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Kommentar Ist VW das bessere Tesla?

Anleger entdecken VW als stark wachsenden Hersteller von Elektro-Autos im Massenmarkt
Anleger entdecken VW als stark wachsenden Hersteller von Elektro-Autos im Massenmarkt
© Ludwig Heimrath / IMAGO
Die absurd überbewertete Tesla-Aktie bekommt Konkurrenz von VW. Anleger setzen darauf, dass die Wolfsburger den Massenmarkt für Elektromobilität aufrollen. Langfristig gehören aber beide Aktien ins Depot

Autos sind eine hochemotionale Angelegenheit, manche Menschen definieren darüber sogar ihre Persönlichkeit. Nicht viel rationaler geht es zu, wenn die Diskussion sich um Auto-Aktien dreht. Es gibt ausgesprochene Fan-Boys der Anteilsscheine des E-Auto-Pioniers Tesla, die mit wütenden Tiraden auf jede Kritik an „ihrer“ Zukunftsaktie reagieren. Und es gibt die andere Fraktion, die E-Mobilität für Unsinn hält und fest auf die Dieselhersteller der Gegenwart schwört.

Die zweite Gruppe dürfte sich dieser Tage bestätigt fühlen: Denn die Old-Economy-Ikone Volkswagen setzt, und dieses Bild muss in diesem Text einmal vorkommen, an der Börse gerade zum Überholen an. Doch die Diesel-Fans müssen ganz tapfer sein jetzt: Der Höhenflug der Volkswagen-Aktie geht vor allem darauf zurück, dass die Wolfsburger den Markt für E-Autos aufrollen – und Investoren dies beginnen zu honorieren. Anleger stellt sich somit die Frage: Ist Volkswagen das bessere Tesla?


Volkswagen Vz Aktie


Volkswagen Vz Aktie Chart
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Es ist noch nicht lange her, da lautete die Antwort eindeutig: Nein. Volkswagen schien nach dem Dieselskandal und angesichts der Erfolge von Tesla moralisch, technisch und finanziell am Boden. Doch nun, einige Jahre später, sind nicht nur die wesentlichen Dieselstrafen bezahlt, der Konzern hat auch Milliardenbeträge in die E-Mobilität investiert. Das produziert inzwischen Erfolge: Die Zulassungszahlen für Autos wie den ID.3, den E-Golf oder den Audi E-Tron steigen – zumindest am Heimatmarkt. Hier betrug im Vorjahr der Anteil der elektrisch angetriebenen Autos und Hybridfahrzeuge (Plug-in) elf Prozent der vom Konzern verkauften Autos. Weltweit betrachtet verlieren sich die vom Konzern ausgelieferten 232.000 reinen E-Autos und 190.000 Plug-in Hybride allerdings noch in den insgesamt im Vorjahr ausgelieferten 9,3 Millionen Autos.

VW verspricht – und kann liefern

Doch die Börse interessiert sich nicht für die Vergangenheit, sie handelt die Zukunft. Und die ist nach Ansicht von Investoren bei Volkswagen rosig. Zu dieser Einschätzung dürfte auch beigetragen haben, dass der Konzern am Dienstag eine weitere Steigerung beim Verkauf von E-Autos in Aussicht gestellt hatte. Konzernchef Herbert Diess, dem ein freundschaftliches Verhältnis zu Tesla-Boss Elon Musk nachgesagt wird, will in diesem Jahr zehn weitere E-Modelle aus fünf Marken an den Markt bringen. 2021 will der Konzern seinen Verkauf an E-Autos auf rund 450.000 Stück verdoppeln.

Hinzu kommt, dass die Wolfsburger die Autos auch herstellen können. „Hohe Stückzahlen bei konstanter Qualität zu produzieren ist der Kern bei der Automobilproduktion, die Hardware muss stimmen“, sagt David Wehner, Senior-Portfoliostratege beim Vermögensverwalter Do Investment, zu Capital. „Das beherrscht Volkwagen. Zudem besitzt der Konzern ein weltweites Vertriebs- und Servicenetz.“ Nachholbedarf sieht Wehner gegenüber Tesla vor allem bei der Software, denn das Musk-Unternehmen sei letztlich „ein Software-Unternehmen, das zufällig Autos produziert“. Schließe Volkswagen diese Lücke und erhöhe die Fertigungstiefe im Bereich der E-Mobilität, habe der Konzern „das Potential, das bessere Tesla im Bereich der E-Automobile zu werden“.

