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Interview "Gebühren fürs Nichtstun"

Viele Aktivfonds investieren nah am Index, kassieren aber hohe Gebühren. Morningstar-Analyst Masarwah erklärt, wann Anleger verkaufen sollten

Ali Masarwah ist Morningstar-Analyst. Er hat die Performance aktiver Aktienfonds untersucht.

Herr Masarwah, aktiv gemanagte Aktienfonds sind in Misskredit geraten, weil viele Anbieter für ihre hohen Gebühren nur die entsprechenden Indizes abbilden sollen. Wie groß ist das Problem?

Das Phänomen gibt es vermutlich recht häufig. Die europäische Finanzaufsicht Esma hat für den Zeitraum von 2012 bis 2015 eine große Gruppe von Fonds untersucht und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich zwischen fünf und 15 Prozent der UCITS-Aktienfonds potenziell als verkappte Indexfonds erweisen könnten. Wir selbst haben festgestellt, dass etwa 20 Prozent der europäischen Standardwertefonds, die als aktive Produkte beworben werden, sehr nah am Index investieren.

Wie lässt sich feststellen, ob ein aktiv gemanagter Fonds zu dicht an seinem Vergleichsindex arbeitet?

Dafür gibt es einige Kennzahlen wie den Tracking Error, mit dem die Abweichung der Fonds von der Index-Performance gemessen wird. Der tatsächliche Grad der Übereinstimmung eines Fondsportfolios lässt sich mithilfe des sogenannten Active Share ermitteln. Dabei legt man praktisch Index und Fondsportfolio übereinander und schaut, wie hoch der Anteil des Fondsvolumens ist, der nicht mit dem gewählten Vergleichsindex übereinstimmt. Je höher dieser Prozentsatz, desto aktiver ist der Fonds.

Schwache Bilanz vieler Aktivfonds

Wo würden Sie die Grenze zwischen aktiv verwalteten Fonds und Indexfonds ziehen?

Bei einem Active Share von 60 Prozent. Bei Fonds, die sich im Universum konzentrierter Indizes wie Dax oder Dow Jones bewegen, liegt die Grenze aber niedriger, etwa bei 30 bis 40 Prozent.

Was macht das Ganze so brisant?

Die Orientierung an einem Index ist nicht das Problem. Schwierig wird es, wenn selbst ernannte aktive Manager hohe Fondsgebühren verlangen für Produkte, die sich auf derselben Spielwiese bewegen wie Indexfonds, also ETFs. Immerhin werden bei aktiven Fonds im Durchschnitt zwischen 1,5 und zwei Prozent Gebühren im Jahr fällig, Indexfonds kosten gerade mal 0,1 bis 0,5 Prozent. Richtig heikel wird es, wenn man weiß, dass die Bilanz vieler aktiv verwalteter Aktien- und Mischfonds gerade in den vergangenen fünf Jahren recht schwach war. Inzwischen ist das sogar ein Thema für die Bafin geworden, die dem Verdacht nachgeht, ob hier nicht vielleicht Gebühren fürs Nichtstun kassiert werden.

Wie fällt Ihr Urteil über die großen deutschen Aktienfonds aus?

Fonds, die auf deutsche Aktien setzen, hatten zwischen 2013 und 2015 einen Active Share von durchschnittlich 30. Das heißt, 30 Prozent ihres Portfolios weichen vom Index ab. Das ist kein berauschendes Ergebnis, ist aber angesichts des Vergleichsindex verständlich. Viel weniger sollten Anleger von einem aktiven Fonds selbst in einem Markt mit einer kleinen Benchmark wie dem Dax aber nicht akzeptieren.

Index nicht deutlich unterschreiten

Aber eine große Abweichung gegenüber dem Index garantiert doch noch keine höhere Rendite.

Richtig, und deswegen sollten Anleger nicht nur den Active Share beachten, sondern auch die Performance. Nehmen Sie den DWS Deutschland, der einen relativ niedrigen Active Share von durchschnittlich 29 Prozent hat. Trotzdem weist er über zehn Jahre mit dreieinhalb Prozentpunkten pro Jahr die höchste Outperformance aus. Der DWS Aktien Strategie Deutschland hat mit knapp 54 den höchsten Active Share, weil er in hohem Maße auf Nebenwerte setzt. Eine Vielzahl kleiner Wetten und ein niedriger Tracking Error reichen mitunter schon aus, um eine solide Outperformance zu erzielen.

Warum orientieren sich Fondsmanager überhaupt so nah am Index?

Dafür kann es verschiedene Gründe geben. So neigen Fondsmanager bei steigender Nervosität an den Märkten dazu, ihre aktiven Positionen abzubauen. Damit vermeiden sie, dass sie den Index deutlich unterschreiten. Ein Fonds, der in einem gut florierenden Absatzkanal „gesetzt“ ist und hohe Gebühren einspielt, dürfte den Manager zudem nicht unbedingt zu Höchstleistungen animieren. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss von Investoren und Vorgesetzten, die in schwachen Märkten eine Reduzierung des „relativen Risikos“ fordern.

Was raten Sie Anlegern?

Bei hohen Gebühren und anhaltend schlechter Performance sollte man sich schon fragen, ob man den richtigen Fonds gekauft hat. Kennzahlen wie Active Share und Tracking Error bieten Anhaltspunkte. Ebenso die personelle Ausstattung. Wenn da ein Manager sitzt, der gleichzeitig zehn Fonds mit höchst unterschiedlichen Investmentschwerpunkten bewirtschaftet, ist das nicht gerade ein Qualitätsmerkmal.

Bafin-Beobachtung kann heilsam sein

Können sich Anleger wehren, die einen aktiven Fonds gekauft, aber nur eine Art Index-Schmuser erhalten haben?

Natürlich gibt es die Prospekthaftung, und ich würde nicht ausschließen, dass einzelne Fälle am Ende vor Gericht landen. Andererseits gibt es eben auch Fonds, die auf den ersten Blick nur begrenzt aktiv sind und dennoch sehr gute Ergebnisse erzielen. Das zeigt, wie schwierig hier ein Urteil ist.

Was erwarten Sie von den Untersuchungen der Bafin?

Dass die Bafin der Sache nachgeht, ist gut. Allein die Tatsache, dass die Fondsbranche weiß, dass die Finanzaufsicht ein Auge darauf hat, könnte schon eine heilsame Wirkung haben und einige Manager zu besseren Leistungen anspornen.

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