, dass der Finanzindustrie bisher noch immer etwas eingefallen ist, um selbst in solchen Situationen noch interessante Produkte für Anleger anzubieten, auch diesmal natürlich. Und genau hier wird´s gefährlich!
Denn einen Zusammenhang kennt fast jeder Anleger, und wer ihn noch nicht kennt, sollte ihn jetzt schleunigst kennenlernen: Je höher die Renditen sind, die ein Produkt abwirft – oder abzuwerfen verspricht, desto höher muss auch das Risiko sein, das dahintersteckt. Erst recht, wenn die Renditen im aktuellen Umfeld weit über dem Marktzins liegen – und der Marktzins beträgt zurzeit nicht einmal mehr ein Prozent, warnen Finanzberater. Alles über einem Prozent Zinsversprechen gilt also momentan bereits als spekulative Anlage. Es ist schließlich schlicht und ergreifend so, dass „sichere Zinsen“, wie das früher einmal hieß, nicht mehr zu erzielen sind. Es gibt keine Anlageform mehr, die ordentlichen Zins abwirft und bei der Investoren dennoch ruhig schlafen können. Okay?
Was es stattdessen gibt, sind Finanzprodukte, die zwar noch gute Renditen abwerfen, deren Kurse dafür aber heftig auf und ab schwanken, wie zum Beispiel Aktien. Die kann und sollte man natürlich trotzdem kaufen, aber man muss eben gute Nerven dafür mitbringen. Oder es gibt Papiere, die zwar nach sicheren Papieren klingen und mit hohen Zinsen locken, viele Formen von Unternehmensanleihen etwa, aber die in Wirklichkeit sehr viel gewagter sind als mancher denkt. Letzteres ist genau der Grund, weswegen jetzt die Finanzaufsicht BaFin den Bereich der Bonitätsanleihen unter die Lupe nimmt und erwägt, sie zu verbieten. Und wenn die zurückhaltende BaFin schon von so etwas spricht, dann sollte man das ernst nehmen.
„Alternative zu klassischen Anleihen“
Bonitätsanleihen, das ist doch eigentlich ein schönes Wort. Und es klingt nach zahlungskräftigen Schuldnern, die dahinterstehen. Unternehmen mit guter Bonität eben. Dementsprechend gut werden solche Papiere zurzeit verkauft, ihr Marktanteil wächst, beobachtet der Derivatverband, rund 6,3 Mrd. Euro sollen bereits in solchen Produkten stecken. Das ist mehr als die Hälfte dessen, was weltweit an solchen Produkten im Umlauf ist.
Kein Wunder, denn wenn Marketingstrategen diese Papiere beschreiben, dann klingt alles verlockend: Solche Papiere seien eine „Alternative zu klassischen Anleihen“ und hinter ihnen stecke „eine einfache Idee“. Sie seien rechtlich gesehen Schuldverschreibungen, mit langen oder mittleren Laufzeiten und funktionierten wie Anleihen. Der Anleger hat dabei grundsätzlich Anspruch auf eine jährliche Zinszahlung und auf 100-prozentige Rückzahlung seines Kapitals. Die Verzinsung sei dabei entweder über die Laufzeit fix oder klettere stufenweise in die Höhe. Dabei böten die Bonitätsanleihen aber eine insgesamt höhere Rendite als andere Anleihen. Das klingt doch alles prima. Ist es aber nicht.
Denn der grundsätzliche Anspruch auf die Zinsen und die Rückzahlung besteht zwar, aber wenn man so will, nur auf dem Papier. Dort steht nämlich auch, was es mit der Bonität im Namen dieser Anleihen wirklich auf sich hat: Die Zinsen und die Rückzahlung des Geldes fließen nämlich nur dann, wenn alle Beteiligten in der Kette auch höchst zahlungskräftig bleiben. Denn Bonitätsanleihen sind in Wirklichkeit überhaupt keine Anleihen, sondern Zertifikate, die von Banken ausgegeben werden und die zusätzlich an die Zahlungskraft eines Schuldners (also Unternehmens) gekoppelt sind. Erstens aber kann der Herausgeber der Papiere pleite gehen – oder finanziell schlechter dastehen – im Finanzjargon heißt er der Emittent, also die Bank.
wenig Rendite für sehr viel Risiko
Zweitens richten sich Zinsen und Rückzahlung nach der Bonität des „Referenzschuldners“, also nach dem Unternehmen, das hinter den Papieren steht. Verschlechtert sich dessen Bonität durch „Kreditereignisse“, wie Finanzleute gern sagen, also durch eine Insolvenz, durch Restrukturierungen oder durch andere finanzielle Schwierigkeiten, dann schlägt das sofort auf den Anleger durch. Dann nämlich werden sofort sämtliche Zinszahlungen an den Verbraucher gestoppt. Außerdem gilt das Schuldverhältnis dann vorzeitig als beendet, unabhängig davon, wie lange die Anleihe eigentlich noch laufen sollte. Es kommt aber noch schlimmer: Das eingelegte Kapital wird dann sofort zurückgezahlt, aber nicht zu 100 Prozent, sondern nur zu dem Wert, den die Anleihe dann noch hat. Das dürfte in aller Regel dann noch ziemlich wenig sein. Wenn es nicht sogar einen Totalverlust bedeuten kann.
Und, klingen diese Papiere jetzt immer noch verlockend? Manche Anleger sagen vielleicht noch unverdrossen „ja“. Sie sollten sich aber spätestens jetzt vor Augen halten, dass die „deutlich höheren Zinsen“, die ihnen hier versprochen werden, selbst bei etlichen Großunternehmen auch nur bei rund 1,5 Prozent liegen. Das ist reichlich wenig Rendite für sehr viel Risiko.
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Das findet offenbar auch die Finanzaufsicht, die nun erwägt, den Vertrieb dieser Anleihen zu verbieten und den Markt somit platt zu machen. Auf den Verkauf bestehender Papiere hätte das zwar keinen Einfluss – nur auf den Neuverkauf – aber man kann sich ja mal überlegen, wie attraktiv solche Altpapiere dann noch für die Anleger sein werden. Warum die Finanzaufsicht nun erstmals zu so einem drastischen Mittel greifen will, ist schnell erklärt: Sie vermutet, dass Bonitätsanleihen nicht nur mit sehr geschönten Worten vertrieben werden, sondern dass viele Verbraucher auch zu wenig aufgeklärt werden, was wirklich dahinter steckt: Strukturierte Produkte nämlich, die von ihrer Struktur her zudem „besonders komplex“ sind.
Außerdem befürchtet de BaFin, dass viele Anleger denken, Bonitätsanleihen seien mit anderen Rentenpapieren, also Anleihen vergleichbar. Das sind sie natürlich als Zertifikate nicht. Im Grunde funktionieren sie nämlich so: Eine Bank leiht einem Unternehmen Geld und überträgt dabei ihr eigenes Kreditrisiko komplett auf die Käufer dieser Zertifikate. Wie groß das Risiko dabei ist, können die Kunden selbst kaum einschätzen. Im Grunde sind solche Papiere auch nichts anderes als die einstmals viel verkauften Lehman-Zertifikate.
Wer so ein Papier bereits im Depot hat und nun ins Grübeln kommt, der sollte daher besser mal die Kurstabellen der Börsen und Banken checken und prüfen, zu welchen Konditionen er aktuell aus dieser langfristigen Verpflichtung wieder herauskommt, bevor es irgendwann zu spät ist. Besser ein bisschen Geld jetzt verlieren, als sehr viel oder sogar alles, wenn ein „Kreditereignis“ dann doch mal ein Unternehmen trifft.
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