Die Wachstumsperspektiven gefallen den Investoren. Dennoch ist der Kurssprung von VW in den vergangenen Tagen beeindruckend. Die im Dax notierte Vorzugsaktie hat in diesem Jahr bereits gut 50 Prozent an Wert gewonnen und ist allein am Mittwoch um 11 Prozent hochgeschossen. Am Donnerstag erreichte sie mit 250 Euro den höchsten Wert seit etwa fünf Jahren. Volkswagen wurde somit an der Börse mit 137,8 Mrd. Euro bewertet (alle Daten von Refinitiv), womit die Wolfsburger wieder der wertvollste börsennotierte Konzern aus Deutschland sind. Die seit Monaten schwächelnde SAP, die jahrelang den Dax anführte, muss sich mit 120,7 Mrd. Euro und Rang zwei begnügen. Etwas dahinter liegt mit rund 117 Mrd. Euro der Industriegasekonzern Linde, der allerdings seit dem Zusammenschluss mit Praxair im Niedrigsteuerland Irland residiert. Volkswagen stand der Nachrichtenagentur Bloomberg zuletzt vor sechs Jahren vor Bekanntwerden des Dieselskandals an der Dax-Spitze.

Tesla kann bei den aktuellen VW-Kursgewinnen nicht mithalten, die Aktie hat in diesem Jahr 0,6 Prozent an Wert verloren. Trotzdem ist der Konzern an der Börse mit 673,6 Mrd. Dollar (566 Mrd. Euro) noch immer rund viermal mal so teuer wie Volkswagen. Allerdings hat das seinen Preis, und der heißt Überbewertung. Die Tesla-Aktie, die aktuell knapp 702 Dollar kostet, wird mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 1128 bewertet, ein Dollar Aktienwert entspricht also einem abgezinsten zukünftigen Gewinn von 1128 Dollar. Bei Volkswagen liegt das KGV bei 13,9 und damit sogar deutlich unter dem im Dax von derzeit 22,6.


Tesla Aktie


Tesla Aktie Chart
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Volkswagen als Samsung der E-Mobilität?

Die Bewertung spricht also für die Volkswagen- und gegen die Tesla-Aktie. Und für weiter steigende Kurse. Nach Ansicht von Jose Asumendi, Analyst bei J.P. Morgan, wird die Bewertung der VW-Aktie steigen. Und trauen Investoren der Aktie eine höhere Bewertung zu, steigt auch ihr Kurs. Asumendi nennt als Ziel 266 Euro, die UBS sogar 300 Euro. Nach Einschätzung der Bank könnte Volkswagen der Co-Marktführer für E-Mobilität neben Tesla werden, allerdings frühestens im kommenden Jahr und mit der Perspektive, weitere Marktanteile zu gewinnen.

Doch im Detail betrachtet schneidet Tesla besser ab: Die Bruttomarge wie auch die operative Marge liegen mit 21,02 bzw. 6,3 Prozent höher als bei Volkswagen (18,0 bzw. 4,3). Hinzu kommt, dass das Verhältnis von Schulden zu Eigenkapital bei VW mit einem Wert von 158 deutlich höher liegt als bei Tesla mit nur 52,8. Relativ betrachtet ist VW also höher verschuldet. Bedenkt man zusätzlich noch, dass Volkswagen mittelfristig Kapazitäten für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor wird abbauen müssen, auch wenn dafür noch keine Pläne genannt werden, so spricht die Rentabilität eher für Tesla.

Allerdings sollte dies Anleger nicht ermuntern, jetzt die Tesla-Aktie zu kaufen. Dazu müsste zunächst die absurd hohe Bewertung zurückgehen – entweder durch massive Gewinnsprünge oder einen Kursrückgang. Dann wäre die Tesla-Aktie eine gute Anlage in einen Premium-Hersteller von technologisch führenden E-Autos, quasi in das Apple der E-Mobilität – es sei denn Apple macht sich selbst zum Apple der E-Mobilität.

Die Volkswagen-Aktie hingegen ist eine Wette auf den Massenmarkt, darauf, dass E-Autos die Verbrenner in der Breite zurückdrängen werden und das VW-Modell ID.3 in die Fußstapfen von Käfer und Golf treten kann, wie es der Konzern sich erhofft. Volkswagen wäre dann quasi das Samsung der E-Mobilität. Langfristig gehören beide Titel also ins gut gemischte Depot. Während man Volkswagen aktuell kaufen kann, ist bei Tesla wegen der hohen Bewertung aber noch Zurückhaltung angesagt.

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