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Fonds Hebel-ETFs – mit dreifachem Tempo

Gehebelte ETFs versprechen Turbogewinne. Aber wenn man nicht weiß, was dahinter steckt, wird es gefährlich. Von Nadine Oberhuber
Auch Dax-Konzerne bieten keine garantierte Sicherheit (Foto: Deutsche Börse AG)
Wenn an der Börse die Kurse steigen, verstärkt ein Hebel-ETF diesen Effekt - Foto: Deutsche Börse

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

„Drei mal Daily Long, bitte!“ Was klingt wie die Bestellung in der Cocktailbar oder am Tresen einer Kaffeekette, ist in Wirklichkeit eine Kauforder, die dieser Tage viele Anleger aufgeben. All diejenigen nämlich, die das derzeit heftige Auf und Ab an den Börsen nicht nur sehr spannend finden, sondern es sogar gern noch ein bisschen abenteuerlicher hätten. Bei denen es im Magen erst so richtig kribbelt, wenn die Kurse nicht einfach nur stur und steil nach oben tuckern, so wie sie es in den vergangenen drei Jahren taten und auch auf Fünfjahressicht. Sondern wenn die Indizes nach kräftigen Anstiegen auch mal kurz in die Tiefe tauchen, um Schwung zu nehmen für die nächste Aufwärtsrampe. Es sind die Achterbahnfahrer unter den Anlegern, die auch an der Börse gern mal eine Karte für eine rasante Fahrt lösen. Sie haben die gehebelten Indexfonds entdeckt.

ETFs mit Hebel sind derzeit eines der am schnellsten wachsenden Segmente an der Börse, beobachten Ratingagenturen. Es gibt sie noch nicht seit sehr langer Zeit, dreifach gehebelte Papiere etwa sind hierzulande erst seit wenigen Monaten für Privatanleger handelbar. Aber gerade in solchen Zeiten wie jetzt finden sie reißenden Absatz. Sie sind so etwas wie Turbopapiere, mit denen der Anleger zwar auch auf die Entwicklung eines Index setzt – bevorzugt auf einen der vielen Aktienindizes, aber auch Rohstoffindizes für Gold oder Öl sind dabei sehr beliebt. Doch die ETFs vollziehen dabei die Kurssprünge des Index nicht eins zu eins nach, sondern verbuchen sie gleich doppelt oder sogar dreifach. Das heißt: Legt der Deutsche Aktienindex Dax um zehn Prozent zu, so steigt der Wert des Hebel-ETFs gleich um knapp 30 Prozent, wenn er einen dreifachen Hebel hat. Im laufenden Jahr legte der Dax bereits eine Performance von 15 Prozent hin. Ein dreifach-Hebel-ETF hätte also um 45 Prozent zugelegt, das klingt natürlich verlockend.

Was dahinter steckt, ist Folgendes: Die Produkte ermöglichen das, indem die Herausgeber in den zugrundeliegenden Index eine Fremdfinanzierung einbauen, der das eingesetzte Kapital vervielfacht. Oder indem sie Leerverkäufe tätigen. Oder beides. Nun funktioniert die Vervielfachung allerdings nicht nur nach oben, klar, sondern auch nach unten. Verluste kumulieren sich ebenso.

Hebel-ETFs sind keine einfachen Produkte

Nun klingt das Ganze nach einem eher gewagten Finanzprodukt für Börsenprofis und man müsste ganz offen sagen: Das ist es auch. Dennoch werben sogar ganz normale Direktbanken auf ihren Seiten damit, dass solche Hebel-ETFs bei ihnen für jedermann ganz einfach und total kostengünstig zu kaufen sind. Im gleichen Atemzug betonen sie, dass sie zudem „eine breite Streuung des eingesetzten Kapitals“ ermöglichten und „nur geringe Emittentenrisiken“ bergen. Solche Aussagen beziehen sich freilich auf die Basisvariante der ETFs an sich. Und es stimmt ja auch, dass Indexfonds generell eine gute Geldanlagevariante sind, vor allem, wenn sie möglichst simpel gestrickt sind und mit tatsächlichen Aktien hinterlegt, wodurch sie den Verlauf eines Index sehr genau nachvollziehen. Nur tun Hebel-ETFs alles andere als das.

