Die Niederländer können deutschen Banken und Sparkassen durchaus das Fürchten lehren, wie der Aufstieg der ING zu einer der führenden Privatkundenbanken hierzulande über die vergangenen rund 25 Jahre zeigt. Auf deren niederländischem Heimatmarkt ist die ABN Amro der große Konkurrent, der nun offenbar den Erfolg der ING in Deutschland wiederholen will – allerdings nicht im Massengeschäft, sondern in der Verwaltung großer Vermögen.
In den Niederlanden agiert die ABN als Universalbank und ist mit einer Marktkapitalisierung von 13,2 Mrd. Euro deutlich kleiner als die ING mit 53,6 Mrd. Euro. Um ihr Wachstum zu beschleunigen, erwerben die Niederländer für 672 Mio. Euro die Bank Hauck Aufhäuser Lampe (HAL) aus dem Besitz des chinesischen Investors Fosun. Von einem „Powerhaus für das Wachstum in Deutschland“, sprach während einer Pressekonferenz in Frankfurt Choy van der Hooft-Cheong, die im ABN Amro-Vorstand das Wealth Management verantwortet.
In Deutschland ist ABN bereits unter dem Markennamen Bethmann Bank im Wealth Management aktiv. „Dies ist eine seltene Gelegenheit, unsere deutschen Aktivitäten auszubauen“, erklärte ABN Amro-Chef Robert Swaak. ABN Amro will das Geschäft von HAL mit der Bethmann Bank kombinieren. Die Niederländer übernahmen die 1748 gegründete Bethmann Bank 2004 von der HypoVereinsbank. Zwei Jahre zuvor hatten sie bereits die Kölner Privatbank Delbrück geschluckt.
„Das ist ein sinnvoller strategischer Schritt für beide Seiten“, kommentierte Volker Brühl, Professor of Banking & Finance am Center for Financial Studies in Frankfurt. „ABN/Bethmann gewinnt an Größe im deutschen Markt, HAL gewinnt einen starken Partner. Kostensynergien dürften zu einem moderaten Personalabbau führen.“ ABN Amro bezifferte während der Pressekonferenz, an der niemand von HAL oder Fosun teilnahm, die Kostensenkungsziele durch den Zusammenschluss auf 60 Mio. Euro.
70 Mrd. Euro verwaltetes Vermögen
Der Zukauf sei „eine bedeutende strategische Entscheidung“, kündigte Hans Hanegraaf an, Sprecher der Bethmann-Geschäftsleitung. „Wir wollen die Zukunft des Banking in Deutschland mitgestalten und unsere Position als Nummer drei im Wealth Management ausbauen.“ Adressaten der Ansage sind offenbar Marktführer Deutsche Bank und die Nummer zwei Commerzbank. HAL verwaltet derzeit Vermögenswerte von rund 26 Mrd. Euro, bei Bethmann sind es Unternehmensangaben zufolge etwa 44 Mrd Euro. Bleiben nach der Fusion der Banken alle Kunden an Bord, würde die neue Einheit – über deren Namen man sich noch ausschweigt – also etwa 70 Mrd. Euro verwalten. Marktführer Deutsche Bank wollte sich auf Anfrage nicht zum verwalteten Vermögen äußern.
HAL war erst 2020 durch den Zusammenschluss von Hauck & Aufhäuser aus Frankfurt und dem Bankhaus Lampe aus Bielefeld entstanden. Lampe gehörte zuvor dem Familienkonzern Oetker und galt als renditeschwach. Das Private Banking und die Verwaltung großer Vermögen gelten zwar grundsätzlich als lukrativ, weil das Geld mit Provisionen verdient wird und das Geschäft somit weniger von Zinsniveau und Konjunktur abhängig ist. Zugleich ist der Markt in Deutschland aber wettbewerbsintensiv, wie Stefan Meine einräumt, der das Kundengeschäft bei Bethmann verantwortet. „Die Kunden sind anspruchsvoll und haben viel Auswahl. Eine Konsolidierung ist sinnvoll.“
Weniger Wettbewerb hieße dann für die von den beiden Banken bislang betreuten Unternehmen, Familien und institutionellen Investoren höhere Kosten. Profitieren können davon allerdings die Aktionäre. Dafür ist nicht mal ein großes Vermögen nötig, es genügt ein Wertpapierdepot bei einer Onlinebank oder einem Neobroker. Die Aktien von ABN sind mit einem KGV von 4,9 aktuell sehr billig zu haben – und das für eine Dividendenrendite von 9,7 Prozent.