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Geldanlage Wohin mit dem Geld?

Wenn es um Geldanlage und Rente geht, prallen Welten aufeinander. Capital hat drei fiktive Anleger belauscht
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© Nathan Fox/BA reps

Eine rustikale Kneipe. Tresen, Holztische. Eine Wirtin mit den typischen deutschen Schildern („Heute leider keine Kartenzahlung möglich“). Wie so häufig treffen sich dort Hans (51), Konrad (39) und Matthias (44). Hans arbeitet seit 26 Jahren bei Daimler, inzwischen als Schichtleiter. Er wohnt in einem Haus 60 Kilometer westlich von Stuttgart, zwei Kinder. Seine Ruhestandsplanung wird allmählich konkreter. Konrad ist seit zehn Jahren bei einer Bank, hat eine Freundin, keine Kinder. Sein Geld steckt er in Fonds und Aktien – und versteht den grassierenden Pessimismus nicht. Matthias ist verheiratet, ein Sohn. Betreibt eine PR- und Werbeagentur. Verdient gut, türmt aber dank gefährlichem Halbwissen alle Ersparnisse auf seinem Girokonto. Es ist bereits ein Bier geflossen.

Matthias: So, die nächste Runde geht auf mich. (Ruft nach hinten) Resi, noch mal drei Pils! So jung kommen wir nicht mehr zusammen – und so friedlich auch nicht mehr. Mann, Mann, Mann, der Trump, jetzt Renzi … ich sag euch, das ist echt gespenstisch.

Hans: 2016 war ganz schön übel, aber 2017 wird nicht besser.

Matthias: Und trotzdem diese Rally an den Börsen … Was erzählt man sich denn so in der Bank, Konrad? Kommt der große Crash?

Konrad: Ach, Matthias, das ist dein Thema seit Jahren. Wenn’s nach Leuten wie dir ginge, die immer Angst haben, müsste es schon zehnmal gekracht haben.

Hans: Ihr Banker seid dafür das genaue Gegenteil, da soll man dauernd einsteigen und Chancen nutzen. Jeden Monat bekomme ich Anrufe oder einen Brief: Ich soll einen Vorsorgecheck machen, meine eiserne Sparreserve „endlich für mich arbeiten lassen“, wie es so schön heißt. Oder gleich die Niedrigzinsen nutzen und noch eine Immobilie finanzieren. Sobald auf einem Konto mehr als 5000 Euro liegen, leuchten bei euch die Vertriebslämpchen auf.

Konrad: Quatsch. Das Problem ist wie jedes Jahr, dass ihr zwei euch zu viel in die Hose macht. Warum gab es denn nach dem Brexit, nach Trump und Italien keinen Crash? Na ja, solange fast alle Angst davor haben und weiter fleißig Geld auf dem Sparbuch türmen, kommt eines ganz bestimmt nicht: ein Crash.

Matthias: Ich weiß nicht. Ich traue dem Braten nicht.

"Viel Quatschen, lange nichts machen"

Konrad: Hast du denn endlich mal dein Geld vom Girokonto auf ein Tagesgeldkonto geschoben?

Matthias: Hab mir Angebote eingeholt. Aber die Sache mit der Einlagensicherung, da steige ich nicht durch. Und Tagesgeld bringt auch nur noch 0,1 Prozent. Außerdem überlege ich ja weiter, ob ich nicht Eigentum kaufen will.

Konrad: Also die gleiche ­Geschichte wie letztes und vorletztes Jahr: viel Quatschen, lange nichts machen. Solche Kunden kenne ich zu gut. Aber wenn ein Tankgutschein als Prämie ins Spiel kommt, kann es plötzlich ganz schnell gehen, und die Kohle fließt …

Hans: Du bist echt arrogant. Eisern sparen ist so dumm ja nicht, wenn man vielleicht mal eine Eigentumswohnung kaufen will. Sonst geht’s dem Matthias so wie mir: Ich habe 2009 gebaut und musste meine Aktien und Fonds zu Tiefstkursen verkaufen, für das Eigenkapital.

Matthias: Hast doch einen super Schnitt gemacht, wenn du damals gekauft hast. Dein Haus ist doch bestimmt doppelt so viel wert …

Hans: Niemals!

Matthias: … heute jedenfalls ist der Markt leer gefegt. Ich schaue mir nur Schrott an, und das selbst 25 Kilometer von der Stuttgarter City entfernt. Niedrige Decken, Badezimmer in 70er-Jahre-Braun, und das zu unverschämten Preisen. Aber irgendeiner beißt ja doch an.

(Wirtin Resi bringt drei Bier.)

