Anzeige

Devisen Ihr Einsatz, bitte!

IhrEinsatzbitte
© Capital
Devisenhandel statt Pokerschule: Tradimo zockt mit Währungen. Für die Macher ist das ein Riesengeschäft – für die Anleger hochriskant

Der Mann, der große Haie wieder zu kleinen Fischen macht, ist kein Zauberer. Dominik Kofert glaubt an Zahlen und Fakten, nicht an Magie. Der 32-Jährige ist ein wahrer Koloss, die Haare lang, am Kinn ein Bart. Auf den ersten Blick nicht wirklich ein Unternehmer, eher ein Nerd, ideal für sein Gewerbe. In Oxford hat Kofert Mathematik und Philosophie studiert, bevor er in Gibraltar seine Onlinepokerschule aufmachte. Inzwischen ist sie die größte der Welt. Sechs Millionen Menschen haben hier gelernt, wie das Kartenspiel funktioniert, wie sie ein Hai werden, der sich von Fischen ernährt. So werden im Poker Profis genannt, die gegen Anfänger spielen.

Jetzt kommt die Metamorphose: Die Haie sollen wieder kleine Fische werden und lernen, im Devisengeschäft Euro gegen Dollar, Dollar gegen Yen, Yen gegen Pfund zu tauschen. Sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Kostenlos trainiert von Experten aus der Londoner City, ausgestattet mit einem scheinbar sicheren System. Doch ihre Mitspieler auf dem handelsstärksten Markt der Welt haben auch einiges zu bieten – es sind Player wie Goldman Sachs, die Deutsche Bank und die Bank of England. Jährlich werden dort um die vier Billionen Dollar umgesetzt. Der Ausgang eines Spiels steht indes schon fest: Kofert wird gewinnen – und viele Fische werden verlieren.

Day-Trading boomt: Rund 65.000 Spekulanten, schätzen Experten, handeln allein in Deutschland mit hochriskanten Produkten, sogenannten CFDs – Contracts for Difference. Tendenz steigend. Niedrige Zinsen und fallende Renditen auf den klassischen Finanzmärkten lassen sie neugierig werden. Oder gierig. Inzwischen werben hierzulande laut CFD-Verband knapp 30 Broker um Kunden, bieten ihnen Gratis-Trades, Startguthaben oder eine Flatrate bei den Gebühren. Das Versprechen: hohe Gewinne bei überschaubarem Risiko. Ein kleines Häkchen, und schon hat der Kunde versichert, sich der Risiken bewusst zu sein. Viel Überwindung braucht es nicht, um bei den Großen mitzumischen.

Die Idee für seine Trading-Schule hatte Dominik Kofert (l) schon vor Jahren. Jetzt setzt er sie auf Gibraltar mit Sebastian Kuhnert als Direktor um.
Die Idee für seine Trading-Schule hatte Dominik Kofert (l) schon vor Jahren. Jetzt setzt er sie auf Gibraltar mit Sebastian Kuhnert als Direktor um.
© Capital

Auch Kofert will von dem Trend profitieren. Denn seine Fanggründe leeren sich: "Poker ist kein Wachstumsmarkt mehr", sagt er, "der Boom ist vorbei." 3,6 Mrd. Dollar werden jährlich an virtuellen Tischen verzockt, schätzt die Uni Hamburg. Die Community ist mittlerweile ziemlich professionell. Wer heute einsteigt, braucht Jahre, um mithalten zu können.

In seiner Pokerschule hat ihnen Kofert kostenlos beigebracht, wie sich mit dem Spiel Geld machen lässt. Dafür bekam er von angeschlossenen Pokerwebsites einen Teil der Gebühren ab, die jeder Spieler zahlt. Das System war genial. Doch ohne ständigen Nachschub an Zockern stagniert sein Geschäft. Und die Profis gieren nach einem neuen Reiz.

Deshalb überträgt er nun das System auf seine Online-Trading-Community Tradimo: Dort wird kostenlos erklärt, was ein Markt ist, wie ein Preis entsteht, was ein Broker macht. In Videoclips rast ein blaues Männchen um den Globus und doziert, wie ein Wechselkurs zustande kommt. Die Stimme im Off klingt nach Kinderkanal. Und ein bisschen ist das die Botschaft: Trading ist ein einfacher Tausch, von dem profitieren kann, wer sich nicht allzu doof anstellt.

