Die Preise für Öl kannten in den vergangenen zwei Jahren vor allem eine Richtung: nach oben. Doch durch den Krieg in der Ukraine und den damit einhergehenden Unsicherheiten, steigenden Zinsen und den starken US-Dollar hat sich der Wind gedreht. Seit Juni sind die Preise für Brent- und WTI-Rohöl (West Texas Intermediate) rund 30 Prozent in den Keller gerauscht. Für Anleger stellt sich die Frage, ob dies ein günstiger Einstiegspunkt ist, um in Öl-Aktien zu investieren.
Nun hat das Ölkartell Opec+ beschlossen, seine Fördermenge im November zu reduzieren – und zwar deutlich. Insgesamt wollen die 23 Länder, angeführt von Saudi-Arabien und Russland, ihre gemeinsame Produktionsmenge pro Tag um zwei Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) drosseln. Das ist die größte Kürzung seit 2020, als die Nachfrage nach Öl durch die Covid-19-Pandemie weltweit ausgebremst wurde.
Das Kalkül der Erdölstaaten: Durch den Eingriff und die geringere Fördermenge wollen sie den Marktpreis zumindest wieder stabilisieren. Allerdings dürfte die tägliche Öl-Verknappung durch die Opec+ in der Praxis wohl weniger als zwei Millionen Barrel betragen. Das liegt daran, dass einige der Länder bereits zuvor hinter den vereinbarten Produktionsquoten zurückgeblieben sind. Das nun geringere Produktionsziel macht für sie kaum einen Unterschied.
Die Aussichten für den Ölmarkt sind ambivalent
In den USA kam die Entscheidung der Öl-Allianz nicht gut an. Laut US-Präsident Joe Biden sei die geplante Verknappung ein Fehler und kurzsichtig gedacht – womöglich auch, weil sie zu höheren Benzinpreisen in den USA führen könnte. Es bleibt abzuwarten, ob die USA einen weiteren Teil ihrer strategischen Ölvorräte freigeben werden, um hier gegenzusteuern. Dies war zuletzt ein Mittel der Wahl, um die Inflation zu stoppen: Allein in der Woche zum 30. September reduzierten die Amerikaner ihre Rohölvorräte um rund 1,8 Millionen Barrel. Das geht aus Zahlen des American Petroleum Institute hervor.
Angesichts der anhaltenden Unsicherheiten an den globalen Kapitalmärkten ist abzusehen, dass auch der Ölmarkt in Bewegung bleibt. Die Aussichten sind ambivalent: Einer konjunkturbedingt schwachen Nachfrage und Rezessionssorgen steht das Risiko von Angebotsüberschüssen gegenüber. Gleichzeitig drohen mögliche Versorgungsengpässe, wie die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines gezeigt haben. Vor diesem Hintergrund dürften die Rohölpreise vorerst verstärkt in beide Richtungen volatil bleiben.
Wer als Privatanleger aktuell in die Branche investieren will, sollte keine schwachen Nerven haben und stärkere Schwankungen aussitzen können. Anlage-Optionen gibt es einige, wobei Exxon Mobil, Shell und Chevron – mit Blick auf ihre Marktkapitalisierung – zu den größten der Branche zählen. Am Beispiel Exxon Mobil lassen sich die Chancen und Risiken eines Investments in Öl-Aktien gut aufzeigen. Auf Jahressicht liegt das Papier mehr als 90 Prozent im Plus. Trotzdem gab es in diesem Zeitraum immer wieder Einbrüche von mehreren Prozent. Der größte Kursrutsch erfolgte Mitte Juni, als es in der Spitze sogar zweistellig nach unten ging.
Zuletzt profitierte der diversifizierte Energieriese vor allem von den boomenden Preisen für Erdgas und dem Verkauf von Aera – einem Joint-Venture mit Shell – an den deutschen Vermögensverwalter Ikav. Obwohl die sinkenden Ölpreise die Gewinnkurve schmälern dürften, sind Analysten vom Potenzial des verlässlichen Dividenden-Königs überzeugt. Das Gros sieht die Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 8 (2022e) als Kaufkandidat.