Resi: So, bitte, drei Bier für die Wölfe der Wall Street.

Hans: Herrlich, Resi, was sagst du denn zu Trump?

Resi: Ich hab gerade ganz andere Probleme … aber wenn Leute wie du, Konrad, weiter so zocken, kommt hier auch bald so ein Irrer.

Konrad: Resi …

"Viel niedriger werden die Zinsen kaum noch fallen"

Hans: Wo waren wir noch mal? Ach ja, bei den Häusern. Ich habe das letztens noch mal durchgerechnet: So viel hat sich seit 2009 gar nicht verändert. Die Preise sind hoch, ja, aber die Zinsen sind ja absurd niedrig. Außerdem kann ich die Heulerei nicht mehr hören. In den 70ern waren Immobilien noch knapper, und da haben die Leute bei acht, neun Prozent Zinsen auch gebaut. Da ging’s eben mal ein paar Jahre nicht in Urlaub, und es wurde mit angepackt beim Bau. Das macht heute kein Schwein.

Matthias: Quatsch.

Konrad: Doch Matthias, das stimmt. Du kannst doch noch nicht mal eine Glühbirne wechseln.

Matthias: So kann auch nur jemand reden, der nicht mehr mitbekommt, was da draußen auf dem Immobilienmarkt los ist. Außerdem steigen die Zinsen seit ein paar ­Wochen wieder. Und mit Trump soll das ja auch so weitergehen.

Konrad: Klassischer Ankereffekt. Sich für zehn Jahre fest Geld für 1,2 Prozent leihen zu können und dann noch beschweren, dass es mal ein Prozent gekostet hat, das schaffst auch nur du. Ich geb dir aber recht. Viel niedriger werden die Zinsen kaum noch fallen.

Hans: Ihr seid einfach nur Theoretiker. „Ned schwätze, mache“, sag ich. Ob mit Haus oder Aktien, ist doch egal. Hauptsache, man macht irgendwas für seinen Vermögensaufbau. Aber wer sich nie festlegt, macht natürlich auch nichts falsch. Gell, Matthias?

Matthias: Ich sag euch mal was: Wenn ich immer höre, es wäre ja gar nicht so schwer, die Geldanlage selbst in die Hand zu nehmen, zum Beispiel mit diesen (angewidert)Ehhh-Teeee-Effs … da lache ich nur. Konrad: Wieso?

Matthias: Ich war schon mal kurz davor, mir einen zu kaufen, ich habe ja sogar noch mein Depot von damals, also der New Economy. Aber dieser Kürzelwahnsinn ist schlimmer als die Inhaltsstoffe auf der Tüte Gummibären. Was kaufe ich da? Den ISSGLSEDU-ETF, und dann in drei Varianten. Und dann erfahre ich in der nächsten Krise, dass ich Trottel lieber die „A“-Variante hätte kaufen müssen, die in Luxemburg statt Irland verwaltet wird.

Konrad: Mach’s doch nicht so kompliziert, ich schick dir morgen mal eine WKN, da packst du dann jeden Monat 100 oder 200 Euro rein.

Hans: Oh, mir auch, bitte!

"Es läuft meistens besser, als man denkt"

Konrad: Klar, bin ich ja gewohnt. Immer, wenn ich mit Freunden über Geld rede, wollen die am Ende einfach nur eine WKN. Aber nicht vergessen: kaufen und liegen lassen.

Matthias: Ich dachte, Kostolany ist tot und gilt nicht mehr.

Konrad: Nö. Meine Aktien und Fonds laufen hervorragend.

Matthias: Und machst du dir keinen Kopf, wie lange das gut geht?

Konrad: Irgendwas ist immer. Ich hab mit Aktien vor 20 Jahren angefangen, und gefühlt war in 18 von 20 Jahren Krise und Crashgefahr. Die zwei Ausnahmen: 2000 und 2007. Da hat’s dann wirklich gekracht.

Hans: Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass man schlecht damit fährt, wenn man lieber rausgeht aus dem Markt für ein oder zwei Jahre und billiger wieder einsteigt.

Konrad: Dann muss man zweimal richtig liegen: beim Ausstieg und beim Einstieg. Denn was machst du, wenn der Dax auf 15 000 klettert? Es reicht ja schon, wenn die Firmen einfach ihre Dividende weiterzahlen, um Anleihen zu schlagen.

Matthias: Dax 15.000 – ihr Banker mit eurem ewigen Daueroptimismus. Es ist immer ein guter Zeitpunkt zum Kaufen, stimmt’s, Konrad? Wie immer bei Banken.

