Kapitalbildende Lebensversicherungen sind eigentlich dazu gedacht, das Geld der Kunden zu vermehren. Mit diesem Versprechen werden sie verkauft. Im Amtsdeutsch der deutschen Finanzaufsicht heißt es, sie wollten Kunden einen „angemessenen Kundennutzen bieten“, also nicht nur Sicherheit, sondern vor allem auch Rendite. Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit, „ist es aber leider nicht“, kritisiert Bafin-Versicherungsaufseherin Julia Wiens die Branche der Versicherer nun ganz ausdrücklich.
Denn im Zuge einer Sonderprüfung hatte sich die Finanzaufsicht 13 Lebensversicherer genauer angesehen „die besonders auffällig geworden waren.“ Das entspreche immerhin rund 20 Prozent des Marktes, sagt die Bafin selbst. Es ging ihr um deren Produkte zur Altersvorsorge und besonders um zwei Aspekte: Um die Kostenquoten dieser Policen sowie um die Frage: Wie oft halten die Kunden solche Langfristsparverträge überhaupt durch?
Dazu schaute sich die Bafin zuerst die Stornoquoten an. Die klingen im Branchenschnitt nicht dramatisch, weil sie lediglich auf Jahresbasis angegeben werden, da sind es aktuell 3,14 Prozent. Allerdings muss man diese Zahl auf die übliche Gesamtlaufzeit von 30 oder 40 Jahren hochrechnen, weil die meisten Kunden in frühen Jahren eine solche Versicherung abschließen und die Policen erst zum Renteneintritt regulär ausgezahlt werden.
Mehr als 70 Prozent der Kunden kündigen vorzeitig
„Ausgehend von einer Stornoquote von 3,14 Prozent“, so schlüsselt die Bafin auf, „haben sich nach einer Ansparphase von 40 Jahren bereits mehr als 70 Prozent der Kundinnen und Kunden für eine vorzeitige Vertragsbeendigung entschieden.“ Im Klartext: Über Zweidrittel aller Kunden halten solche Verträge überhaupt nicht durch, sondern kündigen sie vorzeitig.
Das allein wäre schon ein Armutszeugnis für die Branche, noch schlimmer wird es aber, wenn man sich ansieht, was aus den Verträgen herauskommt. Dazu fragte die Aufsichtsbehörde die Kostenquoten bei den Versicherungsanbietern ab und forderte sie auf, die Effektivkosten für ihre jeweils meistverkauften Produkte anzugeben. Als Standardvertrag gilt dabei eine Police mit 100 Euro Monatsbeitrag, also 1200 Euro Einzahlung jährlich und 30 Jahren Laufzeit.
Kosten schmälern die Rendite um 4 Prozentpunkte
„Bei Produkten mehrerer Unternehmen lag zum maßgeblichen Zeitpunkt die Effektivkostenbelastung bei vier Prozent oder sogar deutlich höher“, stellt die Bafin nun fest: „Damit die Kundin oder der Kunde eine positive Rendite erzielt, müssen diese Kosten erst einmal verdient werden. In dem gegenwärtigen Marktumfeld erscheint das sehr ambitioniert.“ Die Effektivkosten von 4 Prozent bedeuten nämlich: Wenn ein Versicherer mit seiner Kapitalanlage beispielsweise 5 Prozent (nach Abzug seiner eigenen Kosten) erzielt, dann bleibt davon bei 4 Prozent Effektivkosten für den Kunden nur ein Prozent Verzinsung übrig.
Nun betrug die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen, also der Reingewinn, den die Versicherer selbst durchs Anlegen erzielten – allerdings zuletzt lediglich rund 2,2 Prozent im Branchenschnitt. Natürlich gibt es einige Versicherer, die mehr Rendite erzielen, weil sie gut in der Geldanlage sind. Auf Durchschnittswerte deutlich über vier Prozent kommt die Branche aber schon seit mindestens acht Jahren nicht mehr. Da kann man sich ausrechnen, welche Rendite für die Kunden übrigbleibt, wenn derart maue Anlageergebnisse noch durch 4 Prozentpunkte Kostenquote belastet werden.
Besonders Fondspolicen sind teuer
Generell sind vor allem bei Fondspolicen die Kosten ziemlich hoch, mahnte die Bafin schon nach Vorlage der ersten Umfrageergebnisse an. Damit machen die hohen Kosten den angeblichen Vorteil durch die höheren Kapitalmarktrenditen schnell wieder zunichte. Bei klassischen Versicherungsverträgen ist die Kostenbelastung etwas geringer.
Im Schnitt liegen die Effektivkosten laut Bafin-Abfrage für eine durchschnittliche Klassikpolicen bei 1,28 Prozent. Bei Fondspolicen sind es im Schnitt 1,90 Prozent. Doch bei jedem vierten Versicherer betragen sie im Mittel rund 3,3 Prozent. Es gebe sogar viele Anbieter, die in allen Laufzeiten gigantische Effektivkosten über 4 Prozent verlangten, fand die Bafin heraus. Mit solchen Kostenquoten bleibt selbst vom Ertrag guter Aktienfonds, die im Schnitt 6 bis 7 Prozent Rendite abwerfen, kaum noch ein nennenswerter Ertrag.
Das macht enorm viel aus: Angenommen es flössen 30 Jahre lang die kompletten eingezahlten 100 Euro monatlich in einen Fonds, der 6 Prozent Rendite abwirft. Dann kämen für den Kunden knapp 98.000 Euro dabei heraus. Schon bei der durchschnittlichen Kostenquote von 1,9 Prozent von Fondspolicen blieben knapp 30 Prozent weniger für den Kunden übrig, rund 69.950 Euro.
Beträgt die Kostenquote allerdings 4 Prozent, bleiben gerade einmal 49.200 Euro davon für den Versicherungskunden. Bei 36.000 Euro eigener Einzahlung. Das ist nur etwa die Hälfte dessen, was er ohne Versicherung durchs Fondssparen auf eigene Faust erzielt hätte. Mit derart schlechten Ablaufleistungen sind bereits viele Fondspolicenkunden konfrontiert worden. Kein Wunder also, dass angesichts solcher Zahlen so viele Kunden ihre Verträge lieber stornieren.
Versicherer müssen nachbessern
Deshalb droht nun die Bafin vernehmlich den Anbietern mit hohen Quoten: „Wenn ein angemessener Kundennutzen fehlt, wenn ein Produkt also nicht den Bedürfnissen des Zielmarkts entspricht, dann ist das ein Missstand“, so sagt Wiens. Und bei solchen Missständen werde die Bafin auch einschreiten: „Wir können beispielsweise den Vertrieb von Produkten untersagen oder Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen in Frage steht.“ Die Frage, ob bei solchen Verträgen nachgebessert werden muss, damit auch den Kunden geholfen ist, bleibt vorerst offen.