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Geldanlage Die Nasdaq wird erwachsen

Nach langem Anlauf hat die Nasdaq die 6000-Punkte-Marke geknackt. Wie geht es nun weiter? Von Nadine Oberhuber

Wenn Kinder sich gut und gerne 17 Jahre lang entwickelt haben, dann sagt man: Sie sind erwachsen geworden. Erst recht, wenn sie ihren Eltern dabei längst über den Kopf gewachsen sind und inzwischen so etwas wie ein Eigenleben führen. So ähnlich ist es nun auch beim Börsenindex Nasdaq, dem Technologieindex der amerikanischen Börse. Er ist in den vergangenen Tagen über die 6000-Punkte-Marke hinausgewachsen, hat damit einen neuen Rekord aufgestellt und sich nun endlich abgenabelt. In seinem Fall heißt das: Er hat sich endlich von seinem tiefen Fall im Dotcom-Crash erholt und gezeigt, dass mehr in ihm steckt als das damalige Rekordhoch von 5000 Punkten. Und er hat erstmals wieder den Dow Jones Index weit hinter sich gelassen. Die Technologiebörse ist gerade im vergangenen halben Jahr so richtig durchgestartet.


Fast zwei Jahre lang kam sie zuvor nicht recht vom Fleck. So als seien die 5000 Punkte eine magische Marke, die der Index nicht zu überspringen wagte, trippelte der Nasdaq-Composite um diese Marke herum. Mal sprang er drüber, dann mogelte er sich wieder darunter, aber immer blieb er in der Nähe dieser alt vertrauten Marke, die er aus dem Jahr 2000 bereits kannte – die ihm aber damals zum Verhängnis geworden war. Damals feierten alle das neue Internet und seine ersten Erfindungen und jubelten die dazugehörigen Aktien in kürzester Zeit in geradezu schwindelnde Höhen. Im Herbst 1998 koppelte sich der Nasdaq erst spürbar vom amerikanischen Mutterindex Dow Jones ab. Während der Dow bis Frühling 2000 immerhin 18 Prozent an Wert zulegte, was für einen gereiften Index schon viel ist, legte der junge Nasdaq in der gleichen Zeit stolze 165 Prozent zu. Doch mit dem Ende des New Economy Hypes und dem Platzen der Dotcomblase sahen nicht nur die Börsenkurse weltweit alt aus, sondern vor allem auch der Kurs des Nasdaq.


Er donnerte unvermittelt in die Tiefe und fiel von knappen 5000 Punkten auf 1200 Punkte in nur zwei Jahren. Und fing danach wieder ganz von vorne an mit seinem Wachstum. Schließlich hatte er zuvor ungefähr 24 Jahre gebraucht, um auf die 1000 Punkte zu kommen und danach noch einmal acht Jahre bis zum alten Rekord. Nun, den hat er inzwischen nicht nur wieder erreicht, sondern sogar eingestellt, indem er auf die 6000 Punkte gewachsen ist. Und dass er wirklich merklich darüber hinausschießen würde, war im Grunde erst im November vergangenen Jahres absehbar – oder zumindest zu hoffen. Denn erst da begann der jüngste Wachstumsschub, der bis heute anhält.

Der lange Weg zurück nach dem Dotcom-Crash

Nun drängen sich den Börsianern an dieser Stelle zwei Fragen auf: Gehört der Technologieindex nun von den Punkteständen her endgültig zu den Großen? Wird er sich also auf dem Niveau von mehreren tausend Punkten auch dauerhaft halten können – oder droht nach dem rasanten Anstieg demnächst wieder ein jäher Absturz, die ihn zurück in die Riege der Kleinen wirft? Die viel spannendere Frage aber ist: Wieso hat es eigentlich über 17 Jahre gedauert, bis sich der Nasdaq wieder berappelt hat? Wieso hat er sich erst jetzt vom Dotcom-Absturz erholt, wo doch jeder weiß, dass Technologieaktien zu den am schnellsten wachsenden Papieren überhaupt an der Börse gehören? Zumindest wachsen sie weitaus dynamischer und agiler als Unternehmensdickschiffe und Großkonzerne aus den Bereichen Konsum, Gesundheit oder gar der Finanzbranche. Die brauchen gemeinhin viele Jahre, bis sie ihre Kurse nennenswert gesteigert haben.


Nun hat die Technologiebranche mit dem New-Economy-Crash tatsächlich auch viel stärker gelitten als die Old-Economy-Konzerne, das ist wohl wahr. Während die Internetfirmen zirka 80 Prozent ihres Börsenwertes einbüßten beim Crash, verloren die Industrie- und Konsumkonzerne gerade mal rund 35 Prozent im Schnitt. Von daher war der Weg nach oben für die Tech-Aktien seitdem auch viel länger. Aber: Es ist ja nicht so, als sei die Branche seit dem Jahr 2000 eher träge und unerfolgreich am Markt vor sich hingedümpelt oder habe sich irgendwie durchgewurschtelt. Im Gegenteil. Im Grunde hat der Crash nur allzu hochfliegende Hoffnungen in gewagte Geschäftsmodelle á la EM.TV beendet.