Es ist warm an diesem Wintertag auf Gibraltar, das Thermometer zeigt 25 Grad, draußen dösen die Affen in der Sonne, drinnen ist Kofert aktiv. Geschäftig schwingt er sich aus seinem Stuhl und beginnt, auf einer Tafel herumzumalen: "Wir versuchen, die Wahrscheinlichkeit zu unseren Gunsten zu beeinflussen", erklärt er und zeichnet eine Kurve. "Statt 50 zu 50 wollen wir eine 51-zu-49-Chance. Das reicht schon." Über Jahre hat er mit Banken und Aufsehern gesprochen, hat Trainer engagiert, Werbung gemacht – und schließlich einen eigenen Direktor für Tradimo eingestellt: Sebastian Kuhnert, Absolvent einer Eliteuni, 25 Jahre alt, jetzt Manager von Koferts Zukunft.

In den ersten drei Monaten besuchten über 170.000 Menschen die Internetseite von Tradimo, 22.000 meldeten sich tatsächlich an. Einige Tausend sind inzwischen zahlende Kunden bei einem der angeschlossenen Broker. Bis zu 50 Prozent ihrer Gebühren fließen nun an Tradimo. Verlangt beispielsweise der Broker pauschal 6 Euro pro Trade, verdient Tradimo automatisch 3 Euro mit – egal ob der User gewinnt oder verliert.

Sie alle suchen einen Trend im Markt. Geht etwa der Kurs zuerst nach oben, dann nach unten und dann wieder nach oben, ist das ein Zeichen, dass die Grundtendenz steigend ist. Andernfalls, so die Theorie, hätte der Kurs ja nach seiner Abwärtsbewegung nicht wieder nach oben gedreht. "Eins, zwei, drei nennen wir das", ruft Kofert. Klingt simpel und nach leichten Gewinnen. Binnen Wochen ist die Schule so zu einem viel beachteten Player im Devisengeschäft aufgestiegen.

Schon beim Poker war das so. In wenigen Jahren baute Kofert seine Schule zur größten der Welt aus, bestimmte maßgeblich, wie das Spiel gelehrt wurde. Nun ist das Spiel ein anderes, die Voraussetzungen sind jedoch dieselben: Immer noch geht es um taktisches Geschick, analytische Gabe und Selbstbeherrschung. Wer seine Emotionen beim Poker nicht im Griff hat, verliert. Wer seine Gefühle beim Traden nicht unter Kontrolle behält, ist ruiniert. Allein 1,6 Millionen Mitglieder in der Kartei von Pokerstrategy hätten das Geld, um am Devisenmarkt mitzumischen. Kommt nur ein Bruchteil zu Tradimo, ist es ein Geschäft.

Beim Poker sorgen zehn Prozent der aktiven Spieler für 86 Prozent des Umsatzes. Nur 15 Prozent spielen überhaupt profitabel. Beim Trading dürften die Quoten ähnlich ausfallen – egal ob mit oder ohne Ausbildung an der Tradingschule. Denn ebenso schnell, wie Geld verdient ist, ist es auch wieder verloren: Die Einsätze sind gehebelt. Wer für 100 Euro wetten will, muss lediglich 1 Euro einsetzen, den Rest leiht ihm der Broker. "Mit 500 Euro auf dem Konto kann ich binnen einer Woche locker eine Million Handelsvolumen bewegen", rechnet Andreas Ruether vor, bis vor Kurzem Geschäftsführer des CFD-Verbands. Doch mit dem Hebel potenziert sich auch der mögliche Verlust. Dabei kann alles die Kurse beeinflussen, ein Statement vom US-Notenbankchef ebenso wie eine Order von Goldman Sachs oder ein Tropensturm an der US-Ostküste. Wer nicht aufpasst, hat schnell mehr verloren, als auf seinem Konto liegt. Und muss nachschießen.

