Anzeige

Kolumne Der Kostenanachronismus

Handeln, umdenken - in der Ära der Niedrigzinsen ist der Anleger gefragt. Die Kosten stammen aus der Hochzins-Ära. Von Christian Kirchner
Christian Kirchner
Christian Kirchner
© Gene Glover

Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen

Wenn es um das Thema Geldanlage geht, könnte man glatt meinen, dass sich die meisten Fondsgesellschaften und Berater kartellgleich abgesprochen hätten: Jetzt, in der Ära der Niedrigzinsen, so die Losung, gehe es darum, möglichst viele Renditequellen anzuzapfen: Aktien, Hochzinsanleihen, Immobilien, Rohstoffe, Volatilität, staatliche Förderung – eben die ganzen Palette. Denn risikolose Anlagen bringen eben fast keine Zinsen mehr, bergen aber das Risiko realer Verluste. So bauen gerade die Anbieter mit starker Privatkundenfokussierung argumentativ dem Vertrieb von Misch- und Multi-Asset-Fonds und geförderten Vorsorgeformen vor. Denn, so das Argument, die Anlagewelt habe sich völlig verändert.

Ja, sie hat sich tatsächlich gewandelt. Merkwürdigerweise soll sich meist vieles ändern, nur eines nicht: Die Gebührenstruktur der angebotenen Produkte – es sei denn, sie kann durch die Einführung erfolgsabhängiger Gebühren noch ein kleines bisschen anlegerunfreundlicher gestaltet werden. Noch immer sind für Investmentfonds bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken und auch vielen Privatbanken Ausgabeaufschläge von drei Prozent für Anleihenfonds und Mischfonds und fünf Prozent für Aktienfonds üblich. Klar: Beratung muss auch vergütet werden.

Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Ausgabeaufschlag von drei Prozent für Anleihen- und Mischfonds bedeutet, dass mal eben die risikolose Rendite von etwa vier Jahren auf einen Schlag „futsch“ ist, denn zehnjährige Bundesanleihen bringen derzeit rund 0,8 Prozent Rendite ein. Dabei bleiben die jährlichen Gebühren in ähnlicher Höhe wie die risikolose Rendite meist außen vor. Und die Risiken, um Gebühren und Ausgabeaufschläge erst einmal zu verdienen, lassen sich nicht weghexen - am Ende trägt sie der Anleger.

Anbieter und Berater stehlen sich aus der Verantwortung

Der Anachronismus, heute mit gleichen oder gar höheren einmaligen und laufenden Kosten zu arbeiten wie noch in Zeiten, in denen risikolos vier oder fünf Prozent Zinsen pro Jahr üblich waren, geht komplett zu Lasten der Kunden – jedenfalls wenn diese zu träge sind, sich selbst um Alternativen zu kümmern. Produktanbietern wie Beratern ist es in der Breite gelungen, den Ball ins Feld der Kunden zu spielen und sich zugleich selbst an einer für die Rendite enorm wichtigen Stellschraube – den Gebühren – aus der Verantwortung zu stehlen. Meist wird das verbunden mit dem Hinweis auf die fürchterliche Regulierung aus Berlin und Brüssel.

Ein Blick auf die immer neuen Rekordzahlen der Branche lässt das wenig glaubwürdig erscheinen, zumal wir es mit einem Skalengeschäft zu tun haben: Die Kosten steigen eben nicht im gleichen Maße, wie den Anbietern immer mehr Mittel zufließen. Selbst global hat die Fondsbranche – Regulierung hin oder her – im letzten Jahr nicht nur einen Rekord in den verwalteten Vermögen erreicht. Und die operativen Gewinnmargen waren auch lediglich in einem einzigen Jahr – dem Vorkrisenjahr 2007 – höher und lagen 2014 mit 39 Prozent auf einem Niveau, das mit dem iPhone-Hersteller Apple konkurrieren kann.

Immerhin gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Dinge ein klein wenig in Bewegung geraten. Wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, senkt die Fondstochter der Deutschen Bank, die Deutsche Asset & Wealth Management, die Ausgabeaufschläge für ihre Riester-Produkte „Riester Rente Premium“ und „Top Rente“ für Neuverträge ab 2016. Erstere wird vor allem über Vermittler vertrieben, die zweite vor allem an Selbstentscheider. In der Premium-Variante sinken die Abschlusskosten von 5,5 auf 3,3 Prozent der Beiträge in den ersten fünf Jahren, in der „Top Rente“ je nach Variante sinken die Einmalkosten auf die Beiträge zwischen rund 30 und 100 Prozent.

Kunden sind nicht sensibilisiert

Allerdings sind dies nicht die einzigen Änderungen: Die Mindestlaufzeiten der Produkte werden deutlich verlängert, sie steigen in der Spitze von zwei auf 20 Jahre. Zudem werden im Kernprodukt „Riester Rente Premium“ künftig nur noch 90 und nicht 100 Prozent der erreichten Höchststände abgesichert. Insgesamt verwaltet die Deutsche-Bank-Tochter rund 800.000 Riester-Verträge, deutlich weniger als der Marktführer Union Investment mit rund 1,8 Millionen Fondssparplänen. Die Union Investment hatte jüngst mit einer Umstellung ihres Produkts auf die Niedrigzinsen reagiert: Künftig soll der Aktienanteil des Riester-Fondssparplans mit einem Aktienfonds mit variabler Aktienquote dargestellt werden. Änderungen an der Gebührenstruktur plant die Union Investment hingegen nicht.

Warum auch? Die Rendite des Produkts stimmt. Und die entscheidende Stellschraube in Sachen Gebühren sind letztlich die Kunden. Viele sind für das Thema Gebühren im Zeitalter der Niedrigzinsen nicht sensibilisiert, weil fast alle Anlageklassen – allen voran Aktien und Anleihen – seit Jahren vorzügliche Renditen abwerfen. Wer selbst mit teuren und unterdurchschnittlichen Renten- oder Multi-Asset-Fonds fünf Prozent pro Jahr erzielt hat, weil die Flut alle Boote angehoben hat, schert sich nicht um Gebühren. Doch diesem Muster der letzten Jahre sind in der aktuellen Zinslage schon rein mathematisch Grenzen gesetzt. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, bevor es zu einem bösen Erwachen kommt.

Neueste Artikel