Hat die Fondsgesellschaft und Deutsche-Bank-Tochter DWS Angaben zu nachhaltige Investitionen zu hoch angesetzt? Dieser Frage gehen Medienberichten zufolge jetzt die US-Börsenaufsicht SEC und die Bundesstaatsanwaltschaft nach. Das „Wall Street Journal“ (WSJ) hatte zuerst über die Ermittlungen berichtet, die sich demnach noch am Anfang befinden. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge ermittelt auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin in dem Fall.
Die Aktie der Fondsgesellschaft bekam das am Donnerstag deutlich zu spüren. Nach einem vorläufigen Rekordhoch von zwischenzeitlich 41,88 Euro sackte der Kurs binnen weniger Stunden um 13 Prozent ab und lag zwischenzeitlich bei 36,06 Euro. Am Freitag gab der DWS-Kurs weiter nach und sackte zwischenzeitlich auf 35,68 Euro ab. Auch die Deutsche-Bank-Aktie verzeichnete am Donnerstag einen Dämpfer: Sie büßte knapp zwei Prozent ein und schloss mit 10,57 Euro. Am Freitagmittag erreichte der Kurs schließlich sein Wochentief von 10,37 Euro.
Schon Anfang des Monats hatte die Nachhaltigkeitsstrategie der Fondsgesellschaft und Deutsche-Bank-Tochter DWS für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatte das WSJ unter Berufung auf interne E-Mails und Präsentationen über die Diskrepanz zwischen den ESG-Ansprüchen der DWS und dem tatsächlichen Stand beim Thema Nachhaltigkeit berichtet.
Kritik von ehemaliger Nachhaltigkeitschefin
Dabei berief sich die Zeitung unter anderem auf Desiree Fixler, DWS-Nachhaltigkeitschefin von September 2020 bis März 2021. Mitte Februar habe Fixler in einer Präsentation auf den Nachholbedarf der DWS hingewiesen, da es unter anderem an Regelwerken – zum Beispiel zum Umgang mit Investitionen in Kohle – und an einer klaren Ambition und Strategie fehle. Für Fixler ein klare Diskrepanz zu der Erklärung im DWS-Jahresbericht , man habe „ESG in den Mittelpunkt unseres Handelns gestellt“. Einen Tag vor Veröffentlichung des Jahresberichts sei Fixler dem WSJ zufolge entlassen worden.
Auch der ESG-Produktchef habe dem WSJ zufolge bei einer Bestandsaufnahme im Februar darauf hingewiesen: „Nur ein kleiner Teil der Investmentplattform wendet die ESG-Integration an.“ Für wichtige Anlageklassen sei die ESG-Integration überhaupt nicht messbar. Laut dem aktuellen Geschäftsbericht der DWS, sind rund 459 Mrd. Euro – also etwa die Hälfte des Ende 2020 verwalteten Vermögens – in Portfolien mit „ESG-Integrationsansatz“ verwaltet. Dabei handelt es sich um Fondsvermögen, das anhand von ESG-Daten auf Nachhaltigkeit überprüft werde, die Kriterien aber nicht unbedingt erfülle . Das verwaltete Vermögen mit ESG-Ansatz gab die DWS mit 76 Mrd. Euro an.
Die DWS weist Fixlers Vorwürfe in einer Pressemitteilung vom Donnerstag „entschieden zurück“. „Wir waren und sind stets eindeutig in unseren Offenlegungen“, heißt es weiter. Außerdem werde man sich weiterhin konsequent für nachhaltige Geldanlage einsetzen. Bereits Anfang August verwies die Fondsgesellschaft darauf, dass Fixler nach ihrem Weggang eine Beschwerde formuliert habe. Diese hätte man von einer unabhängigen Drittfirma gründlich untersuchen lassen, dabei sei herausgekommen, dass keiner von Fixlers Vorwürfen „auf der Grundlage von Fakten einschließlich Greenwashing erhoben wurde“.
Analysten wie die Ratingagentur Morningstar sehen bei der Nachhaltigkeitsstrategie der Fondsgesellschaft trotzdem noch Verbesserungspotential. Bei einer Bewertung von 40 Fondsanbietern im November 2020, die unter anderem berücksichtigte, „wie gut ESG Kriterien in den Investmentprozessen“ passen, gab es für die DWS ein „Basic“ – die dritte von vier Bewertungsstufen.
Unsicherheit bei ESG-Kriterien
In der Finanzindustrie liegen Investitionen in ESG – kurz für Umweltstandards, soziale Entwicklung und verantwortungsvolle Unternehmensführung – im Trend. Auch in Deutschland ist das Interesse an ESG-Produkten ist groß. Für mehr als die Hälfte der Deutschen sei die nachhaltige Geldanlage wichtig, wie eine Umfrage des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung zeigt. Verbindliche und einheitliche Kriterien gibt es, lassen bisher allerdings zu wünschen übrig. Was als nachhaltiges Finanzprodukt gilt, ist daher oft eine Frage der Perspektive.
Zwar gilt seit dem Frühjahr die EU-Offenlegungsverordnung, die Fonds mit einem Nachhaltigkeitsmerkmal und tatsächlich nachhaltiger Wirkung ausweist. Die Anbieter stufen ihre Fonds dabei allerdings selbst ein, erst danach folgt die Überprüfung der Einschätzung. Die Bafin hat dagegen bereits angekündigt bei ESG-Regeln nachzuziehen. Demnach sollen entsprechende Fonds künftig unter anderem mindestens zu drei Vierteln in nachhaltige Anlagen invesiteren.
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