Indexfonds Jahresgebühr: Null Prozent

Null Prozent Gebühren
Null Prozent Gebühren
© Getty Images
Es ist der Höhepunkt eines jahrelangen Preiskriegs bei ETFs: Der erste Anbieter verzichtet in den USA ab sofort für zwei neue Indexfonds vollständig auf alle Gebühren. Was hinter den absurden Kampfkonditionen steckt

Worum geht es?

Am Mittwoch kündigte die US-Fondsgesellschaft Fidelity zwei neue Indexfonds an: Einen auf den gesamten US-Aktienmarkt und einen auf den globalen Aktienmarkt. Die Besonderheit: Bei beiden Indexfonds beträgt die jährliche Verwaltungsgebühr für Anleger null Prozent. Um dies zu verdeutlichen, tragen die beiden bereits ab Freitag erhältlichen Indexfonds („Fidelity Zero Total Market Index Fund“ und „Fidelity Zero International Index Fund“) auch gleich das Wort „Zero“ im Fondsnamen.

Und das ist völlig neu?

Nicht ganz. Im Jahr 2009 verzichete die Deutsche Bank zeitweise auf die Gebühren für einen ETF auf den Euro Stoxx 50, nahm den Schritt aber später wieder zurück. Bei den nun aufgelegten Indexfonds sind die Konditionen auf Zeit angelegt.

Schon Oma wusste: Was nichts kostet, taugt auch nichts. Wo ist also der Haken?

Es gibt keinen. Unter den Anbietern für Indexfonds und ETFs läuft weltweit seit Jahren ein Preiskrieg, der die jährlichen Gebühren für passive Produkte bereits in die Nähe der ominösen Null Prozent gedrückt hat: Ein ETF auf den Deutschen Aktienindex Dax ist hierzulande bereits für 0,08 Prozent Jahresgebühr zu haben ( siehe hier ), ein ETF auf den US-Standardwerteindex S&P 500 kostet für US-Anleger im günstigsten Fall 0,04 Prozent Jahresgebühr, ein Indexfonds auf den gesamten US-Aktienmarkt des Brokers Schwab gar nur 0,03 Prozent. Mit dem neuen Angebot geht Fidelity daher nur einen kleinen Schritt weiter, unterbietet die Wettbewerber mit den beiden neuen Produkten also nur minimal.

Aber wie verdient ein Anbieter bei 0,0 Prozent Gebühren überhaupt Geld – oder ist das ganze ein Draufzahlgeschäft aus Marketinggründen?

Auch mit null Prozent Gebühren lässt sich aus Sicht der Fondsgesellschaft mit einem Indexfonds Geld verdienen. Der Schlüssel dazu ist die so genannte Wertpapierleihe: Dabei verleiht der Anbieter Wertpapiere aus dem Bestand an andere Anleger – etwa an Leerverkäufer, die auf fallende Kurse setzen, indem sie sich bestimmte Aktien leihen, verkaufen und später zurückkaufen und an den Verleiher zurückgeben.

Dafür kassiert der Fondsverwalter eine Leihgebühr. Üblicherweise teilen sich Anbieter und Investoren diese auflaufende Leihgebühr, näherungsweise behält die Gesellschaft ein Drittel ein, zwei Drittel fließen dem Fondsvermögen zu. Die genaue Handhabung ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Exemplarisch: Der ETF-Marktführer Blackrock behält 38 Prozent der Erlöse ein, 62 Prozent fließen dem Fondsvermögen zu.

Diese Erträge aus der Wertpapierleihe sind der übliche Weg von Anbietern von Indexfonds und ETFs, auch bei sehr niedrigen Gebühren noch ein Zusatzgeschäft mit dem verwalteten Vermögen zu generieren. Im konkreten Fall sieht auch der Prospekt der neuen Null-Prozent-Fonds von Fidelity vor, Wertpapierleihe zu betreiben, und die Wertpapierleihe wird auch explizit als "Risiko" aufgeführt. Fidelity stellte aber auf Nachfrage klar, die Erlöse daraus flössen dem Fondsvermögen zu - und Fidelity verdiene also nichts daran. Das hieße, dass die Null-Prozent-Fonds - zumindest vorläufig - eher als Kundenakquisitionsvehikel dienen.

Völlig neu ist das Prinzip „Null Prozent Gebühr“ ohnehin nicht. Diese Zusatzerträge haben schon in der Vergangenheit - selbst wenn etwas beim Anbieter verbleibt - dazu geführt, dass die effektiven Kosten vieler passiver Produkte auf oder unter Null Prozent lagen: Das ist etwa dann der Fall, wenn die Leiherträge für das Fondsvermögen höher ausfallen als die jährliche Gebühr. Neu ist nun, dass die Kosten nicht nur effektiv auf Null fallen können – sondern genau dies vertraglich von vorneherein festgelegt ist.

