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Christoph Bruns Erdgas im Crash-Modus

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
Der Preis für US-Erdgas ist seit Sommer vergangenen Jahres abgestürzt. Und der Energieträger dürfte weiter an Boden verlieren, wenn die Amerikaner bei der Stromerzeugung zunehmend auf Wind- und Solarenergie setzen

Wer die Rohstoffmärkte verfolgt, der weiß, dass es dort einer gewissen Nervenstärke bedarf, um den wilden Ausschlägen der Kurse mit notwendiger Gelassenheit zu begegnen. Derzeit geht es besonders bei amerikanischem Erdgas wild zu. Noch im letzten Sommer wurden Preise von fast 10 Dollar pro Million Britische Thermische Einheit (mmBTU) verlangt, Ende März notierte der Kurs bei ungefähr 2 Dollar. Die in Deutschland mit Gas heizende Bevölkerung muss hoffen, dass die Kaufverträge für amerikanisches Flüssiggas nicht zu Höchstpreisen abgeschlossen wurden. Weil man darüber aber so gut wie nichts erfährt, darf man sich an dieser Stelle Sorgen machen.

Vor allem der milde amerikanische Winter zeichnet verantwortlich für die drastischen Preisrückgänge. Allerdings sind auch andere Aspekte zu nennen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Erdgas-Anteil bei der amerikanischen Stromerzeugung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewachsen ist. Dabei hat Erdgas in erster Linie Kohle als Primärenergie für die Elektrizitätserzeugung ersetzt und dabei zur Verbesserung der US-Klimabilanz beigetragen. Möglich wurde diese Entwicklung durch die optimierten technischen Möglichkeiten zur Förderung von Schiefergas.

Nunmehr besteht eine realistische Chance dafür, dass Erdgas seinerseits in den kommenden Jahren Marktanteile zulasten von Solar- und Windstrom verliert. Angesichts seiner Topographie und Größe verfügen die USA über gute Möglichkeiten, günstigen Strom durch Solar- und Windkraftanlagen zu erzeugen. Diese Feststellung gilt umso mehr, je teurer Erdgas gehandelt wird. Im Umkehrschluss gilt sodann die Beobachtung, dass Erdgas bei den derzeit äußerst niedrigen Notierungen sehr wettbewerbsfähig (neben seinen anderen Vorteilen wie z. B. Grundlastfähigkeit) in der Stromerzeugung ist.

Für die Produzenten von Erdgas sind die niedrigen Preise keine gute Nachricht, vor allem, wenn keine Absicherungsgeschäfte betrieben wurden. In Europa könnte vonseiten der Gaserzeuger die Forderung nach einem Mindergewinnausgleich aufkommen, nachdem die Energiebranche zuletzt ja mit sogenannten Übergewinnsteuern belastet wurde. In diesem Zusammenhang wäre auch einmal daran zu erinnern, dass gerade die großen Energieunternehmen (Exxon, BP, Shell, Total Energies, Wintershall, OMV) enorme Verluste in Bezug auf ihr Russlandgeschäft schultern mussten. Allein die Abschreibungen auf die Nord-Stream-Pipelines haben zu beachtlichen Schäden für die beteiligten Unternehmen geführt.

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