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Family Office Investieren wie die Reimanns – „Geduld statt Gier“

Christine Löberbauer (links) und Alexander Spreer
Christine Löberbauer und Alexander Spreer gehören zum Geschäftsführerteam des Family Offices Reimann Investors.
© Reimann Investors
Family-Offices erhalten und mehren Vermögen über Generationen hinweg – wie auch das der Unternehmerfamilie Reimann. Was Privatanleger von ihnen lernen können, erläutern zwei Geschäftsführer im Interview

Capital: Frau Löberbauer und Herr Spreer, die Reimanns gelten als eine der reichsten, aber auch verschlossensten deutschen Unternehmerfamilien. Für wen genau investieren Sie?
CHRISTIANE LÖBERBAUER: Vorweg möchte ich klarstellen, dass es nicht die eine Familie Reimann gibt, sondern verschiedene Zweige, die unabhängig voneinander agieren. Wir investieren das Geld für jene Reimann-Familienmitglieder, die sich Ende der 90er-Jahre von ihrer Beteiligung am früheren Familienunternehmen getrennt haben. Die Familienhistorie geht auf eine vor 200 Jahren von Johann Adam Benckiser in Pforzheim gegründete Salmiakhütte zurück. Wir haben es also mit einer Unternehmerfamilie zu tun und vertreten mehr als zwei Generationen.

Jedes Familienmitglied könnte sich doch individuell vom Wealth Management einer Bank beraten lassen. Warum blieb man bei der Geldanlage zusammen und gründete ein gemeinsames Familiy Office?
LÖBERBAUER: Als Familie ist man zusammen einfach stärker. Die gemeinsame Geldanlage eröffnet Investitionsmöglichkeiten, die in Größe und Qualität alleine oft nicht erreichbar wären – ebenso Kostenvorteile. Wenn nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht, hat man ein Netzwerk und profitiert auch von anderen Ideen oder Meinungen. Nach dem Verkauf hat man sich tatsächlich einige Jahre von Banken beraten lassen, aber kein Institut entsprach den gesetzten Kriterien zum Beispiel in Hinblick auf Flexibilität in der Asset Allocation und erzielter Performance. Außerdem fehlte es an Transparenz, gerade im Hinblick auf Risikoparameter. So entstand der Gedanke, mit einem eigenen Family Office ein professionelles Umfeld für die Geldanlage zu schaffen. Seit 2006 gibt es deshalb Reimann Investors. Während der globalen Finanzkrise haben Freunde, Bekannte und Geschäftspartner der Familie angefragt, ob sie mit uns Geld anlegen können. Die Familie hat dann 2009 Dritt-Investoren zugelassen, die nach genau der gleichen Strategie anlegen wie sie selbst. Die Gemeinschaft außerhalb der Familie umfasst heute mehr als 100 Anleger, darunter Stiftungen, Unternehmerinnen und Unternehmer, wohlhabende Privatkunden und andere Single-Family-Offices. Sie haben einen dreistelligen Millionenbetrag investiert.

Es gibt nur eine Anlagestrategie für alle?
ALEXANDER SPREER: Richtig. Wir investieren nach einer einheitlichen Strategie für alle in den liquiden Kapitalmarkt und in Venture Capital im Tech-Bereich in Deutschland, Österreich und Schweiz. Die Familie hat 2006 gesagt: Wir können nicht alles abdecken und konzentrieren uns auf unsere Kernkompetenzen. Wir investieren beispielsweise nicht in Immobilien. Venture Capital-investitionen sind aus dem Unternehmertum heraus entstanden. Wir haben zum Beispiel frühzeitig in die Zahlungsdienstleister Sofort AG, bzw. Klarna, Open-Banking-Provider wie Fintec Systems oder Regtech-Firmen wie Usercentrics investiert.

Am Anfang musste sich die Familie doch auf eine Anlagestrategie am Kapitalmarkt verständigen. Wie hat sie diese entwickelt?
LÖBERBAUER: Dem hinter uns stehenden Zweig war es von Anfang an wichtig, eine klare, langfristige und nachvollziehbare Anlagestrategie zu entwickeln. Natürlich muss man sich für ein Rendite-Risiko-Profil entscheiden. Schon wenn sie fünf Investoren haben, dann ist einer eher offensiv, ein anderer eher defensiv orientiert und so weiter. Wir haben deshalb mit allen Gesellschaftern einen Prozess durchlaufen, die wesentlichen Erfolgsfaktoren definiert und am Ende hat man sich für zwei Investitionsbereiche entschieden. Erstens: ein ausgewogenes hochliquides Portfolio für den Kapitalmarkt. Und als zweites Standbein die Direktinvestitionen im Venture Capital mit höherem Risiko und höheren Renditechancen. Wir können somit als Vermögensverwalter unsere Ressourcen und unser Wissen auf eine Strategie fokussieren und unsere Entscheidungen schnell und tatkräftig umsetzen. Das zeichnet uns aus.

Trifft sich die Familie dann regelmäßig und diskutiert mit Ihnen über die Anlage?
SPREER: Es gibt regelmäßig Gesellschafterversammlungen und andere Meetings, dann gibt es Updates über sämtliche Portfolio-Positionen und Geschehnisse am Markt. Wir verschicken jeden Tag einen Bericht. Aber es kann auch immer mal vorkommen, dass ein Gesellschafter anruft und eine konkrete Frage hat. Ein Beispiel ist, wie hoch der Anteil der Anteil der Microsoft-Aktie über alle Einzelstrategien hinweg ist. Wir investieren schließlich in Einzelaktien und in ETF.

Wie schaut die ausgewogene Strategie aus?
SPREER: Übergeordnet verfolgen wir auf unserem breiten Investmentuniversum ein ausgewogenes Rendite-Risikoprofil. Einfach gesprochen besteht das Portfolio am Kapitalmarkt aus globalen Aktien, Rohstoffen, Edelmetallen und europäischen Anleihen. Außerdem setzen wir Liquid Alternatives ein, also hedgefondsähnliche Strategien in einem regulierten Produktmantel, die gut in fallenden Märkten funktionieren.

Seit 2006 ist viel passiert an den Kapitalmärkten. Haben Sie die Strategie verändert?
SPREER: Wir haben immer eine ausgewogene Strategie verfolgt, aber ein Investmentprozess will laufend verbessert werden. Das gehört zu unserer täglichen Arbeit. Wir setzen inzwischen beispielsweise künstliche Intelligenz im Risikomanagement ein. Als aktive Manager haben wir aber grundsätzlich immer die Freiheit, zu reagieren. Ändern sich die Dinge, dann fahren wir die Aktienquote hoch oder runter, wechseln zwischen offensiven und defensiven Titeln. Im Anleihebereich steuern wir über Segmente, Bonität, Region und Zinssensitivität, also Duration.

Welche Rendite erzielen sie mit dem Gesamtportfolio?
LÖBERBAUER: Unseren Investoren geht es um den Erhalt ihres Vermögens. Wir wollen also große Verluste vermeiden und eine nachhaltige Wertsteigerung erzielen. Das bedeutet, wir sind in steigenden Märkten nicht immer voll dabei, um das letzte Quäntchen herauszupressen. Dafür fallen wir auch nicht so  stark wie der Markt in volatilen Marktphasen. Über die vergangenen 15 Jahre und somit während der Niedrigzinsphase lag die Rendite im im Durchschnitt pro Jahr im guten mittleren einstelligen Bereich. Der Aktienmarkt kam im Schnitt auf sieben bis acht Prozent pro Jahr, wir schaffen das durch den Einsatz von Liquid Alternatives mit etwa halb so viel Risiko wie ein reines Aktienportpolio. Bei den Venture Capital-Investments gilt, dass wir die Beteiligung nach einigen Jahren mit deutlich höheren Renditeerwartungen verkaufen wollen.

Schauen wir noch mal genauer auf die Aktien. Sie investieren in Einzelaktien und ETF, wie muss man sich das vorstellen?
SPREER: Wir verfolgen mehrere Einzelstrategien nach Regionen, Branchen und Faktoren wie Momentum und Qualität. Mal funktioniert die eine, mal die andere besser. Diese Diversifikation hilft bei der Rendite, dient aber vor allem der Risikominimierung, worauf unser Fokus liegt. Wir sind zufrieden, wenn wir in starken Börsenphasen mal nicht ganz vorne dabei sind oder den Vergleichsindex nicht schlagen. Wir wollen in mehrmonatigen Abwärtstrends oder in sehr volatilen Phasen einen Vorteil erreichen.

Wie verstehen Sie Momentum, da kauft man doch die Gewinner von gestern?
SPREER: Studien zeigen, dass die Gewinner von gestern oft auch die Gewinner von morgen sind. Wir versuchen die Regionen oder Branchen zu finden, die einen starken Trend zeigen und bei denen dieses Trendverhalten auch noch vorne betrachtet bestehen bleibt. Wir haben 2024 beispielsweise zu Jahresbeginn Japan und immer mal wieder IT übergewichtet, zwischendurch aber auch Finanzwerte. Grundsätzlich waren wir in den USA übergewichtet und konnten somit von den positiven Entwicklungen profitieren. In China und den Schwellenländern besaßen wir gar nichts. Wir nutzen für die Portfoliokonstruktion im ersten Schritt hauseigene Modelle, die Vorschläge aus rund 1800 Aktien und 60 ETF bieten. Darüber entscheidet im zweiten Schritt einmal im Monat ein Investmentkomitee, also Menschen mit Erfahrung und Know-how.

