Gegen den Strom zu schwimmen kostet Kraft. Es kann aber auch reich machen – zumindest an der Börse. Nicht wenige Fondsmanager und Anleger schwören auf die sogenannte antizyklische Investmentstrategie: Sie setzen ganz gezielt auf einzelne Titel oder Märkte, die von der Mehrheit der Marktteilnehmer gerade ignoriert werden oder die in der Vergangenheit besonders schlecht abgeschnitten haben. Diese Papiere könnten wie ein Phoenix aus der Asche aufsteigen, sobald sich das Umfeld bessert.
Auf den ersten Blick ähnelt dieses Vorgehen dem üblichen Investmentprozess – günstige Aktien mit Aussicht auf Kurssteigerungen will schließlich jeder Anleger finden. Beim antizyklischen Investment geht es aber darum, nicht nur nach verborgenen Schätzen zu suchen, sondern sich gegen die Marktmeinung an sich zu stellen. Das Kalkül: Besonders Privatinvestoren kaufen Aktien einer bestimmten Branche oder aus einer bestimmten Region erst dann, wenn das Marktinteresse daran bereits groß ist. Trend-Aktien sind dann meist schon relativ teuer. Wenn sich das Blatt dann wendet und die Kurse wieder abstürzen, führt das zu Verlusten. Noch vorsichtiger als bei Einzeltiteln ist die Mehrheit der Anleger bei vermeintlich unattraktiven Verlierermärkten: In diese wagen sie sich erst gar nicht.
Glaube an den Turnaround
Antizyklische Aktienkäufe haben sich in der Vergangenheit schon oft bewährt. Anleger machten nach den Krisenjahren 2009 und 2010 hohe Gewinne mit dem Halbleiterhersteller Infineon. Die allgemeine Marktmeinung über das Unternehmen war zuvor denkbar schlecht gewesen, die Bewertungen entsprechend niedrig. Dann setzte die Wende ein und der Kurs der Aktie kletterte nach oben. Zwischen September 2010 und Februar 2011 verdoppelte sich der Kurs des Infineon-Papiers. Aber nicht nur Titel, die mit allgemeinem Pessimismus bedacht werden, sind für antizyklisch ausgerichtete Investoren interessant: „Es gibt Unternehmen, die der Markt überhaupt nicht beachtet. Das eröffnet Chancen, wenn man trotzdem an deren Wachstumsgeschichte glaubt“, sagt Damien Lanternier, Manager des französischen Agressor-Fonds (FR0010321802).
Lanternier investiert mit seinem Fonds antizyklisch in europäische Unternehmen. Dabei setzt er vor allem auf sogenannte Turn-Around-Geschichten von Firmen, die eine jahrelange Talfahrt hinter sich haben. Der Stahlkonzern Thyssen Krupp sei so ein Beispiel, sagt Lanternier: „Das Unternehmen wurde von Banken und Analysten noch Ende 2012 durchweg negativ bewertet. Nach eingehender Analyse und Treffen mit der Führungsebene war ich aber überzeugt, dass es mit dem Konzern wieder bergauf gehen würde.“ Lanternier hat Recht behalten: Seit einem Jahr steigt der Aktienkurs von Thyssen Krupp wieder.
Einfach gegen die Marktmeinung wetten und Gewinne kassieren – das klingt simpel und funktioniert in vielen Fällen auch. Trotz einiger Erfolgsgeschichten ist ein antizyklisches Investment aber deutlich riskanter und komplizierter als es zunächst aussieht. „Grundsätzlich sind antizyklische Investments längst nicht immer erfolgsversprechend. Die dauerhafte Schwäche einer Aktie hat meist auch einen fundamentalen Grund“, sagt Michael Winkler, Chief Investment Officer der St.Galler Kantonalbank Deutschland. Das Hauptproblem sei oft, dass antizyklisch investierende Anleger zu früh kauften: „Kursverluste können länger anhalten als gedacht“, sagt Winkler. Oft sei viel Geduld notwendig, weil schnelle Kurssteigerungen auf sich warten lassen.
Mutige Anleger wagen sich an Schwellenländer
Risikofreudige Anleger können mit einer antizyklischen Strategie oder mit einem antizyklisch investierenden Fonds zwar durchaus erfolgreich sein, meint Winkler. Es gelte aber, mehrere Faktoren zu beachten: Zum einen sollte das Umfeld für die Anlageklasse – etwa Aktien – gerade günstig sein, zudem sollten die Wachstumsaussichten einer Branche oder Region grundsätzlich stabil sein. „Sonst riskiert man jahrelange Verluste“, sagt Winkler. Das habe sich zuletzt etwa bei Stromversorgern wie Eon und RWE gezeigt, die unter den Folgen der Fukushima-Katastrophe und der Energiewende leiden.
Wer sich an eine Wette gegen den Markt heranwagen will, sollte es momentan bevorzugt in Schwellenländern versuchen, empfehlen Marktbeobachter. „Anleger haben dort seit Mai 2013 massenhaft Kapital abgezogen, aus Angst vor einem verlangsamten Wachstum“, sagt Winkler. Grundsätzlich sei die Wachstumsgeschichte von Schwellenländern aber intakt, viele Unternehmen böten wegen niedriger Bewertungen Kurspotenzial. Für wagemutige Anleger könnte es sich also lohnen, auf ein Wiedererstarken der Emerging Markets zu setzen – gegen den allgemeinen Marktpessimismus.
Die fünf größten Positionen des Agressor-Fonds
Unternehmen |
ISIN |
KGV 2014e |
Dividenden- |
Hoch (52 Wochen, |
Tief (52 Wochen, |
Michelin |
FR0000121261 |
11,61 |
2,83 |
94,33 |
61,56 |
Faurecia |
FR0000121147 |
16,67 |
1,27 |
33,21 |
13,3 |
Fresenius |
DE0005785604 |
17,24 |
1,18 |
120,60 |
87,03 |
Safran |
FR0000073272 |
15,46 |
2,5 |
54,59 |
36,99 |
Prudential |
GB0007099541 |
13,9 |
2,61 |
1440,00 |
1011,00 |
Quelle: Onvista, 25.04.2014