Es ist gerade mal ein Jahr her, dass FTX-Gründer Sam Bankman-Fried und Binance-CEO CZ die gefeierten Headliner der Finance-Forward-Konferenz in Hamburg waren. Seitdem ist viel passiert in der Kryptoszene: irre Skandale wie der um Bankman-Frieds Kryptobörse FTX, oder der Crash des Stablecoins Terra. Krypto hatte kein leichtes Jahr. Und insofern wundert es auch nicht, dass andere Themen die diesjährige Konferenz dominierten.
Von einem Ende von Blockchain und Krypto will trotzdem niemand reden – auch wenn die gestiegenen Zinsen definitiv ein Problem seien. Krypto sei aber immer ein zyklisches Thema gewesen, hieß es häufig, und eigentlich sei das Schlimmste längst überstanden. Man befinde sich quasi im nächsten Krypto-Frühling. Und Zeugnis davon seien nicht etwa die gestiegenen Bitcoin- oder Ethereum-Kurse, sondern die Rückkehr der Kunden in den Markt. Und dazu die zahlreichen Innovationen.
Bei den großen Trends waren sich fast alle Szeneköpfe einig: Ganz oben stehe das sogenannte Ownership, also die Frage, wer wie welche Währungen hält. Durch die Skandale im vergangenen Jahr fragten Kunden verstärkt sogenannte Cold Wallets nach – also die Möglichkeit, Währungen auch tatsächlich selbst zu halten und nicht bei einem Anbieter wie einer Kryptobörse zu verwahren. Diesen Trend hin zur „self custody“ greifen eigentlich alle Anbieter auf – von Coinbase über Gnosis bis hin zu Bitpanda und Ultimate. Allerdings, so sagte Coinbase-Manager Daniel Seifert auf der Konferenz: „Die Komplexität ist hier noch sehr hoch und das Produkt damit nicht massentauglich. Der letzte ‚Bull Run‘ kam über die Zentralisierung, die das Thema Krypto sehr vereinfacht hat. Das müssen wir auch bei der ‚self custody‘ hinbekommen.“
Regulierung wird begrüßt
Dass die EU inzwischen die sogenannte MiCA-Regulierung für Kryptowerte vorgestellt hat, begrüßten eigentlich alle. Das scheint zwar paradox, weil die Branche jahrelang von der Abwesenheit gesetzlicher Regeln profitierte. Doch letztlich seien die seriösen Anbieter Nutznießer einer Regulierung. „Wir hatten enorme Zuflüsse durch die Pleiten von FTX und Genesis. Und das, weil wir in Deutschland ansässig sind und vielleicht etwas langweilig sind“, erklärte ein Broker, der nicht genannt werden wollte.
Auf der Bühne berichteten die Bitpanda-Gründer Eric Demuth und Paul Klanschek aber ähnliches. „Wir erleben ein gestiegenes Interesse, obwohl wir unser Produkt nicht besonders aggressiv bewerben“, sagte Demuth. Generell sei es übrigens kein seriöses Zeichen, wenn sich Börsen ihre Reputation durch massive Werbung im Sportbereich erkaufen müssten. Lizenzen, wie sie Bitpanda in Rekordzahl halte, seien da schon deutlich überzeugender.
Interessant könnte aber werden, wie sich das Geschäftsmodell von Bitpanda und anderen Brokern wie Binance oder Coinbase im kommenden Jahr entwickeln wird. Alle drei setzen auf ein extrem breites Angebot und verkaufen mehr als 200 verschiedene Währungen. Wenn die EU mit MiCA aber tatsächlich ernst macht und zu jedem Whitepaper einer Währung bestimmte Mindestanforderungen verlangt, dann könnten einige davon herausfallen. „Das ist ein enormer administrativer Aufwand – und ich weiß nicht, ob Bitpanda und Co. so viel Kraft da hinein investieren wollen“, erklärt ein anderer Broker im Hintergrund.
Demuth und Klanschek sind jedenfalls von ihrem breiten Angebot überzeugt. „Entweder du machst das beste Angebot, oder du lässt es bleiben. Man macht ja auch keine klassische Börse auf und bietet dann nur den Dax an“, sagte Demuth. Das Angebot soll sogar noch zeitnah wachsen. Zuletzt kamen etwa CFDs hinzu, also Derivate als Möglichkeit, verschiedene Produkte zu hebeln. Außerdem kann man über Bitpanda inzwischen klassische Aktien als Derivate handeln.
Problemlöser im globalen Süden?
Deutlich wurde, dass Krypto immer mehr Geschäftsfelder der klassischen Banken angreift und die dahinterliegende Technologie disruptieren will. Sei es bei Aktien, Onlinezahlungen oder Transfers in Entwicklungsländer. „Vieles, wie Payment, ist in Deutschland kein großer Schmerzpunkt. Aber weltweit stimmt das nicht. Krypto kann einen enormen Nutzen im globalen Süden stiften“, sagte Friederike Ernst, Gründerin des Brokers Gnosis. Das Gleiche gelte auch für den Aktienhandel, der in einigen Weltregionen über klassische Broker kaum möglich sei.
Den Berufsoptimismus der Szene teilen aber nicht alle. Der New Yorker Starökonom Nouriel Roubini nutzte die Bühne zur großen Generalabrechnung gegen Kryptowährungen. In seinen Augen seien sie ein Etikettenschwindel: Eine Währung benötige eine Funktion, erklärte Roubini im Interview mit Capital-Digitalchef Niklas Wirminghaus, zum Beispiel eine Tausch- oder eine Wertaufbewahrungsfunktion. „Stand heute ist das aber alles nicht möglich. Nichts ist in Bitcoin bepreist – und eine Wertaufbewahrungsfunktion wie in Gold sehe ich auch nicht.“ Außerdem könne Visa beispielsweise 50.000 Transaktionen pro Sekunde durchführen, über die Bitcoin-Blockchain seien gerade einmal sieben Transaktionen möglich.
Auch Erik Podzuweit, Gründer von Scalable Capital, zeigte sich bemerkenswert skeptisch, was den Ausblick für Krypto angeht: „Man muss ehrlich sagen, dass Krypto auch nach zehn Jahren kein richtiges Geschäftsmodell mit einem Nutzwert geschaffen hat. Das ist in anderen Branchen anders.“
Tatsächlich erhöht sich der Druck, die dahinterliegende Blockchain-Technologie in die reale Welt zu überführen. Doch es stellt sich die Frage, ob dafür überhaupt die notwendigen Investitionsmittel bereit stehen werden. Investorengelder sitzen aktuell nicht besonders locker, und auch davon berichteten Szeneköpfe im Hintergrund. „Das kommende Jahr wird für viele entscheidend. Ich glaube, dass wir viele Konferenzteilnehmer im nächsten Jahr nicht mehr sehen – oder in anderer Funktion.“