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Daniel Saurenz Den Ölpreis hatte niemand auf der Rechnung

Preistafel an einer Tankstelle
Preistafel an einer Tankstelle: Kraftstoff ist wieder erheblich teurer geworden
© picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte
Die Inflation sollte zum Herbst 2023 planmäßig zurücklaufen. Wer sein Auto betankt, merkt jedoch, dass ein Fehler im System entstanden ist

Super-Benzin 1,98 Euro und Diesel bei 1,90 Euro – so richtig Spaß macht das Tanken im September 2023 in Deutschland nicht, und in vielen anderen Ländern sieht es nicht besser aus. An der Tankstelle kann man ein Dilemma ablesen, dass sich um den Globus ziehen könnte – die Ölpreise sind zu hoch und zu weit geklettert. Dabei sollten die Basiseffekte eigentlich dafür sorgen, dass die Inflation runterkommen kann. „Die Energiepreise machen vor allem EZB-Chefin Christine Lagarde einen Strich durch die Rechnung und sie ist nicht zu beneiden“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Denn in der Tat ist es alles andere als Agieren nach Lehrbuch, wenn die größte Volkswirtschaft der Eurozone, Deutschland, in der Rezession steckt wie Goldman Sachs jüngst feststellte und gleichzeitig die Zinsen hoch liegen oder sogar noch weiter steigen.

Denn auf der einen Seite drängen die Falken bei der Europäischen Zentralbank auf eine weiter straffe Geldpolitik, während zugleich die Wirtschaft immer stärker leidet. „Mit gut sechs Prozent ist die Inflation in Deutschland eindeutig zu hoch. Die EZB hat also ihr Ziel, die Teuerungsrate in den Bereich um zwei Prozent zu drücken, noch lange nicht erreicht“, sagt Stefan Riße vom Fondshaus Acatis zu dem Dilemma. Aber die Währungshüter sind bekanntlich nicht nur für Deutschland da, sondern auch für andere Länder wie Spanien, wo die Inflation nur noch bei 2,6 Prozent liegt.

In die Karten sollte den Notenbankern vor allem im September und Oktober der starke Basiseffekt spielen, der sich im Jahresvergleich nun bremsend auswirkt. Wer erinnert sich nicht an die hohen Energiepreise im Spätsommer 2022. Im Herbst dürfte daher die Euro-Inflationsrate zügig in Richtung drei Prozent plus x fallen. „Allerdings droht eben anschließend wieder neues Ungemach, wenn der Ölpreis nicht mitspielt. Öl der Nordseesorte Brent verteuerte sich seit dem Jahrestief im Mai um rund 30 Prozent und würde den Basiseffekt merklich bremsen“, so Robomarkets-Analyst Molnar.

Die Tankstelle weist den Weg

Einen so kräftigen Preisanstieg beim schwarzen Gold hatte der Markt bislang kaum auf der Rechnung. Autofahrer spüren wieder schmerzhaft, was Inflation bedeutet. Im Durchschnitt müssen für ein Liter Benzin rund 1,95 Euro berappt werden. Energie- und Mehrwertsteuer sorgen allerdings dafür, dass der Steueranteil bei saftigen 50 Prozent liegt. Zwar verringert der stetig steigende Marktanteil von E-Autos die Nachfrage, aber dieser Effekt wirkt nur sehr langfristig. „Weltweit ersetzen derzeit alle elektrischen Fahrzeuge rund 1,5 Millionen Barrel Öl pro Tag. Bei einer Ölförderung von etwa 100 Millionen Barrel am Tag ist dies noch ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Molnar. China dürfte aber als Blaupause für die Ölförderorganisation Opec dienen, da hier der Anteil elektrischer Fahrzeuge besonders dynamisch steigt und somit auch die Nachfrage nach Öl aus dem Verkehrssektor früher sinken dürfte als in anderen Ländern.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Bleibt das schwarze Gold länger auf dem erreichten Niveau oder steigt sogar weiter in Richtung 100 Dollar je Barrel, droht die Inflation wieder nach oben zu drehen und die Notenbanker stärker auf den Plan zu rufen. „Am Terminmarkt ist der meistgehandelte Oktober-Kontrakt deutlich teurer als zur Lieferung in drei Monaten. Die aktuelle Knappheit und Sorgen vor einer weiter angespannten Lage zeigen sich auch in der Positionierung. Nachgefragt wurden zuletzt vor allem Optionskontrakte auf Brent, die erst bei Preisen von 100 Dollar je Barrel in den Gewinn laufen“, sagt Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG.

USA fahren Reserven runter

Auf der Angebotsseite stützen die freiwilligen Produktions- und Exportkürzungen von Saudi-Arabien und Russland. Die USA dämpften den Effekt zwar, indem sie ihre Bestände an strategischen Reserven deutlich reduzierten. Inzwischen wurde dieser Trumpf aber ausgespielt und die Vorräte müssen irgendwann wieder aufgefüllt werden. „Schon jetzt übersteigt die weltweite Nachfrage das Angebot, weil der Bedarf kräftig anzieht. So waren Ölprodukte in den USA im Mai und Juni stärker gefragt als vor der Coronapandemie“, so der IG-Analyst. Ähnliches gilt für China und somit den wichtigsten Nachfragetreiber am Ölmarkt. Auch wenn Volkswirte derzeit ihre Wachstumserwartungen nach unten revidieren, zeichnet sich ein anhaltend hoher Ölbedarf ab.

Gerade für Saudi-Arabien bleibt der Ölmarkt ein Spiel mit dem Feuer. Riad könnte jederzeit damit drohen, die Förderung noch weiter einzuschränken und so den Preis nach oben zu treiben. Allerdings würde man sich damit mittelfristig selbst schaden, da ein hoher Ölpreis wie eine Konsumsteuer für die Verbraucher wirkt. Wer schon länger an der Börse aktiv ist, wird sich noch erinnern: Auch kurz bevor die Finanzkrise 2008 so richtig an Fahrt aufnahm, schnellte der Ölpreis in kurzer Zeit auf mehr als 100 Dollar und verschärfte so die ohnehin schon instabile Lage.  

Daniel Saurenz betreibt mit seinem Team das Börsenportal Feingold Research. Es bietet täglich einen Börsenbrief an, den Sie für 14 Tage kostenfrei testen können. Melden Sie sich unter info@feingold-research.com an oder probieren Sie den Börsendienst unter diesem Link aus. Trainingstage und Coachings finden Sie NEU unter feingold-academy.com

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