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Daniel Saurenz KI-Hype an der Börse: Tesla und Biontech sollten Warnung genug sein

Blick in den Handelssaal der Frankfurter Börse
Die Aktienindizes wie der Dax notieren zurzeit sehr hoch, getragen wird der Aufschwung aber nur von wenigen Titeln
© IMAGO / Rainer Unkel
Ob Bitcoin, Tesla oder künstliche Intelligenz – wenn ein Hype stammtischtauglich wird, kann es für Börsianer teuer werden. Aus der Vergangenheit lassen sich Lehren ziehen

Am Neuen Markt genügten zwei funktionsfähige Computer und ein paar Telefone plus ein blumiges Geschäftsmodell, um eine Multimillionenbewertung zu erreichen. Ältere Anleger werden sich an Aktien wie Fortunecity erinnern. 2023 lautet der heiße Scheiß KI. Die Welt hat sich weiter gedreht und das Thema ist weitaus ernster zu nehmen als mancher Exzess aus den Zeiten der Dotcom-Blase. Dennoch könnte vor allem Nvidia ein Stück zu weit gelaufen sein, denn Umsatzmultiplikatoren im hohen zweistelligen Bereich sind keine Bewertung, die gutgehen kann. Beispiele finden sich dabei durchaus.

Es ist keine zwei Jahre her, da war der Mainzer Biotech-Konzern Biontech an der Börse fast 100 Mrd. Euro wert. Was hatte Firmenchef Uğur Şahin den Anlegern nicht alles versprochen. Sein Impfstoff sollte vor Ansteckung schützen, die Pandemie besiegen und darüber hinaus stellte Biontech irrsinnige Absatzmengen in Aussicht. Auch und vor allem Krebsmedikamente befänden sich in der Pipeline, so wurde kolportiert. Das alles brachte Biontech im August 2021 einen Kurs von 371 Euro ein. Anleger liebten das Unternehmen. Mittlerweile sind die Versprechen verpufft und der Kurs ist auf 96 Euro abgesackt. Trotzdem war Biontech auf zehn Jahressicht ein sehr erfolgreiches Börseninvestment. Nur wer auf dem Top des Hype zugriff, sitzt nun auf sehr hohen Buchverlusten.

Tesla und immer wieder Elon Musk

Ein anderes Beispiel ist Tesla. Elon Musk heizte den Hype um sein Unternehmen mit Versprechungen immer weiter an, bis Tesla die Billionenbewertung im November 2021 knackte. Danach begann nach und nach die Wahrheitsfindung. Tesla stellte sich dem Wettbewerb, muss mittlerweile deutliche Rabatte einräumen und der Konzernchef verzettelte sich bei Twitter. Als Resultat stürzte der Tesla-Aktienkurs von 374 Euro bis auf 100 Euro Ende Dezember 2022 ab.

Und nun kommt also Nvidia. Natürlich, die jüngsten Quartalszahlen und Prognosen waren hervorragend. „Allerdings kaufen Anleger im Bereich KI gerade alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Die Aktien des Anbieters von Datenspeicherlösungen Pure Storage legten binnen vier Wochen 50 Prozent zu. „C3 Ai schafften sogar 140 Prozent binnen vier Wochen, ehe der Titel in wenigen Tagen 30 Prozent abschmierte“, so Molnar. 

Die beiden genannten Firmen fallen eher in die Kategorie mittelgroßer Firmen. „Wenn aber ein Konzern seinen Marktwert innerhalb weniger Wochen von 400 Mrd. US-Dollar nahe an die Billion katapultiert, dann muss auch bei institutionellen Anlegern einiges passiert sein“, betont der Robomarkets-Experte. Oder es wurde ein riesengroßer Hype entfacht, der einer Korrektur bedarf. Erahnen lässt sich dies daran, dass Nvidia-Aktien zuletzt von starken in schwache Hände wechselten. Große Blöcke an Aktienpositionen wurden verkauft und von sehr vielen kleinen Einzelkäufern aufgenommen – ein Klassiker der Privatanlegertrades.

„Dennoch lautet die Formel für Kursgewinne 2023 unbestritten KI“, sagt Dennis Austinat vom Asset-Manager Trive. Die Marktbreite bei US-Aktien gibt allerdings zu denken. Der Russell 2000, ein sehr breiter Aktienindex, liegt weiterhin im Bärenmarkt. Die sogenannte Marktbreite sieht desaströs aus. „Im Grund ist das Jahr 2023 eine Story von Nvidia, Meta, Netflix, Alphabet, C3 und ein paar weiteren Aktien. Das war es auch schon“, so Molnar.

Kommt die große Korrektur?

Nach der schwachen Wertentwicklung von Technologieaktien im vergangenen Jahr wurde die Kurserholung lange als Bärenmarktrally gesehen, die schnell wieder in eine neue Korrektur übergehen würde. Noch zum Ende des ersten Quartals, als die Indizes bereits kräftig im Plus notierten, zeigte eine Umfrage unter weltweiten Fondsmanagern, dass sie so pessimistisch sind wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das Problem an der Sache ist, dass „die Indizes wesentlich von den ganz großen Techaktien bestimmt sind“, erläutert Trive-Experte Austinat. Bei gleicher Gewichtung aller Aktien im S&P 500 bliebe nämlich 2023 keinerlei Rendite übrig. Auch dies unterstreicht eine sehr schlechte Marktbreite. Offenbar nehmen viele Firmen dann doch eine mögliche Rezession vorweg.

Viele Profis wurden mit ihrer geringen Aktienquote auf dem falschen Fuß erwischt und der hohe Performancerückstand zwingt die Akteure in den Markt. Größere Korrekturen bleiben daher aus, die Kurse steigen weiter und bringen die Profis noch stärker unter Druck, um ihre schwächere Rendite auszugleichen. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf setzt ein, der Indizes wie den Dax zuletzt auf neue Hochs führte. 

Trotzdem und gerade deshalb ist beim Dax wie auch an der Wall Street Vorsicht angebracht. Ein wesentlicher Grund für die Stärke des Techsektors waren die eingepreisten Zinssenkungserwartungen. Inzwischen zeigt sich, dass Hoffnungen auf eine geldpolitische Wende sowohl in den USA wie auch in Europa nicht angebracht sind. Der seit Jahresbeginn unverändert notierende Dow Jones ist daher auch als Warnsignal zu sehen, dass es der breiten US-Konjunktur schlechter geht als die großen Techgiganten vermuten lassen. Große US-Investmentbanken warnten zuletzt, dass die Rezession sogar normal statt nur mild ausfallen könnte. Dann wären die aktuellen Bewertungen keinesfalls zu rechtfertigen.

Daniel Saurenz betreibt mit seinem Team das Börsenportal Feingold Research. Es bietet täglich einen Börsenbrief an, den Sie für 14 Tage kostenfrei testen können. Melden Sie sich unter info@feingold-research.com an oder probieren Sie den Börsendienst unter diesem Link aus. Trainingstage und Coachings finden Sie NEU unter feingold-academy.com

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