Das liegt an der simplen Mathematik. Ein Beispiel: Ein Index steigt von 100 Punkten um zehn Prozent, also auf 110 Punkte. Er gewinnt zehn Prozent hinzu und der Hebel-ETF dementsprechend das Dreifache, also 30 Prozent auf 130 Punkte. Am folgenden Tag fällt der Index wieder um 10 Punkte, zurück auf 100. Von der Ausgangsbasis von 110 Punkten sind das nun 9,09 Prozent. Der Hebel-ETF fällt nun entsprechend um 27,27 Prozent, das sind beim Ausgangspunkt von 130 jedoch 35,45 Punkte. Damit landet er bei nur noch 94,55 Punkten. Hier klaffen beide also schon um mehr als fünf Punkte auseinander.

Laufzeit ist entscheidend

Und je länger es bei der rasanten Börsenfahrt auf diese Weise rauf und runter geht, desto mehr entfernt sich das Hebelpapier vom eigentlichen Indexstand. Bei der zweiten Berg- und Talfahrt dieser Art mit exakt denselben Kurssprüngen steht der Index erneut bei 100 Punkten, das Hebelpapier aber bei nur noch 89,39 Punkten. Natürlich sind solche starken Kurssprünge in der Realität die Ausnahme, sie sollen hier überspitzt die Wirkung des Hebels illustrieren. Der Rest aber ist simple Mathematik. Ein Hebel-ETF kann sogar am Ende auch weniger bringen als es ein Indexpapier tun würde.

Die Laufzeit eines solchen Papiers ist also ein entscheidender Faktor. Denn je länger die Zeitspanne, desto unberechenbarer werde solche Konstrukte. Deshalb raten Finanzexperten dringend: Wenn man sich überhaupt an solche Produkte herantraut, dann bitte nur für kurze Zeit. Bei Aktienindizes geht es dabei meist um einen Tag. Bei Rohstoffpapieren um rund einen Monat. Auf lange Sicht dagegen seien solche Hebel-ETFs viel zu gewagt. Denn eine gute Börsengeschichte lasse sich zwar leicht ausmachen, etwa: Der Goldpreis wird wieder steigen, weil nicht alle Minen dieser Welt dauerhaft ihre Barren weit unterhalb der Produktionskosten auf den Markt bringen werden. Oder: Der Dax wird weiter steigen, weil Deutschland vom billigen Euro profitiert und die Zinswende in den USA auf sich warten lässt. So weit ist die künftige Fahrt der Kurse noch ganz gut zu prognostizieren (zumindest mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent).

Rechnung mit drei Unbekannten

Als Besitzer eines solchen Hebelpapiers muss man aber auch etwa abschätzen können, bis wann das Ganze passiert und in welche Richtung ein Index innerhalb der nächsten paar Stunden oder Tage steuert. Denn er hat gar nichts davon, wenn sich der Dax langfristig nach oben bewegt, wenn er zuvor innerhalb der Haltefrist kurz abtaucht und dann aufgrund des Hebels große Verluste beschert. Unzählige Käufer von Knock-Out-Papieren dürften die überraschenden Schwankungen bei den Tageskursen schon erlebt und schlecht in Erinnerung haben. Denn genau auf extrem kurzfristige Sicht tun Börsen bekanntlich häufig das, was Anleger gerade nicht erwarten, so konnte man es auch vorvergangene Woche in Amerika beobachten: Die Kurse stürzten, obwohl es gute Unternehmenszahlen gab, die eigentlich die gegenteilige Bewegung hätten auslösen müssen.

Zusammen mit den anderen Faktoren setzt der Hebel-ETF-Anleger also gleich auf mindestens drei große Unbekannte. Deswegen fällt das Votum von Analysten zu den Papieren recht eindeutig aus: Kaufen Sie diese Papiere bitte nur, wenn Sie erstens genau verstehen, worauf Sie sich dabei einlassen – und nur, wenn Sie zu denjenigen gehören, denen beim schnellen Auf und Ab nicht übel wird, sondern die dabei dieses wohlige Magenkribbeln verspüren.

Und wenn Sie auch jemand sind, der gerne mit einem Bündel Geldscheine ins Spielkasino geht, um dort beim Roulette alles auf die 36 zu setzen. Denn ehrliche Analysten sagen: Hebel-ETFs sind nicht zum Anlegen da, sondern nur zum Zocken. Es sei ihnen noch niemand begegnet, der mit solchen Produkten tatsächlich über längere Sicht Gewinne eingefahren hätte und keine Verluste. Bereitet Ihnen dagegen das Auf und Ab zwar Spaß, wollen Sie aber nicht unbedingt Geld verschenken, dann werfen Sie lieber einen dreifachen Espresso ein, gehen Sie auf die Kirmes und fahren mal wieder richtig Achterbahn. Da haben sie wenigstens etwas davon.

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