Die Branche selbst gibt sich schmallippig. "Devisenhandel ist definitiv nichts für Einsteiger", sagt Daniel Schneider, der das Brokerage bei Comdirect leitet. Zwar ist die Commerzbank-Tochter kein Partner von Tradimo, dennoch wirbt sie wie viele andere Anbieter aggressiv um neue Kunden. "Es ist grob fahrlässig, Devisenhandel für Privatanleger als Geschäftsmodell zu haben. Die Banken wissen, dass ihre Kunden damit nichts gewinnen können", sagt Martin Weber, Professor für Bankbetriebslehre in Frankfurt. Gerade erst hat die Bundesbank die großen Geldhäuser gerügt – sie gingen ein zu hohes Risiko ein bei ihren Geschäften. Warum soll das nicht auch für Kleinanleger gelten? "Natürlich gibt es Gewinner. Aber die haben einfach nur Glück", resümiert Weber.

Der effizienteste Markt der Welt

Schnelle Geschäfte seien überhaupt nicht in seinem Sinne, versichert Kuhnert. Nur wer langfristig gewinne, bleibe auch dabei und spüle Geld in die Kasse. Ergo ist jemand, der an einem Tag all sein Geld verzockt, auch schnell wieder weg vom Devisenmarkt – und von Tradimo. "Unsere Interessen sind die gleichen wie die des Kunden", sagt Kuhnert. "Das ist wohl einmalig in der Finanzbranche." Und überhaupt: Schon heute stehe es den Anlegern frei, am Devisenmarkt mitzumischen. Da sei es doch besser, vorher in einer Schule gelernt zu haben.

Weber bezweifelt das: "Die Leute glauben, wer am härtesten arbeitet, ist auch am erfolgreichsten." Doch es helfe nichts, das Können der Leute zu maximieren. "Der Devisenmarkt ist der effizienteste Markt der Welt mit vielen Teilnehmern und vielen Trades." Da seien Spekulationsgewinne dauerhaft schlicht unmöglich. "Gäbe es etwas zu verdienen, würden es die Großen ja tun – und somit in den Markt einpreisen", glaubt er.

Aus einem Geschäft, das im Jahr 1880 mit den ersten Überweisungen auf Auslandskonten begann und nur zwischen Banken stattfand, ist inzwischen ein weltumspannender Markt geworden, der ausschließlich online funktioniert – und auf dem seit ein paar Jahren auch Privatleute mitmischen können. Käufer, Verkäufer und Broker können überall auf der Welt sitzen und in Echtzeit miteinander Währungen handeln. Das Geschäft läuft anonym, im Hinterzimmer.

Figure

Warum also schicken Kofert und Kuhnert ihre Pokerspieler ausgerechnet auf die Devisenmärkte? Kofert sagt, Devisen seien nun mal ein überschaubarer Bereich, allzu viele Währungspaare zum Tauschen gebe es ja nicht. Außerdem sei da das sogenannte Money-Management: Der Trader soll immer nur zwei Prozent seines Kapitals setzen. Irgendwann, so der Plan, muss jeder einmal gewinnen – das Gesetz der großen Zahl.

Und Kuhnert ergänzt: "Wir weisen den Kunden ganz deutlich darauf hin, dass es ein großes Risiko gibt." Und überhaupt mache Tradimo die Finanzmärkte nur demokratisch. "Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum die Banken das Geschäft unter sich ausmachen sollen."

Denkbar ist aber auch: Aus Day-Trading lässt sich am schnellsten eine Art Spiel machen. Pokerprofis, die ohnehin an zehn Tischen gleichzeitig zocken, könnten nebenbei Währungen handeln wie an einem elften oder zwölften Tisch.Und noch ein Grund klingt plausibel: Der Laie kann mit wenigen Grundkenntnissen schon nach kurzer Zeit am Devisenhandel teilnehmen. Um aber langfristig erfolgreich zu sein, muss er viel lernen – und bleibt ständig bei Tradimo aktiv.

Doch richtig massentauglich scheint das Geschäft nicht zu sein. Weniger als zehn Prozent der angemeldeten User sind zahlende Kunden bei einem Broker. Auch deshalb erweitert Tradimo nun sein Angebot. Seit ein paar Wochen lehrt die Schule Aktienhandel. Damit sollen konservative Anleger angesprochen werden.

Weg vom schnellen Geld, hin zu langfristigen Engagements und reellen Werten. "Die User haben uns gefragt, ob wir das nicht machen können", sagt Kuhnert.

Der Schritt dürfte Tradimo weiter etablieren. Mehrere deutsche Banken haben bereits Interesse bekundet, als Partner einzusteigen. Von Skepsis ist nicht viel zu spüren: Die Haie lockt das Geld, das sie mit den kleinen Fischen verdienen können.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel