Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Wer nicht in die Ferne schweift, galt bisher als dumm. Jedenfalls in den Augen von Finanzexperten und Verhaltensökonomen, die sich die Portfolios von Aktienanlegern ansahen. Freilich drückten die es etwas diplomatischer aus, ihre Grundaussage aber war folgende: Überall auf der Welt neigen Menschen dazu, erheblich mehr Geld in Firmen des eigenen Landes zu investieren als in ausländische Werte. Im Schnitt bestücken sie ihre Depots zu 75 Prozent – deutsche Anleger sogar zu fast 90 Prozent – mit heimischen Aktien. Sie streuen also nur magere 25 Prozent ihres Geldes auch über den Rest der Welt. Oft allerdings ist der Rest der Welt schon kurz hinter der Grenze erreicht und sie kaufen lediglich noch ein paar Papiere aus dem benachbarten Ausland. Das ist vor allem deswegen ungeschickt, weil ihnen durch die mangelnde Weltgewandtheit eine höhere Rendite entgehe, sagen Ökonomen. Ebenso wie die Möglichkeit, ihr Geld breiter zu streuen und es dadurch weniger riskant anzulegen.
Schwärmt aus in die Welt, Anleger! Das fordern Verhaltensökonomen daher immer wieder. Mindestens einen Prozentpunkt Rendite ließen Heimatverbundene sonst unnötig liegen. Schließlich werfe der eigene Aktienmarkt nicht stetig die höchsten Gewinne ab, sondern schwächle auch einmal. Genau in solchen Momenten können dann Aktien aus anderen Ländern dem Depot trotzdem einen Schub verpassen und die Gewinne steigern. Seit Anfang der 90er-Jahre behaupten die Finanzmarktforscher das nun schon.
Drei Angstfaktoren
Warum sich das Gros der Anleger dennoch bis heute nicht daran hält, ist mit drei Ängsten und einem kurzen historischen Rückblick erklärt: Bis zum Platzen der New-Economy-Blase waren viele Portfolios hierzulande noch deutlich internationaler aufgestellt. Doch der Crash weckte in vielen das Gefühl: Die Börsen sind unberechenbar und ein Marktabsturz in Amerika jagt gleich Schockwellen um die Welt. Viele zogen sich daraufhin großflächig aus Aktieninvestments zurück und sind bis heute nicht zurückgekehrt.
Die Angst, eine Aktie aus einem entfernten Land nicht richtig einschätzen zu können, hemmt den Drang ins Ausland. Viele meinen, heimische Firmen besser zu kennen und deshalb bedenkenloser in eine Adidas oder Daimler-Aktie investieren zu können als in Alcoa oder Toyota. Der zweite Faktor ist die Angst vor hohen Kosten. Denn natürlich lassen sich deutsche Papiere an deutschen Börsen günstiger erwerben als Aktien in Timbuktu oder Singapur. Der dritte Faktor sind die Währungsrisiken, die viele Anleger bei Auslandinvestments scheuen.
Alle diese Ängste kann man heute jedoch vergessen, wenn man keine Einzelpapiere an ausländischen Börsen kauft, sondern stattdessen breit gestreut in Indexfonds investiert, etwa in den MSCI World. Mit ihm hat man gleich die ganze Welt im Depot, zudem noch in Euro notiert und mit einer schmalen Verwaltungsgebühr von rund 0,3 Prozent, je nach Anbieter. Und immer mehr Anleger kaufen auch solche Weltprodukte, frohlockt die Investmentbranche. Die spannende Frage aber ist: Bringen die nun wirklich so viel mehr als etwa ein rein europäisches Portfolio oder ein amerikanisches? Muss man sein Geld also wirklich über die Welt verteilen? Da kommen Auswertungen nun zu einem überraschenden Ergebnis.
Große Schwankungen
Es waren nämlich gerade nicht die weltweit gestreuten Aktienkörbe, die in den vergangenen Jahren die satteste Rendite erzielten. Über die vergangenen 25 Jahre, also seit dem Jahr 1989/1990 lagen vielmehr die europäischen und amerikanischen Aktien vorn. Weit vorn.
Es fängt schon damit an, dass sie in diesem Zeitraum 18 Gewinnjahre verzeichneten und nur sieben Jahre mit Verlust abschlossen. Während die Schwellenländer Asiens und die Pazifikregion immerhin auf zehn beziehungsweise zwölf Verlustjahre kamen. Sie landeten also beinahe jedes zweite Jahr im Minus. Die klassische Heimatregion deutscher Anleger dagegen, also Europa, brachte in zwei von drei Jahren ein Plus fürs Depot. Und was für eines: 7,8 Prozent jährliche Rendite konnten Anleger im Schnitt über diese 25 Jahre einfahren. Amerikanische Aktien kamen sogar auf 9,7 Prozent pro Jahr. Dagegen sieht die durchschnittliche Jahresrendite der asiatischen Schwellenländer mit 5,3 Prozent recht mau aus und die Pazifikregion schnitt mit 1,2 Prozent ziemlich schlecht ab. Dafür hätte man sein Geld besser auf dem Tagesgeldkonto geparkt.
Damit hätte man vermutlich auch ruhiger geschlafen. Ein Argument für das breite Weltinvestment lautet schließlich stets, dass es das Risiko minimiert. Gerade die Aktien der fernen Länder aber schwankten so stark – von maximal plus 116 Prozent im Jahr bis minus 50 Prozent – dass man sich fragen muss, wie viele Anleger wohl diese enormen Schwankungen aushalten. Nun sind Aktien immer eine unstete Anlageform, auch bei europäischen Papieren mussten Anleger seit 1989 Ausschläge von plus 41 Prozent bis minus 43 Prozent von einem aufs andere Jahr ertragen können. Wer das aber konnte, den dürften nun wenigstens die knappen acht Prozent Jahresrendite auf den Gesamtzeitraum beruhigen.
Dass weltläufige Investoren sich also sowohl mehr Rendite als auch weniger Schwankungen erkaufen, lässt sich zumindest für die vergangenen 25 Jahre nicht bestätigen. Nun ist es natürlich immer nur eine Frage des Zeitraumes, den man für solche Auswertungen wählt. Und setzt man den Startzeitpunkt einige Jahre weiter nach vorn oder gut 20 Jahre weiter nach hinten, haben sich Weltinvestments erheblich besser bezahlt gemacht. Man kann aus der Auswertung aber auch folgenden Schluss ziehen: In Märkte zu investieren, die wie der europäische oder amerikanische recht stabil sind – und Krisen auch recht schnell überstehen, muss nicht immer die schlechteste Idee sein. Zumal heutzutage gilt: Setzt man auf Dax- oder Eurostoxx-Unternehmen, die einen Großteil ihres Geschäftes über den Export bestreiten, dann profitiert man bereits vom Wirtschaftswachstum, das sich im Rest der Welt abspielt. Anleger müssen also nicht immer in die Ferne schweifen. Manchmal ist das Gute viel näher als man denkt.