Wie bitte – die Anbieter unterstützen Leerverkäufer, indem sie ihnen Wertpapiere leihen, die mit meinem Geld angeschafft wurden?

Richtig. Hier herrscht allerdings Interessensgleichheit zwischen Anbietern und Anlegern, denn beide profitieren von der Wertpapierleihe: Der Anbieter macht seinen Schnitt ebenso wie der Anleger, denn dem Fondsvermögen fließt ein Zusatzertrag zu. Die Leihe findet zudem innerhalb strenger Regeln statt, es gelten Maximalgrenzen für verliehene Wertpapiere, zudem müssen die Entleiher Sicherheiten hinterlegen.

Richtig ist aber auch, dass die verliehenen Wertpapiere zeitweise unter Druck geraten können – etwa dann, wenn der Entleiher sich Aktien leiht, um auf fallende Kurse zu spekulieren.

Ich habe gleich geahnt, dass die Sache mit den ETFs einen Haken hat. Wenn ich nicht will, dass mein Fondsanbieter Aktien verleiht, die er mit meinem Geld kauft – da lasse ich lieber die Finger von ETFs, oder?

Das wäre zu kurz gesprungen, denn der Verleih von Wertpapieren ist gängige Praxis bei aktiven wie passiven Fonds. Nur scheren sich nur wenige Anleger darum, obwohl die dazugehörigen Informationen aufgrund der Dokumentationspflichten leicht nachzulesen sind, etwa: wie viel in Prozent des Fondsvermögens sind aktuell verliehen, wie viel war im Schnitt der letzten 12 Monate verliehen, was wurde damit verdient, wie teilen sich Anbieter und Anleger die Erträge.

So hat etwa der ETF auf den Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets von Blackrock in den vergangenen zwölf Monaten einen Zusatzertrag von 0,12 Prozent des Vermögens erzielt – das sind zwei Drittel der Gesamtkostenquote von 0,18 Prozent – wobei im Schnitt zwölf Prozent aller Wertpapiere verliehen waren ( siehe hier unter „Eckdaten“ und „Wertpapierleihe“).

Und wie sieht es bei den aktiven Fonds aus – machen die auch gemeinsame Sache mit Leerverkäufern?

Aber sicher. Fast alle praktizieren Wertpapierleihe, besonders im Aktienbereich. Auch beim zehn Milliarden Euro schweren „Uniglobal Vorsorge“ der Fondsgesellschaft Union Investment – dem Basisfonds des Riester-Fondssparplans der Union – fielen im letzten Geschäftsjahr 25 Millionen Euro Erträge und Kompensationszahlungen aus Wertpapierleihen an, das entspricht rund 0,25 Prozent des Vermögens.

Das ist eine typische Größenordnung: Beim DWS-Klassiker „Vermögensbildungsfonds I“ sind derzeit rund sechs Prozent aller enthaltenen Aktien verliehen ( siehe hier unter „Wertpapierdarlehen Kennzahlen“), die Erträge aus der Leihe taxiert der Anbieter vor Steuern mit zuletzt 0,25 Prozent. Nicht alle Wertpapierleihen erfolgen jedoch an Spekulanten, die auf fallende Kurse setzen. Die Gründe einer Wertpapierleihe können vielfältig sein und beispielsweise auch steuerliche Gründe haben: Manche Halter wollen etwa eine Aktie ungern rund um Dividendentermine oder Hauptversammlungen halten, andere genau dies.

Sollte mir das Thema Wertpapierleihe also völlig egal sein?

Nein. Sehr vorsichtige Naturen können zu Fonds greifen, bei denen der Anbieter vollständig auf die Wertpapierleihe verzichtet. Das ist etwa bei einigen ETFs der kleineren Anbieter SPDR oder auch Comstage der Fall. Sie bringen oft nicht genug verwaltetes Vermögen mit, die Wertpapierleihe effizient zu betreiben. Ideal ist natürlich, wenn die Leiherträge in Gänze dem Fondsvermögen zufließen, wie es nun bei den Fidelity-Fonds der Fall sein soll. Die Wertpapierleihe ist aber ein stark unterschätzter Faktor, wenn es darum geht, ETFs miteinander zu vergleichen. Der Kardinalfehler vieler Privatanleger ist es, ETFs nur anhand ihrer Kosten zu vergleichen und zu denken: Je günstiger, desto besser. Auf einen solchen PR-Effekt setzt auch Fidelity mutmaßlich mit seinen Null-Prozent-Indexfonds.

