Am 10. Juni ist es soweit: Mit dem Anpfiff zum Spiel Frankreich-Rumänien beginnt die Fußball-Europameisterschaft 2016. In den darauffolgenden vier Wochen werden Fußballfans auf der ganzen Welt mitfiebern – und nicht wenige Anleger dürften ähnlich gespannt die Kursentwicklung einzelner Aktien verfolgen. Denn mit derselben Regelmäßigkeit, mit der Sport-Experten über den Ausgang wichtiger Fußballspielen spekulieren, versuchen Asset-Manager vorherzusagen, welche Aktien von Fußball-Großereignissen profitieren könnten. Im Fokus stehen dabei üblicherweise die Titel von Sportartikelherstellern und Medienkonzernen, vor allem die Aktien der Sponsoren. Manche Analysten rechnen zudem mit positiven Effekten auf die Wirtschaft des Landes, in dem der Sport-Event stattfindet, im Fall der anstehenden Fußball-EM also Frankreich.
Wie stark sich sportliche Großereignisse tatsächlich auf die Börsen auswirken, ist allerdings umstritten. Besonders gründlich untersucht sind die wirtschaftlichen Folgen von Olympischen Spielen. Die Ergebnisse zeigen: Ihr Einfluss hält sich in Grenzen. Etwa in Großbritannien im Jahr 2012, als das Land die Olympischen Sommerspiele ausrichtete. Viele Asset-Manager prophezeiten, Olympia werde die Wirtschaft auf der Insel ankurbeln, Baubranche und Tourismus in Schwung bringen. Tatsächlich zog der britische Aktienindex FTSE 100 im Vorfeld der Spiele leicht an. Das olympische Konjunkturwunder blieb aber aus. Auch in China, das vier Jahre zuvor die Sommerspiele ausgerichtet hatte, entpuppte sich eine Aktienmarktrallye kurz vor Eröffnung der Spiele als Strohfeuer.
Auswirkungen auf Aktien sind gering
Studien, etwa vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, deuten darauf hin, dass sich Zusagen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) stärker auf die Aktienkurse auswirken als die Olympischen Spiele selbst. Kein Wunder, messen Aktienkurse doch Erwartungen und nicht Ereignisse. Die Kurseffekte nach Vergabe der Spiele verpuffen in der Regel schnell wieder. Darüber hinaus haben IOC-Entscheidungen Studien zufolge auf kleine Volkswirtschaften deutlich stärkere Auswirkungen als auf große. Und: Die Olympischen Winterspiele haben im Gegensatz zu den deutlich größeren Sommerspielen gar keinen messbaren Effekt.
Auch die langfristigen Effekte von Sport-Events auf einzelne Aktien sind gering. So haben sich die Titel der Sportausrüster Adidas, Nike und Puma im Jahr der letzten Fußball-WM insgesamt schlechter entwickelt als der globale Aktienindex MSCI World, berichtet Udo Rieder, Portfoliomanager der KSW Vermögensverwaltung aus Nürnberg. „Aktien des Ausrüsters von Weltmeister Deutschland, Adidas, schnitten dabei noch schlechter ab als die des amerikanischen Konkurrenten Nike, dessen Team nur um Platz drei spielte.“ Nicht einmal die Aktien von Sponsoren, die sich von ihrem Engagement einen Imagegewinn erhoffen, konnten in früheren Meisterschaftsjahren mit Sicherheit den breiten Markt schlagen.
Anleger sollten sich also nicht darauf verlassen, wenn Finanzexperten behaupten, die Gewinner-Aktien der anstehenden Fußball-EM vorhersagen zu können. Wer von der EM profitieren will, kann stattdessen besser am Wettschalter darauf setzen, welches Team den Titel holt. Die Gewinnchancen dürften jedenfalls besser stehen als bei dem Versuch, Börsen-Sieger des Spektakels vorherzusagen. Alternativ können sich Investoren auch einfach zurücklehnen und die Spiele anschauen, ganz ohne Renditedruck.