Aber er hat dennoch nicht bremsen können, dass sich Unternehmen mit weitaus besseren Geschäftsmodellen und innovativeren Technologien durchsetzten. Und die haben nicht nur das Internet, sondern auch das Leben aller Menschen revolutioniert: Es gibt heute Ebay, es gibt Amazon, es gibt Smartphones, Tesla hat die Autobranche aufgemischt, Netflix den Fernsehmarkt, und ohne Google und Facebook könnten viele von uns nicht mehr leben. Das alles entstand erst so richtig nach dem Dotcom-Crash.

Tech-Titel wachsen schneller

Mehr noch: Solche Firmen und ihre Technologien sind schon lange keine kleinen Nischenplayer mehr, sondern sie haben sogar die Führung in der Wirtschaft übernommen. Inzwischen sind die fünf größten Unternehmen der Welt allesamt Nasdaq-Werte. Apple, Google/Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook sind gemessen an ihrer Marktkapitalisierung mehr Geld wert als die ehemals führenden fünf Exxon, General Electric, Total, Walmart und die Citibank. Die New Economy hat die Old Economy also längst ausgestochen. Und es sind genau diese Techfirmen, die für ihr rasantes Wachstum bekannt sind. Allein seit Jahresbeginn legte Facebooks Kurs zum Beispiel um 28 Prozent zu, Apples um 25 Prozent, Amazon schaffte 21 Prozent.


Und sie wachsen ja nicht erst jetzt. Auf Zehnjahressicht steigen bereits die Indizes der Technologietitel stärker als die übrigen Aktien. Ein Plus von 136 Prozent konnte der Nasdaq Composite in der Zeit verbuchen, der Dow Jones schaffte derweil weniger als die Hälfte. Auf fünf Jahre gesehen hat der Tech-Index sogar knapp 20 Prozent pro Jahr gebracht. Und der Beginn des großen Aufschwungs war im Grunde seit 2010 absehbar, spätestens seit 2011. Damals koppelten sich die Technologietitel bereits von den breiteren Börsenindizes ab und wer richtig kombinierte, folgerte daraus: Das Davonpreschen dieser Papiere markiert den Beginn eines neuen Konjunkturzyklus. Denn die Tech-Titel reagieren als sogenannte Frühzykliker als erste, bevor die Aktien der übrigen Branchen nachziehen und nach den Börsenkursen dann auch die Wirtschaft als Ganzes wieder zum Aufschwung übergeht.

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So gesehen dürfte jetzt – fünf bis sechs Jahre später – nun wirklich niemand mehr vom Aufstieg der Tech-Titel überrascht sein. Denn er kam weder unverhofft, noch lief er so rasant ab wie damals zu New Economy Zeiten. Damals brauchte der Nasdaq nur ein Jahr, um sich von 2000 auf 4000 Punkten zu verdoppeln und danach nur sechs Monate, um bis auf 5000 Punkte durchzumarschieren. Während der Dow Jones seinen Punktestand von 1996 bis 2000 gerade mal verdoppelt hatte, hatte sich der Nasdaq bereits vervierfacht. Natürlich wächst der Tech-Index auch heute wieder schnell und stärker als der Mutterindex. Aber dennoch längst nicht so rasant wie damals: Seit der Kehrtwende 2009 verdreifachte sich der Punktestand des Dow Jones. Der Nasdaq legte das 4,6-Fache zu.

Globale Megatrends statt wolkige Hoffnungen

Von der ganz großen Übertreibung dürfte da nicht die Rede sein. Zumal die Branche ihr Geschäft nicht mit mehr aus reiner Hoffnung speist, sondern vielfach aus globalen Megatrends wie Onlinehandel, Elektromobilität oder Big Data. Ganz vermessen wäre es daher nicht, auch jetzt noch auf den weiteren Aufstieg des Nasdaq zu setzen, etwa mit einem ETF auf den Nasdaq 100, die es zum Beispiel von Lyxor, Amundi oder Comstage gibt. Gewagter wäre ein Kauf von Einzelaktien, beispielweise der großen Fünf. Zumal sich in jüngster Zeit selbst Starinvestoren wie Warren Buffet dazu bekennen, in Technologie zu investieren. Gerade Buffet hat lange Zeit diese neumodischen Papiere von Firmen gemieden, die er nicht einschätzen konnte. Nun aber haben sich zumindest Apple und IBM in seinen Augen als Value Aktien etabliert. Denn viele haben eine marktbeherrschende Stellung, generieren steten Cashflow und verfügen über enorme liquide Mittel.


Die einzige Frage, die man sich noch stellen sollte ist: Wie reagieren die Geschäfte der Plattformökonomie und der großen Daten wohl, wenn der nächste Abschwung kommt? Wenn der Konjunkturzyklus, der seit einigen Jahren läuft an dem Punkt angelangt ist, an dem es heißt: Von nun an geht´s bergab. Verlieren sie dann ähnlich an Wert wie einst 2000? Oder stehen die größten Firmen der Welt dann ähnlich stabil da wie einst Exxon, Walmart und Co? An dem Punkt erst wird die neue Ökonomie beweisen, ob sie wirklich erwachsen geworden ist.



Nadine OberhuberNadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen





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