Wie ein ETF aber letztlich abschneidet, hängt auch stark davon ab, ob und in welcher Höhe der Anbieter Leiherträge erwirtschaftet und Anleger daran partizipieren lässt. Es ist möglich und kommt auch praktisch vor, dass ETFs mit höheren Gesamtkosten eine bessere Gesamtrendite erzielen als ihre günstigeren Pendants – und auch, dass ETFs besser abschneiden als der Index, dem sie folgen. Besser ist, ETFs schlicht anhand ihrer Gesamtrendite zu vergleichen bei identischen Indizes: Je höher, desto besser. Schließlich sind in der tatsächlichen Rendite der Vergangenheit alle Faktoren – Kosten, Leiherträge, Qualität der Indexabbildung – gleichermaßen enthalten.

Wenn wir schon bei Null Prozent sind – sind auch negative Gebühren denkbar, also Gutschriften für Anleger?

Absolut, solange die regulatorischen Hürden dafür ausgeräumt sind. Zum einen besteht aus Sicht eines Anbieters die Möglichkeit, über die Wertpapierleihe mehr zu verdienen, als er dem Fondsvermögen jährlich gutschreiben müsste. Zum anderen befindet sich die gesamte Branche für ETFs und passive Indexfonds in einem knallharten Wettbewerb, in dem Anbieter für den Gewinn von Marktanteilen sehr leidensfähig sind – auch, wenn der Schauplatz dieser jüngsten Preisrunde die USA sind.

Kann ich die Null-Prozent-Fonds auch in Deutschland kaufen?

Nein, die zwei neuen Indexfonds kommen nur in den USA auf den Markt, die dortigen Konditionen sind für Endanleger aufgrund des weitaus größeren und reiferen Markts nochmals etwas niedriger als in Deutschland und Europa.

Gähn, dann kann mir das doch egal sein.

Nein, kann es nicht, denn im Kern profitieren alle Anleger vom Preiskrieg. Auch die, die rein gar nichts mit den passiven US-Indexfonds zu tun haben. Es war nie günstiger, schon für geringe Anlagesummen ein breit diversifiziertes Portfolio an Wertpapieren zu kaufen. Und je niedriger und populärer passive Strategien sind, desto größer auch der Druck für aktive Manager, starke Ergebnisse zu liefern – oder die Gebühren zu senken.

Warum lassen sich die Anbieter überhaupt auf diesen Preiskampf zu absurden Konditionen ein?

Passive Produkte – die strikt regelbasiert anlegen oder einem Index wie dem Dax folgen - sind ein Wachstumsmarkt. Das verwaltete Vermögen von Indexfonds und ETFs kletterte in den vergangenen fünf Jahren um im Schnitt knapp 20 Prozent pro Jahr, ihr Anteil am neu angelegten Geld steigt ständig. Und: Es ist noch Raum für viel Wachstum, denn je nach Definition einer passiven Anlage beträgt ihr Anteil an allen Geldanlagen weltweit bestenfalls 15 Prozent.

Hintergrund: Investoren sind immer seltener bereit, hohe Gebühren für aktives Management zu zahlen, das dann mehrheitlich daran scheitert, einen simplen Index zu schlagen. Das Kalkül der Anbieter von ETFs und Indexfonds: Wer sich nun in der Wachstumsphase gut positioniert und Marktanteile gewinnt, behält die Kunden womöglich langfristig. Und ist gut positioniert in einem Markt, der noch über viele Jahre mindestens doppelt so schnell wachsen dürfte wie der für aktive Fonds. Mit Kampfkonditionen kann man das verwaltete Volumen steigern – das ist die zentrale Größe eines Anbieters, denn es ist ein Skalengeschäft: Je mehr Geld ein Anbieter verwaltet, desto besser. Denn er hat Fixkosten für die IT, Personal, Prospekte und die Indexnachbildung. Diese Kosten steigen aber mit dem verwalteten Vermögen nur noch marginal –die Erlöse über Gebühren hingegen linear.

Dazu ein simples Rechenbeispiel: Der Anbieter Vanguard verlangt für seinen US-Indexfonds „Vanguard Total Stock Market Index Fund“ 0,14 Prozent Gebühr. Das ist nicht viel, er verwaltet damit aber als Pionier rund 701 Mrd. US-Dollar – woraus sich jährliche Gebühreneinnahmen von wiederum 980 Mio. US-Dollar errechnen für den Job, einfach den Index abzubilden – zuzüglich möglicher Leiherträge.

Zudem dienen Kampfkonditionen auch der Abschreckung, verleiden Wettbewerbern den Markteintritt, die umso mehr Mittel brauchen, um das Geschäft profitabel betreiben zu können.

Kommen die Null-Prozent-Fonds denn bald auch nach Deutschland?

