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Rezession „Die Inflation wird höher bleiben“

Die Bank of England hat im Kampf gegen die Inflation die Zinsen erneut angehoben. Tun die Notenbanken zu viel des Guten?
Die Bank of England hat im Kampf gegen die Inflation die Zinsen erneut angehoben. Tun die Notenbanken zu viel des Guten?
© IMAGO / ZUMA Wire
Weil die Notenbanken sich die niedrigen Inflationsraten der Vergangenheit ans Revers heften, stecken sie jetzt in der Klemme. Aber sollten sie wegen teurer Gurken wirklich eine Rezession auslösen? Jim Leaviss von der Fondsgesellschaft M&G meldet Zweifel an

Irgendetwas ist an den Kapitalmärkten ja immer. Oder wie Jim Leaviss, Rentenchef der Fondsgesellschaft M&G sagt: „Es gibt jedes Jahr eine neue Herausforderung.“ Im vergangenen Jahr waren es die Zinswende und in der Folge die massiven Kursverluste am Anleihemark. Nun treibt Leaviss ein Thema um, dass Anlegerinnen und Anleger wohl noch für eine ganze Weile erhalten bleibt: Inflation.

„Die Inflation wird höher bleiben als sie es war“, sagt Leaviss am Donnerstag vor europäischen Journalisten in London. Er rechne für die kommenden Jahre mit Inflationsraten von zwei bis drei Prozent nachdem in der jüngeren Vergangenheit Werte von ein bis zwei Prozent in den meisten Industrieländern typisch waren. Ein wesentlicher Faktor für die anhaltend hohe Inflation sei der robuste Arbeitsmarkt und das Bedürfnis nach stark steigenden Löhnen angesichts des jüngsten Preisschubes.

Ende der Niedriginflation

Damit würde eine Phase von rund drei Jahrzehnten mit sehr niedrigen Inflationsraten zu Ende gehen. Die beiden wesentlichen Faktoren hierfür waren laut Leaviss die Globalisierung und technologische Fortschritte, die viele Produkte und Dienstleistungen verbilligten. „Die Notenbanken sammelten den Ruhm für die niedrige Inflation ein“, sagt Leaviss. Und das fällt ihnen nun vor die Füße, denn die hohen Inflationsraten würden ihnen ebenfalls vorgehalten, ganz so wie sie sich die niedrigen zu eigen gemacht hätten. Es wäre zwar naiv, nicht auch einen Beitrag der lockeren Geldpolitik an den Preissteigerungen zu sehen, argumentiert er und schiebt ein dickes Aber hinterher. „Die Geldpolitik hat nichts mit dem Krieg gegen die Ukraine oder schlechten Ernten zu tun.“

Die Notenbanken stecken deshalb jetzt in der Klemme, argumentiert Leaviss. Weil sie sich die niedrige Inflation zugerechnet haben, werde von ihnen nun auch die Bekämpfung der starken Preisanstiege gefordert – auch wenn dies gar nicht zu leisten sei. „Soll die Bank of England wirklich die britische Wirtschaft in eine Rezession stürzen, weil die Gurken-Ernte in Spanien schlecht ausgefallen ist?“ Er spielte damit am Tag einer überraschenden Zinserhöhung der Bank of England um 50 Basispunkte auf eine Diskussion aus dem vergangenen Winter an, als in der öffentlichen Diskussion extrem teure Gurken als Symbol für die hohe Inflation galten – zu einem Zeitpunkt, als in Spanien die Ernte wegen kalten Wetters schlecht ausgefallen war. Ein ähnlicher Effekt trug vor mehr zwei Jahrzehnten übrigens zur „Teuro“-Diskussion bei, als die Euro-Einführung mit einem extrem kalten Winter in Spanien einher ging und der Kopfsalat unbezahlbar wurde.

Während in der Eurozone und in den USA die Inflation zuletzt zu sinken begann und ein Auslaufen der Zinserhöhungen erwartet wird, hat im Vereinigten Königreich eine Diskussion über eine Stagflation eingesetzt, also eine Situation einer stagnierenden oder schrumpfen Wirtschaft bei gleichzeitig anhaltend hoher Inflation. Ihre größte Sorge sei, dass die Inflation und damit die Zinsen für längere Zeit hoch bleiben als erwartet worden war, sagt Fabiana Fedeli, Aktienchefin von M&G.

Bei Aktien kippt es

Eine Inflationsrate von zwei bis vier Prozent sei für Aktien in der Regel positiv, weil Unternehmen dann ihre nominalen Umsätze und damit Gewinne steigern können. Aktienkurse bilden im Kern abdiskontierte künftige Gewinne ab. Kritisch wird es Fedeli zufolge aber, wenn die Inflation deutlich oberhalb dieser Zone liegt und viele Menschen beginnen ihren Konsum einzuschränken. Dies sei bei einer Reihe von Konsumgüterkonzernen zu beobachten. „Sie haben die Preise erhöht und erleben jetzt einen Rückgang der Nachfrage“, sagt Fedeli.

Ein weiteres Problem für die Aktien sei es, wenn die Notenbanken auf die hohe Inflation reagieren und über steigende Zinsen die Konjunktur abwürgen. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Federal Reserve noch 2023 die Zinsen senkt“, sagt sie. Die Spekulation auf fallende US-Leitzinsen war ein Faktor für die Aktienmarktrally der vergangenen Monate.

Stattdessen seien im Frühjahr in den USA die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen schlechter geworden, ergänzt Leaviss. Die Krise um die Silicon Valley Bank habe zu einem Abfluss von Kundengeldern bei vielen kleineren Banken geführt, welche typischerweise kleine und mittelgroße US-Unternehmen finanzierten. Diese hätten ihre höheren Finanzierungskosten auf die Kreditnehmer überwälzt. Leaviss zufolge entsprachen die Wirkungen dieses Effektes einer Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte.

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