Wie gehen sie bei Einzelaktien vor?
SPREER: Ähnlich. Wir halten meist um die rund 30 Einzelwerte mit einem Fokus auf Qualität für längere Zeit im Portfolio. Das sind durchaus kleinere Unternehmen, die sonst nicht so stark beachtet werden. Dies sind jedoch alles Unternehmen mit etablierten Geschäftsmodellen, die über eine beherrschende Marktstellung in ihrem Segment verfügen.

Was unterscheidet ihre Investoren mit einem bereits vorhandenem Vermögen von Menschen, die für den Aufbau eines Vermögens sparen?
LÖBERBAUER: Für unsere Investoren geht es erst einmal um die Sicherung ihres persönlichen Lebensstandards und ihre Altersvorsorge. Dazu kommt ein gewisser dynastischer Gedanke, das Vermögen an die nächste Generation weiterzugeben und über Generationen hinweg zu erhalten und zu mehren. Das Ziel der Familie lautet Werterhalt. 

Braucht Vermögensaufbau mehr Risiko als Vermögenserhalt?
LÖBERBAUER: Da bin ich grundsätzlich bei Ihnen. Wenn jemand 25 Jahre alt ist und ein Vermögen aufbauen möchte, dann ist aber letztlich auch die Sparrate und die Gewichtung von Aktien und Ähnlichem entscheidend. Für den Aufbau eines Vermögens braucht es einen langen Atem, insbesondere in schwierigen Phasen.

Was können Privatanleger von der Strategie eines Family Offices lernen?
SPREER: Mir ist wichtig, volkswirtschaftliche Zusammenhänge wie Inflation und Zinsen zu erklären, oder was der Unterschied zwischen Aktien und Anleihen ist. Das Einmaleins der finanziellen Bildung sollte jeder Privatmensch beherrschen, der Geld anlegen möchte. Die Welt wird immer komplexer und man muss sich Zeit für die Geldanlage nehmen – und sich realistische Ziele setzen, also nicht Erwartungen formulieren, die zu Enttäuschungen führen werden. Es geht um Geduld statt Gier, um die Minimierung von Risiken mittels Diversifikation. Und zwar in dem Bewusstsein, dass das ein bisschen Rendite kostet. Wichtig ist, das Portfolio regelmäßig im Blick zu haben. Auch bei der Anlage in einen ETF sollte man einmal im Jahr prüfen, ob er noch der günstigste ist oder den selbst gesetzten Kriterien weiterhin entspricht. Egal ob man viel oder wenig Geld anlegt, sollte man sein Chance-Risiko-Profil wählen – und dem treu bleiben, also in schwierigen Phasen nicht gleich kapitulieren. Wer in drei Jahren eine Immobilie kaufen möchte, muss anders investieren wie jemand, der in jungen Jahren Geld für das Alter zur Seite legt. Vorsichtig wäre ich auch bei allen Modethemen und Hypes, die halten oft nicht lange an.

Was funktioniert nicht bei Kleinanlegern?
LÖBERBAUER: Bei ihnen sehe ich es eher kritisch, wenn sie beispielsweise in komplexe Produkte wie Liquid Alternatives diversifizieren. Oft fehlt das notwendige Verständnis für diese Produkte, die auch noch mit hohen Gebühren belastet sind. Auch kurzfristiges Traden stellt eine Herausforderung dar. Es erfordert ja, den Markt täglich zu beobachten und konsequentes Risikomanagement anzuwenden und Markttimings zu treffen und dabei auch noch emotionsfrei zu handeln. Für jemanden, der nicht die nötige Zeit dafür hat, ist das alles schwer zu erfüllen. Daher empfehlen wir eher eine langfristige, gut diversifizierte Anlagestrategie, die von Experten umgesetzt wird. Sie ist für Kleinanleger meist besser geeignet.

Bislang haben sie nicht von Krypto-Assets gesprochen. Halten Sie sich von Bitcoin & Co also fern? 
SPREER: Das ist eine sehr junge Anlageklasse, die wir natürlich beleuchten. Momentan findet sie bei uns aber noch keine Berücksichtigung. Wir haben, wie gesagt, ein eher ausgewogenes Risikoprofil und da gilt dann für uns das Vorsichtsprinzip.

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