Konrad: Wie gesagt, es läuft meistens besser, als man denkt.

Hans: Macht, was ihr wollt, ich lob mir mein Eigenheim. Das habe ich in acht Jahren abbezahlt, dann bin ich 58 und wohne im Alter mietfrei.

Matthias: In der Provinz, 60 Kilometer von Stuttgart. Na dann viel Spaß im Alter. Ich orientiere mich lieber an der Stadt.

Hans: Jeder Trend geht mal zu Ende. Seit 15 Jahren will jeder in der Stadt wohnen. Das gab’s schon mal, ändert sich aber auch wieder. Und dann ist’s vorbei mit den dollen Preisanstiegen. Geht doch jetzt schon los, die Lust aufs Grüne kommt schon wieder. Aber das erzählt einem natürlich kein Immobilienmakler.

Konrad: Da ist was dran. Aber rechne dich mal nicht reich mit deiner Hütte in der Provinz. Davon kommen demnächst ein paar Hunderttausend auf den Markt, für die es keine Abnehmer mehr gibt.

Hans: Interessiert mich überhaupt nicht, was das wert ist. Ich will ja nur drin wohnen …

Matthias: … und kannst dir dann ja ein Taxi rufen, wenn du mal zum Arzt musst.

Konrad: Also, Leute, ich ruf jetzt erst mal Resi. Resi (hält sein leeres Glas in die Luft), drei neue, bitte!

Hans: Warum mache ich es nicht einfach wie du, Matthias: Vor allem Angst haben, nichts machen, aber genau wissen, was andere falsch machen! Dabei müsstest du als Selbstständiger eigentlich deutlich mehr fürs Alter machen als wir.

Matthias: Mag sein. Aber wenn ich mir die demografische Entwicklung so anschaue: Vielleicht ist es besser, das Geld zu verpulvern. In 20 Jahren wird mir die zusätzliche Vorsorge sowieso wegbesteuert, weil dann der Staat gar nicht mehr anders kann, um die ganzen Rentner noch zu versorgen.

"Den allermeisten Rentnern wird’s 2030 besser gehen als heute"

Konrad: Und woher nimmst du die Weisheit, dass mit der Rente alles schlimmer wird?

Matthias: Letztens, bei Anne Will in der Talkshow …

Hans:(prustet) … der wichtigsten Informationsquelle über die Lage der Rente in Deutschland …

Matthias: … da hat jemand vorgerechnet: Vor 50 Jahren kamen sechs Einzahler auf einen Rentner, heute noch zwei, Tendenz sinkend. Das kann doch nicht gut gehen.

(Wirtin Resi bringt drei Bier.)

Konrad: Spitze, Resi, danke! Sag mal, was machst du eigentlich so fürs Alter?

Resi: Fürs Alter? In welcher Welt lebst du denn? Von den paar Bieren, die ihr hier trinkt, kann ich mir keine Altersvorsorge leisten. Aber tröstet euch, Jungs, dafür bin ich auch in 20 Jahren noch da, so Gott will.

Matthias: Siehste! So mach ich das auch.

Hans: So könnte ich nicht leben: keine Vorsorge, nix sparen. Aber in einem Punkt gebe ich dir recht, Matthias. Manchmal frage ich mich schon, ob es so schlau war vor zehn Jahren, eine Riester-Rente abzuschließen. Außer Gebühren bleibt da wirklich nicht viel übrig. Aber jetzt kündigen wäre auch Unsinn.

Konrad: Lass da bloß die Finger von. Mit den staatlichen Zuschüssen lohnt sich das Ding trotzdem. Mich ärgert diese ganze Verunsicherung – rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Bis 2030 und darüber hinaus werden die Renten steigen – nur nicht so stark wie die Löhne. Den allermeisten Rentnern wird’s 2030 besser gehen als heute, und selbst danach wird nicht einmal jeder Zehnte in Armut leben. Und das sage ich als jemand, dessen Arbeitgeber mit der Angst vor Altersarmut gute Geschäfte machen kann.

Hans: Hm. Stimmt schon, um Rentner wird immer viel Aufhebens gemacht. Dabei leben heute gerade mal drei Prozent in Armut, aber ungefähr 20 Prozent der Kinder in Deutschland.

Matthias: Ich hätte zumindest eine Vermutung …

Konrad: … weil Kinder nicht wählen dürfen …?

Hans: … oder weil sie im Bett liegen, wenn die Talkshows laufen?

Matthias: Vermutlich leider beides. In diesem Sinne: Prost!

Das fiktive Kneipengespräch ist zuerst in Capital 01/2017 erschienen.

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