Das ist möglich, aufgrund der Marktstruktur aber eher unwahrscheinlich. Die Begriffe „Indexfonds“ und „ETFs“ werden häufig synonym verwendet, weil viele ETFs ebenfalls einen Index abbilden. Es handelt sich aber um zwei unterschiedliche Produkte, wenngleich in beiden ein Preiskampf herrscht: Einen Indexfonds kaufen Anleger meist direkt beim Anbieter, der ein Paket aus Depot, Transaktionsabwicklung und den Produkten selbst anbietet – in den USA etwa bei Schwab, Vanguard oder Fidelity. Diese Anbieter können den entsprechenden Index selbst definieren. Beim nun neu lancierten Fidelity-Indexfonds auf US-Aktien mit den Null Prozent Gebühren umfasst der Index beispielsweise 3654 US-Aktien, gewichtet nach Börsenwert.

Davon zu unterscheiden sind ETFs: Die handeln Anleger über eine Börse, wie der Name „Exchange Traded Funds“ (börsengehandelte Fonds) bereits ausdrückt. Auch sie können einem Index folgen. Dabei kommen aber meist bekannte Indizes von Anbietern wie der Deutschen Börse (zum Beispiel dem Dax), MSCI (zum Beispiel MSCI World) oder Standard & Poors (zum Beispiel der S&P 500-Index) ins Spiel.

Diese Indexanbieter verlangen in der Regel Lizenzgebühren von den ETF-Anbietern, so dass die typischen ETFs ein klein wenig teurer sind als Indexfonds. Letztere spielen hierzulande bei Privatanlegern eine eher untergeordnete Rolle, da es für sie keine gewachsene Vertriebsstruktur gibt. Üblicherweise greifen Privatanlegern daher zu ETFs auf Indizes, wenn es um passive Produkte geht.

Schade – offenbar haben es US-Anleger besser.

Das stimmt, die schiere Größe des Fondsmarkts, seine Reife und das in Wertpapiere investierte Volumen machen die USA zum idealtypischen Schauplatz eines Preiskampfs. Aber für den Anlageerfolg eines deutschen Privatanlegers ist es von untergeordneter Bedeutung, ob der von ihm gewählte ETF etwa auf deutsche oder globale Aktien Null Prozent oder einige Basispunkte mehr kostet. Ein Dax-ETF namhafter Anbieter kostet rund 0,1 bis 0,15 Prozent Gebühren pro Jahr, ein ETF auf den globalen Aktienindex MSCI World 0,12 bis 0,2 Prozent, abzüglich weiterer Leiherträge.

In diesen Dimensionen haben Anleger mit passiven Produkten die typischen Fondskosten gegenüber der aktiven Konkurrenz bereits gezehntelt. Denn für aktive Fonds auf deutsche und globale Produkte sind in der Regel einschließlich der in den Kosten enthaltenen Vertriebsvergütungen 1,2 bis 1,8 Prozent Gebühren pro Jahr fällig. Entscheidend für den Anlageerfolg ist die Verteilung des Vermögens und die Disziplin in der Anlage – einige wenige Basispunkte Unterschied in den Gebühren spielen dabei nur eine kleine Rolle.

Hat das Konzept der Null-Prozent-Fonds denn trotzdem Implikationen für den deutschen Markt?

Ja – allerdings keine positiven für die Anbieter. Je härter der Preiskampf, um so mehr Volumen brauchen Anbieter, um das Geschäft mit Indexfonds und ETFs profitabel betreiben zu können. Daher läuft all jenen Gesellschaften die Zeit davon, die über einen Einstieg nachdenken, aber ihn bislang aufgeschoben haben – die Hürden werden täglich höher, ihnen bleibt nur die volle Konzentration auf und die Vermarktung des teureren, aber margenstärkeren aktiven Managements.

Die bestehenden ETF-Anbieter wiederum befinden sich bildlich gesprochen mit „500-Pfund-Gorillas“ wie Blackrock, Vanguard und State Street im Wettbewerb, die ein Vielfaches an Vermögen in Passivprodukten verwalten, einen längeren Atem im Preiskampf haben und den Druck auf Wettbewerber laufend erhöhen können. Kein Wunder daher auch, dass die Commerzbank ihre ETF-Sparte Comstage an den französischen Rivalen Société Générale verkauft. Schwieriger ist die Lage für die vor vier Monaten an die Börse gegangene DWS: Bei ihr ist die Passiv-Sparte der einzige Bereich, der zuletzt überhaupt Zuflüsse generiert hat. In dieser Sparte sind die Margen aus der Managementgebühr aber einerseits schwach und andererseits relativ zum Vorjahr so stark unter Druck wie in keiner anderen Anlageklasse. Fidelitys Null-Prozent-Offensive ist ein Signal, dass der Wettbewerbsdruck so rasch nicht nachlassen wird. Schön für Anleger – nicht so schön für Aktionäre von Vermögensverwaltern.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel